Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft

Zwei, die wissen, was zu tun ist: Helmut Euler-Rolle unterstützt die Ambitionen von Gheorghe
Der praktische Arzt Helmut Euler-Rolle fährt seit bald dreißig Jahren nach Rumänien und Moldawien, um dort materielle Not zu lindern.
Von Uwe Mauch

Er hat in seiner Ordination und bei seinen Hilfsfahrten nach Rumänien und Moldawien viel erlebt, verliert auch in seinem 72. Frühjahr nur selten den Humor. Doch im städtischen Spital von Chisinau ringt Helmut Euler-Rolle mit seiner Fassung.

Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft
„Wir arbeiten hier wie im Mittelalter“, sagt der Neurochirurg Vadim Scutaru im städtischen Krankenhaus von Chisinau. Die Schädeldecken von Kindern mit Gehirntumor muss er mit Bohrer und Säge spalten. An seiner Abteilung fehlt es vom Nachttisch bis zum OP-Werkzeug an allem.

"Wir arbeiten hier wie im Mittelalter", sagt der Neurochirurg Vadim Scutaru. Die Schädeldecken von Kindern mit Gehirntumor muss er mit Bohrer und Säge spalten. An seiner Abteilung fehlt es vom Nachttisch bis zum OP-Werkzeug an allem. Kinder, die bei uns geheilt werden, sind in Moldawien dem Tod geweiht. Daher fragt Scutaru höflich an, ob es möglich wäre, jene medizinischen Geräte zu bekommen, die von Österreichs Krankenhäusern zum Müll geführt werden. "Macht nichts, wenn sie vierzig Jahre alt sind."

Am Ende findet sein Wiener Arztkollege wieder Worte, und er verspricht dem Verzweifelten: "Dass ich meine Landsleute um ihre Hilfe bitten werde." Fürs Erste kann er dringend benötigte Medikamente und Verbandszeug – Spenden von Kollegen, Apotheken und nicht zuletzt von seinen Patienten – übergeben.

Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft

Bilder von einer Hilfsfahrt nach Rumänien und Mold…
Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft

Bilder von einer Hilfsfahrt nach Rumänien und Mold…
Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft

Bilder von einer Hilfsfahrt nach Rumänien und Mold…
Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft

Bilder von einer Hilfsfahrt nach Rumänien und Mold…
Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft

Bilder von einer Hilfsfahrt nach Rumänien und Mold…
Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft

Bilder von einer Hilfsfahrt nach Rumänien und Mold…
Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft

Bilder von einer Hilfsfahrt nach Rumänien und Mold…
Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft

Bilder von einer Hilfsfahrt nach Rumänien und Mold…
Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft

Bilder von einer Hilfsfahrt nach Rumänien und Mold…
Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft

Bilder von einer Hilfsfahrt nach Rumänien und Mold…
Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft

Bilder von einer Hilfsfahrt nach Rumänien und Mold…
Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft

Bilder von einer Hilfsfahrt nach Rumänien und Mold…
Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft

Bilder von einer Hilfsfahrt nach Rumänien und Mold…
Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft

Bilder von einer Hilfsfahrt nach Rumänien und Mold…
Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft

Bilder von einer Hilfsfahrt nach Rumänien und Mold…
Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft

Bilder von einer Hilfsfahrt nach Rumänien und Mold…
Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft

Bilder von einer Hilfsfahrt nach Rumänien und Mold…
Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft

Bilder von einer Hilfsfahrt nach Rumänien und Mold…
Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft

Bilder von einer Hilfsfahrt nach Rumänien und Mold…
Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft

Bilder von einer Hilfsfahrt nach Rumänien und Mold…

Keine Sudokus

Der Herr Doktor könnte längst in Pension sein. Er ist der längst dienende Allgemeinmediziner in Wien-Ottakring. Doch er gibt zu bedenken, dass er "zu doof" fürs Sudoku-Lösen ist. Und dass er die Ordination als "Basislager" für die Spenden benötigt.

