Polnische Obdachlose träumen von Weltumsegelung

3 Männer
Sie bauen sich in ihrer Notunterkunft eine Jacht.

Slawomir Michalski hat keinen Job und keine Wohnung, dennoch arbeitet er täglich mindestens acht Stunden. "Von 7.00 bis 15.00 Uhr, wenn nötig auch länger", sagt der 60-Jährige. Denn er hat einen Traum: In einer selbst gebauten Jacht die Welt zu umsegeln. Michalski lebt in der Obdachlosenunterkunft des Kamillianer-Ordens am Rande Warschaus.

Polnische Obdachlose träumen von Weltumsegelung
Slawomir Michalski works on a steel schooner called "Father Boguslaw" under construction at the courtyard of a homeless shelter run by Catholic Fathers in Warsaw on March 27, 2017. Residents of a homeless shelter in Warsaw can already feel the wind in their sails as they work on the imposing steel hull of a majestic schooner, which they aim to take around the globe. / AFP PHOTO / JANEK SKARZYNSKI

Vor zehn Jahren hatte Pater Boguslaw die Idee, mit den wohnungslosen Männern ein Schiff zu bauen. Das Projekt werde den Obdachlosen Selbstvertrauen geben und ihre Chancen verbessern, Arbeit zu finden, war Boguslaw überzeugt. Als der Priester und ehemalige Danziger Werftarbeiter 2009 starb, schworen sich die Männer an seinem Grab, die Jacht zu vollenden - und sie nach ihm zu benennen. "Viele Leute fragten sich, ob wir verrückt seien. Was für eine irre Idee: Obdachlose bauen ein Segelschiff", erzählt Michalski und tippt sich an den Kopf. "Aber dann haben sie gesehen, wie die Jacht von Jahr zu Jahr wuchs, und änderten ihre Meinung."

Polnische Obdachlose träumen von Weltumsegelung
Slawomir Michalski works on a steel schooner called "Father Boguslaw" under construction at the courtyard of a homeless shelter run by Catholic Fathers in Warsaw on March 27, 2017. Residents of a homeless shelter in Warsaw can already feel the wind in their sails as they work on the imposing steel hull of a majestic schooner, which they aim to take around the globe. / AFP PHOTO / JANEK SKARZYNSKI

Die "Boguslaw" hat inzwischen stattliche Ausmaße: Fast 18 Meter lang und fünf Meter breit steht der Schiffsrumpf aus grauem Stahl auf dem Gelände des Sankt-Lazarus-Heims. Der polnische Schiffsbauer Bogdan Malolepszy stellte den Bauplan für den Zweimaster kostenlos zu Verfügung, andere Firmen spendeten das Material. Jetzt bei mildem Frühlingswetter gehen die Arbeiten gut voran, in spätestens zwei Jahren sollen sie abgeschlossen sein.

"Aber schon die Arbeit daran macht uns alle stärker - die Obdachlosen und die freiwilligen Unterstützer", sagt Waldemar Rzeznicki, der den Schiffsbau leitet. "Arbeit bedeutet Glück, sie bringt das Leben zurück." Tadeusz Wojtowicz, der Chef eines Segelherstellers, überlegt, die 170 Quadratmeter Segel für die Jacht zu spenden. "Wenn diese Menschen die Kraft haben, dieses Projekt zu verwirklichen, dann muss man sie unterstützen." Die teuren Speziallacke bekamen die Hobby-Schiffsbauer von einem Hersteller für einen symbolischen Zloty.

"Ein neues Zuhause bauen"

In der Obdachlosen-Werft ist Michalski ein gefragter Mann: In den 70er-Jahren hatte er als Schweißer in der Lenin-Werft in Danzig gearbeitet, als Kollege des Gewerkschaftsführers und späteren Friedensnobelpreisträgers Lech Walesa. "Wir arbeiteten zusammen und wir streikten zusammen." Während Walesa später Präsident wurde, landete Michalski auf der Straße und wurde Alkoholiker. Die Arbeit am Schiff hilft ihm, die Sucht in den Griff zu bekommen. "Es fühlt sich an, als würde ich an meinem Zuhause bauen."

Polnische Obdachlose träumen von Weltumsegelung
(L-R) Michal Jedynak, Slawomir Michalski and ship captain Waldemar Rzeznicki show steering wheels of a steel schooner called "Father Boguslaw" under construction at the courtyard of a homeless shelter run by Catholic Fathers in Warsaw on March 27, 2017. Residents of a homeless shelter in Warsaw can already feel the wind in their sails as they work on the imposing steel hull of a majestic schooner, which they aim to take around the globe. / AFP PHOTO / JANEK SKARZYNSKI

Für diesen Tag hat Michalski die Schweißarbeiten an der Jacht beendet. Aber in Gedanken ist er immer noch bei dem Schiff. "Wenn ich in zwei Jahren noch so gesund bin wie jetzt, dann gibt's für mich nur eines", sagt er. "Die Segel hissen und losfahren."

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