Die Rotzglocke hat wieder Saison

Scherzartikel mit Geschichte.
Seit 1953 werden mitten in Wien Scherzartikel gemacht – ein Jungunternehmer setzt die Tradition fort.

Zum Lachen geht Christoph Robol in den Keller.

Die "Jux & Lumpi Gmbh" des 41-jährigen Unternehmensberaters liegt im Souterrain eines Zinshauses im 7. Bezirk. Während der Fasching seinem Höhepunkt entgegentobt, ist es in den Produktions- und Lagerräumen der Manufaktur still. Nur ein paar Farbspritzer und Kartons mit Aufschriften wie "Dracula-Gebiss, einfach" oder "Lippen, wulstig" erinnern daran, dass hier Scherzartikel für den Großhandel hergestellt werden.

Die Rotzglocke hat wieder Saison
Scherzartikel und Kostümverleih Jux & Lumpi GmbH. Tourfar Christoph Robol
Jetzt ist das Geschäft erst einmal gelaufen, sämtliche Artikel der Saison sind ausgeliefert. Etwa das "Rotzglockerl" – im Scherzartikel-Fachjargon angemessen "Nasenglocke" genannt. Die möchte man naturgemäß sofort ausprobieren. Nix da – leider: "Wir sind ausverkauft – bis zum letzten Stück", freut sich Robol. Nicht einmal ein Vorzeigemodell zum Beschnuppern ist mehr da, die Rotz-Imitation lag im heurigen Fasching offensichtlich im Trend. Einzig die Spritzguss-Form, die seit den 1950er-Jahren in Betrieb ist, liegt noch da. Wie viele Rotzglocken über die vielen Jahre wohl in die weite Welt geliefert wurden?

Tinte in Bottichen

Einst war die im Jahr 1953 gegründete Firma groß im Geschäft. In den besten Jahren wurde hier, mitten in Wien-Neubau, nonstop produziert. Schrecktinte, etwa, in riesigen Bottichen. "Die Abfüllmaschine lief Tag und Nacht. 1,2 Millionen Tuben wurden seinerzeit verkauft – pro Jahr!", erzählt Robol.

Die Rotzglocke hat wieder Saison
Stets einen Scherz in Vorbereitung: Reinhard Toufar
Im Jahr 2014 hat er die Firma von Reinhard Toufar übernommen. Der Sohn des Unternehmensgründers Walter Toufar war in Pension gegangen und hatte seine Scherzartikelfirma mangels Nachfolge geschlossen. Dabei werkelten hier einmal 30 Angestellte, pro Tag gingen zwei Lastwagen mit Scherzartikel auf Tour. Und heute?"Es wäre schön, würde es nur ein minimaler Prozentsatz davon sein", sagt Robol. Also wird die Scherztinte nicht mehr, so wie einst, in Bottichen gebraut, sondern im Kübel. Und heute arbeitet hier nur einer: Robol selbst. In der Hochsaison – von August bis Dezember – hilft die Familie mit, Robols Frau und seine beiden Kinder (9 und 12 Jahre alt).

Richtig gutes Blut

Warum tut man sich das an? Der gelernte Betriebswirt und Unternehmensberater lächelt wie ein Bub. Leidenschaft sei das – und der Glaube daran, dass dieser Markt wieder anzieht. Regionalität zählt, das Wertige erlebt eine Renaissance. "Ich war in vielen großen Unternehmen tätig, irgendwann habe ich mich dazu entschlossen, nicht nur Gewinne zu machen, sondern auch Werte zu schaffen." Robol sah sich nach einem Produktionsunternehmen um und wurde bei Reinhard Toufar fündig. Heute verbindet die beiden Männer eine Freundschaft, man fährt gemeinsam zur Spielzeugmesse nach Nürnberg, Toufar brachte dem Jungunternehmer alles bei. Zum Beispiel, wie man richtig gutes Blut herstellt. "Wissen Sie, Blut ist ein Riesenthema – Theaterblut. Speziell zu Halloween kommen wir mit der Produktion nicht nach." Dabei spart Robol nicht mit Eigenlob: "Wir haben das beste Blut." Das will er aus knallharten Marktanalysen wissen: "Ich habe alles Blut, das es gibt, aufgetrieben und es mit unserem verglichen." Der Vergleich macht ihn sicher, die Ingredienzien bleiben sein Geheimnis. Und jenes von Herrn Toufar, der seine Rezepte und die seines Vaters in einem Buch händisch niedergeschrieben hat. Ein Kochbuch für Scherzartikel also – Robol hat es längst digitalisiert. Darin steht auch, wie man Juckpulver aus Hagebuttenhaaren herstellt und Niespulver aus weißem Pfeffer.