Eigentlich war er damals, im Herbst 1987, mit seiner Arbeit voll ausgelastet. Nicht selten war er zwölf Stunden und mehr im Einsatz. Doch dann sah der Vater von vier Kindern diese Schlagzeile im KURIER: "Hungrige Bürger stürmten das Rathaus in Kronstadt!" Darunter las er den Bericht über die bittere Kälte im Ceaucescu-Rumänien. Seine Reaktion war spontan, und doch ungewöhnlich nachhaltig: "Ich wollte nicht daheim sitzen und jammern, dass alles den Bach runtergeht. Ich bin auch nicht der, der einen Fünfziger spendet und sich damit freikaufen möchte. Ich wollte selbst etwas anpacken."

Auf seiner 59. Hilfsfahrt im Frühjahr 2015 darf ihn ein Redakteur des KURIER als freiwilliger Helfer begleiten. Nach der herzlichen Verabschiedung im Krankenhaus geht es weiter in das Dorf Capriana, eine Autostunde nordwestlich der moldawischen Hauptstadt. Dort wartet die Schuldirektorin auf den Besuch aus Österreich. Sie führt zu Gheorghe und seiner Familie.

Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft
Gheorghe (der junge Mann im roten T-Shirt) ist erst 15. Doch er ist längst in die Rolle seines Vaters geschlüpft. "Der ist genauso verstorben wie seine Mutter", erzählt die Schuldirektorin.

Gheorghe ist erst 15, doch er spricht gewählt wie ein Erwachsener. Notgedrungen. Er hat Vater und Mutter verloren, lebt jetzt mit seinen beiden jüngeren Geschwistern im Haus seiner Tante und seines Onkels, die bis spät am Abend arbeiten. Bei durchschnittlichen Löhnen von weniger als 50 Euro reicht es nur für das Notwendigste. Und doch sind Gheorghe und die anderen Kinder nicht verwahrlost. "Ich möchte Koch werden", sagt der Waise. "Dann könnte ich uns ernähren." Zur Lehre müsste er weg vom Dorf, nach Chisinau. "Dazu fehlt das Geld", bedauert die Schuldirektorin. "Sehr schade, denn er lernt sehr gut, er würde sicher seinen Weg machen."

Keine Spazierfahrt

3400 Kilometer mit zwei Klein-Lkws in neun Tagen sind keine Spazierfahrt. Doch Helmut Euler-Rolle versteht es, sich und seine Mitfahrer (bisher haben ihn schon mehr als 100 Freiwillige ein oder auch mehrere Male begleitet) bei Laune zu halten.

Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft
Eufemia beklagt sich, dass der Doc aus Ottakring immer Zigaretten mitbringt: „Teufelszeug, das müssten Sie als Arzt eigentlich am Besten wissen.“

Die Bauchmuskeln strapaziert sein Wortgefecht mit einer 87-jährigen Patientin – im letzten Lepraspital Europas, in einem weit abgelegenen rumänischen Ort in der Dobrudscha, nahe der ukrainischen Grenze. Frau Eufemia beklagt sich, dass er den anderen Patienten immer drei Packerln Zigaretten und eine Handvoll Schokoriegel in die Hand drückt. "Teufelszeug, das müssten Sie als Arzt eigentlich am Besten wissen." Der Ungläubige kontert auf seine Art: "Ich glaube nicht an den Teufel."

Drei Packerln Zigaretten!

Vor allem schenkt Helmut Euler-Rolle den Elenden von Tichilesti ein Lächeln, eine Umarmung und ein paar Minuten Zuhören. Erst nach dem Sturz des rumänischen Conducators hat man ihnen ihre Identität zurückgegeben. Unter Ceausescu durfte es Leprakranke nicht geben. Jahrzehntelang waren sie daher hier wie Verbrecher eingesperrt. Heute sind alle rehabilitiert, allerdings auch am Ende eines unglücklichen Lebens.

