
© dpa/Jan-Philipp Strobel
Schläge sind nicht zu entschuldigen
Ela Angerer schreibt über Gewaltbeziehungen: Warum sich Frauen von brutalen Männern nicht trennen
Mit einem Faustschlag ins Gesicht seiner Freundin geht es los und auch sonst ist der Mann im neuen Buch von Autorin Ela Angerer (Bild unten) nicht zimperlich. Den Lesern ist der Mann auf Anhieb verhasst, aber die junge Valerie hält an ihm fest. Eine Situation, die viele Frauen erlebt haben, auch die Autorin, erzählt sie sehr offen im KURIER-Gespräch: "Ein gewalttätiger Mann schlägt ja nicht beim ersten Date zu oder beim dritten. Er wirkt auf den ersten Eindruck wie jemand, der weiß, was er will. Das kann für eine Frau beeindruckend sein. Viele Frauen finden Bad Boys sexy."

Tabu brechen
Viele Frauen sind betroffen: "Eine von fünf" heißt daher eine Vorlesungsreihe an der MedUni Wien in Kooperation mit der Volksanwaltschaft über Gewalt an Frauen, die sich mit der Zahl der Betroffenen und dem Umgang mit dem Thema beschäftigen wird. 17.000 Betroffene in Wien haben sich im Vorjahr an Frauenhäuser gewandt. Auch Angerer ist es ein Anliegen, das Tabu aufzubrechen: "Wir empören uns über die sexuellen Übergriffe der Silvesternacht in Köln, aber Gewalt gegen Frauen ist hauptsächlich ein Problem in Familien und im Freundeskreis. Frauen stoßen bis heute auf Unverständnis, wenn sie darüber reden. Ich war überrascht, wie viele Frauen mir jetzt vertraulich erzählen, dass sie physische oder psychische Gewalt erlebt haben. Und man soll nicht glauben, dass Gewalt nur in Familien mit Migrationshintergrund vorkommt. In Döblinger Villen wird es nur noch mehr verschwiegen."
Das gesellschaftliche Umfeld habe Auswirkungen auf die Beziehung, sagt sie: "Gewalt ist in patriarchalen Strukturen präsenter und in den jeweiligen Gesellschaften toleriert. Es gibt überall Familien, die zu einer Frau sagen: Reiz ihn nicht."
Man müsse allen Frauen klarmachen, dass sie nichts falsch gemacht haben oder schuld sind, auch wenn die Männer das so darstellen: "Ich habe es ganz lange so empfunden, dass ich mitverantwortlich bin, dass so etwas überhaupt passiert. Gleichzeitig habe ich mich geschämt und wollte vor meinen Eltern nicht zugeben, dass sie recht hatten."
Harte Konsequenzen
Man könne auch den Menschen im Umfeld nicht vorwerfen, dass sie nichts gemacht hätten. Frauen verheimlichen die Situation: "Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man lieber schweigt. Man will nicht wahrhaben, dass die eigene Liebe so falsch ist. Wenn man eine Frau mit Blutergüssen am Arm fragt, ob sie Hilfe braucht, sagt sie: ,Ich bin nur über die Stiegen gestolpert.‘ Aus Angst vor den Konsequenzen der Wahrheit."
Im Buch ist das Kind wie eine Rettung für Valerie: Für ihre Tochter nimmt sie all ihren Mut zusammen. Aber im Leben ist es schwieriger, sich von einem gewalttätigen Mann zu lösen, mit dem man ein Kind hat, denkt Angerer: "Er ist der Vater des Kindes und hat ein Druckmittel. Er könnte das Kind entführen oder etwas Irrationales machen."

Das Buch wird am Montag, dem 19. September, um 20 Uhr im Theater im Rabenhof vorgestellt. Es lesen Autorin Ela Angerer und Schauspielerin Mavie Hörbiger sowie Christian Dolezal.
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