Scherz, lass nach

Die Rotzglocke hat wieder Saison
Juckpulver, Niespulver – wer findet das heutzutage noch lustig? "Ich habe das anfangs auch belächelt", sagt Robol und verrät das Geheimnis des Scherzartikels: "Einfach muss er sein – siehe Rotzglocke. Oder so wie unsere Hasenzähne. Unschuldig, schnell. Die Sachen dürfen nicht mehr besonders aufwendig oder kompliziert sein. Sondern leicht anzuwenden – überall, jederzeit." Außerdem sei so ein Scherzartikel eine komplexe gesellschaftliche Sache – speziell bei der Anwendung. "Da geht es um eine Kommunikationsthematik. Ich brauche ein Gegenüber, mit dem ich in Kommunikation trete, das war in den 60ern oder 70ern noch komplett normal. Niemand hat sich angegriffen gefühlt. Heute ist das anders, es braucht mehr Mut."

Wenn Lachen befreit

Besonders stolz ist Robol auf seine Kinderschminke – die Rezeptur hat er übernommen, doch weiterentwickelt – weg vom Stift, hin zum schicken Tiegel. Bei seinem Lieblingsprodukt, der Aquaschminke, funkeln die Augen des Unternehmers: "Die macht keine Flecken, abends kann man sein Kind damit ruhig ins Bett stecken, sollte es bei der Faschingsparty zu spät geworden sein." Lachen spielt eine zentrale Rolle in seinem Leben: "Ich liebe es, Blödsinn zu machen. Lachen wirkt befreiend – dass es im Moment nicht allzu viel zu lachen gibt, fällt uns vielleicht einmal auf den Kopf." Dass Robol die Faschingszeit mag, scheint logisch – das hat aber nicht nur geschäftliche Gründe: "Ich liebe Faschingskrapfen. Alleine deshalb darf der Fasching nie aufhören."

Übrigens: Auch das schlichte Furzkissen ist nach wie vor gefragt. Im Scherzartikel-Jargon heißt es artig: "Sitzkissen mit Ton".

Natürlich ist im Fasching alles erlaubt – wer will, kann auch als er selbst gehen. Doch wer bei einer Party punkten will, vertraut auf vorgegebene Trends. Etwa „Helden der Kindheit“ wie Pippi Langstrumpf oder Familie Feuerstein. Auch Klassiker boomen – der gute alte Cowboy, die gute alte Squaw. Gruppenkostüme eignen sich für Mottopartys. Möglicherweise heikel – speziell in der WC-Frage – sind Paarkostüme wie „Speck und Spiegelei“.

Die Rotzglocke hat wieder Saison
Cheerful young cowboy and cowgirl. Isolated on white
Derzeit ein Renner sind sogenannte „Carry Me“-Kostüme. Sie sehen so aus, als würde man von einer Figur getragen werden. Ebenfalls nicht zu übersehen: die Sehnsucht der Erwachsenen, als „Last Unicorns“ – letzte Einhörner – durch die Nacht zu schweben. Kinder lieben kuschelige Overalls und alles, was mit Disney zusammenhängt. Wundern Sie sich nicht, wenn bei der nächsten Kinder-Faschingsparty Eisprinzessin auf Eisprinzessin und Eisprinzessin trifft und Batman auf Batman oder Batman.

Mäßig originell und trotzdem aus: die orange-gelbe Trump-Perücke. So hieß es etwa bei Jux-Witte in Wien-Mariahilf bereits vergangene Woche: „Ende Jänner haben wir die Lieferung mit den Trump-Perücken bekommen und innerhalb einer Woche waren sie auch schon ausverkauft. Nachschub gibt es leider keinen.“

Verkleidungszwang

Ist es erlaubt, sich am Arbeitsplatz zu verkleiden bzw. muss ich mich im Auftrag eines Dienstgebers zum Narren machen? Fakt, laut AK OÖ: Es gibt keine gesetzlichen Regeln zur Arbeitskleidung – außer es handelt sich um Schutzkleidung. Allerdings ist das Outfit an die Art des Betriebs anzupassen. Ein Bankangestellter mit Lasso und Pistole wird wohl eher ein No-go sein.

Und wie geht’s umgekehrt? Angeordnet kann eine Maskierung nicht werden, das ist mit den Beschäftigten zu vereinbaren. Es sei denn, jemand wird für ein Faschingsfest eingestellt oder arbeitet in einem einschlägigen Geschäft, etwa im Scherzartikelhandel.

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