Auch wenn das der Ottakringer Samariter nicht hören mag, sagt es eine Frau mit verkrüppelten Fingern und 74 Jahren Biografie als Weggesperrte: "Wenn Sie mit Ihrem Wagen vorfahren, geht in meinem Herz die Sonne auf." Besuch, ein Fremdwort in dieser gottverlassenen Gegend. Daher erkundigt sich die Frau, ob der Mann, der ihr so vertraut ist, im Oktober wieder kommt.

Keine Schweine

Tichilesti ist nicht das Ende der Talfahrt zu den Ärmsten der Armen Europas. Spätestens in Roman, einer 50.000-Einwohner-Stadt im Nordosten Rumäniens, muss jedem dämmern, warum es Roma-Familien auf sich nehmen, ihre Heimat zu verlassen, und in Wien um Geld betteln.

Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft
Skandalös: In Roman werden Angehörige der Roma gezwungen, in Schweineställen zu hausen

Das "Olympische Dorf" ist einer der größten Zynismen und Antiziganismen in der EU. Im alten Siloturm wollen manche ein olympisches Feuer erkennen; die vier Stallungen, jeweils 100 Meter lang und 25 Meter breit, erinnern an eine Kolchose, in der früher Schweine gehalten wurden. Seit 2002 leben hier Menschen wie Tiere: 500 in einer Stallung, 2000 insgesamt. Roma-Familien, die der Stadtsenat aus dem Stadtbild entfernen ließ und die jetzt zu zehnt, elft, zwölft in Boxen zusammengepfercht schlafen und leben. Es gibt keine Toiletten. Es gibt keine Waschmaschine. Es gibt nur einen Wasserhahn für den ganzen Stall. Was für eine Symbolik!

Achtzig Prozent der Bewohner der Stallungen sind Kinder. Für sie will sich Helmut Euler-Rolle in Zukunft vermehrt einsetzen. Um sie kümmern sich die Brüder des Heiligen Anton von Padua und eine Steyler Missionsschwester. Mit einem durchdachten privaten Schulprojekt.

Eine Lehrerin erzählt: "Die meisten Kindern haben keine feinmotorischen Erfahrungen." Ordensschwester Lioba fügt hinzu: "Sie haben so eine Freude, wenn sie sich bei uns einseifen können oder kochen lernen."

Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft
Höfliche Haus-Gemeinschaft: Cristian, der Hahn im Korb, unterhält seine Mitbewohnerinnen

Hochachtung und humanitäre Hilfe verdient auch Schwester Bernadette, die in Satu Mare an der ungarischen Grenze ein Haus für Kinder aus zerrütteten Familien führt. Isabella, die von ihrem Vater zum Freiwild für Freier erklärt worden war, kann in ihrer Obhut wieder lächeln. Sie will ihre Eltern nicht mehr sehen. Dabei ist sie noch ein Kind. Ob es für sie Hilfe gibt? Der Doc aus Wien wird jedenfalls wieder kommen. Ende Oktober.

Im Oktober folgt die 60. Fahrt

Wie ein Arzt aus Ottakring in Osteuropa hilft
Verlässliche fahrbare Untersätze, den Crafter hat die österreichische VW-Vertretung einfach so zur Verfügung gestellt.

Zwei Mal pro Jahr fährt der Arzt Helmut Euler-Rolle mit zwei Klein-Lkws und Freiwilligen nach Rumänien und Moldawien (3400 km in neun Tagen, siehe links). Zum ersten Mal war er 1988 in Timisoara, die letzte Hilfsfahrt war die 59ste.

Was dringend benötigt wird

Gehhilfen, Windeln, Schuhe, Wolle und Wollreste, Verbandsmaterial, (nicht abgelaufene!) Medikamente und Lebensmittel, Pflegeartikel und Kosmetika, Schulhefte und Stifte, Bastelzeug und auch finanzielle Zuwendungen für akute Notfälle.

Mehr Infos hier.

Spendenkonto: BLZ 20111, IBAN AT 47 2011 1000 051 46 720.

Kommentare