Richterin: "Chaotischer Zustand" in Privatschule

Richterin: "Chaotischer Zustand" in Privatschule
Kinder ohne Aufsicht. Zu wenig Lernmaterial. Prüfungsverbot. Das Gericht ortet viele Mängel in der Prager Straße.

Rechtsanwalt Gerold Beneder lächelt zufrieden. Auch die Eltern, die der Jurist vertritt, lehnen sich erleichtert zurück. Erstmals hat ein Gericht bestätigt, was viele längst geahnt haben: Die Leistungen der privaten Montessorischulen Prager Straße waren laut Urteil "mangelhaft".
KURIER-Leser kennen die Vorgeschichte: 2009 beklagten sich Mütter beim Schüleranwalt über die Privatschule. Die Hauptvorwürfe: Es unterrichteten Pädagogen ohne Lehrberechtigung, Lernmaterial fehle, Schüler würden mit Prüfungs- und Lernverboten bestraft.

2010 reagierten Stadtschulrat und Ministerium. Der Schule wurde das Öffentlichkeitsrecht entzogen. Viele Eltern nahmen ihre Kinder vor Schuljahresende aus der Schule und stoppten sofort die Zahlungen an den "Montessori-Schulverein". Dieser ging im September 2010 in Konkurs.

Der Masseverwalter des Vereins klagte daraufhin einige Eltern. Prozesse wurden in mehreren Bezirksgerichten anberaumt - abhängig vom Wohnort der Eltern. Den Anfang machte Mistelbach: Richterin Bettina Kubina hörte sich mehrere Stunden die Berichte von Eltern, Vertretern des Stadtschulrats sowie Direktorin Brigitta Weninger an. Am Ende glaubte sie Eltern und Behörden. Die Direktorin hinterließ bei der Juristin den Eindruck, "dass sie versucht war, ihre Angaben erst an einen erfundenen Geschehensablauf anzupassen".

Abwälzen

Zu Unmut führte bei der Richterin nicht nur das häufige Fehlen von Lernmaterial, sondern auch dass die "Schulleiterin sogar so weit ging, die Verantwortung für die Mängel auf die Schüler abwälzen zu wollen". Statt Hilfe waren in der Prager Straße eher Strafen angesagt. Aus dem Urteil: "Kinder hielten sich im Meerschweinchenzimmer ohne Aufsicht ganze Schultage auf." Mehr noch: "Die Schüler wurden zu ausbildungsfernen Tätigkeiten herangezogen, sie mussten Staub saugen und Schnee schaufeln. Als Strafe mussten Kinder eine Zeit lang hinter einem Lehrer hergehen, sodass sie nicht die Möglichkeit hatten, zu lernen oder Prüfungen abzulegen."

Im Urteil wird auch festgehalten: "Teilweise waren Lehrer tätig, deren Verwendung vom Stadtschulrat untersagt worden war." Missfallen erregte auch, dass die Schule als Gymnasium bezeichnet wurde, was aber nicht der Realität entsprach. Überhaupt schienen der Richterin Organisation und Buchhaltung suspekt zu sein. Im Urteil stehen dazu Ausdrücke wie: "Saustall" oder "chaotischer Zustand".

Ausbaden müssen das die Schüler. Sie hinken Gleichaltrigen in den Fächern Mathe, Deutsch und Englisch um zwei Jahre hinterher. Die Juristin formuliert das so: "Der erworbene Wissensstand befand sich durchschnittlich zwei Jahre hinter dem Normalwissensstand."
Nach diesem Urteil müssen die Eltern wenigstens nicht noch Nachzahlungen leisten. Anwalt Beneder sieht in dem Spruch einen Präzedenzfall: "Die Richter anderer Bezirksgerichte werden sich wohl der Mistelbacher Juristin anschließen", ist er überzeugt. Auch wenn das Urteil in erster Instanz noch nicht rechtskräftig ist. "Eine Berufung ist noch möglich."

Die Schule in der Pragerstraße ist seit September 2010 geschlossen. Brigitta Weninger macht aber weiter - als Mitbegründerin des Lernzentrums LUV (www.luv.co.at) Das Konzept dürfte das alte geblieben sein. Wieder wird auf der Homepage versprochen, Kinder zur Matura zu führen.

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