200 indiskrete Fragen für besseren Sex

200 indiskrete Fragen für besseren Sex
Wie gut kennen Sie die sexuellen Vorlieben Ihres Partners wirklich? Der Sexualtherapeut Ulrich Clement hat 200 mehr oder weniger pikante Fragen zusammengestellt, die die Routine aus dem Schlafzimmer vertreiben sollen.

Nein, als Verhör ist sein Fragenkatalog nicht gedacht, betont Ulrich Clement – er soll Paaren helfen, sich besser kennenzulernen. Der deutsche Paartherapeut und Psychologieprofessor hat einen ungewöhnlichen Beziehungsratgeber geschrieben: Im Buch findet man keine Lösungsvorschläge für sexuelle Probleme, sondern ausschließlich Fragen – die diese womöglich erst sichtbar machen. Schließlich müssen Denkanstöße à la "Was möchtest du in Bezug auf deine Sexualität gern ändern?" oder "Hat dein Partner bestimmte Vorlieben, die dir unangenehm sind?" nicht unbedingt zu beziehungsförderlichen Bekenntnissen führen.

Warum es dennoch sinnvoll sein kann, beim intimen Talk in die Tiefe zu gehen, erklärt Clement im KURIER-Gespräch.

Ein Ratgeber, der nur aus Fragen besteht, ist ungewöhnlich – warum haben Sie sich dafür entschieden?

Ulrich Clement: Ratgeber mit Antworten gibt es ja schon haufenweise – da braucht nicht noch einer dazukommen. Ich finde es interessant, weil es das Verhältnis umdreht: Der Leser wird selbst zum Autor und dadurch zur obersten Instanz seiner Sexualität. Die Fragen sind ja nicht mit "richtig" oder "falsch" zu beantworten, sondern immer nur subjektiv. Die Antworten müssen erst erfunden werden.

Welche Art von Paaren hatten Sie im Sinn, als Sie das Buch geschrieben haben?

Ich hatte zwei Typen vor Augen: gestandene Paare, die das Gefühl haben, sie könnten wieder einmal etwas Inspiration vertragen oder sich verständigen, wo sie gerade stehen. Und solche, die ein paar Monate zusammen sind und gerade dabei sind, sich kennenzulernen.

200 indiskrete Fragen für besseren Sex
Ulrich Clement, Think Love, honorarfrei

In der Einleitung schreiben Sie, dass man sich vorher überlegen soll, für wen man die Fragen beantwortet. Warum ist das wichtig?

Für jeden Adressaten hat die Antwort nicht nur eine individuelle Bedeutung, sondern auch eine höchstpersönliche Handlungskonsequenz. Ob ich meine Fantasie meinem Partner oder meinem Therapeuten erzähle, hat ganz unterschiedliche Folgen.

Mit welcher Frage tun sich die Leute erfahrungsgemäß am schwersten?

Besonders heikel sind jene Fragen, die vom Partner kritisch beäugt werden könnten. Es läuft ja parallel immer der Gedanke mit, was der andere darüber denken mag. Da fängt schon die Zensur an: Ich sage bestimmte Sachen nicht, weil ich fürchte, dass sie dem Partner nicht passen könnten.

Besteht nicht die Gefahr, dass das Beantworten der Fragen mehr anrichtet als Gutes tut – etwa, den Partner verletzt?

Natürlich, dieses Risiko besteht. Wie bei allen Medikamenten gibt es auch hier Nebenwirkungen. Es kann gut sein, dass bestimmte Fragen beantwortet werden, die nicht nur entspannend sind. Aber genau dann wird es ja interessant: Diese Zeit, in der man sagt, man spricht locker über Sexualität, ist in meinen Augen ausgereizt. Interessant wird es dann, wenn es ernster wird, wenn man näher an die andere Person herankommt. Dann kommt Tiefe in das Geschehen.

Kann es nicht sein, dass der Sex eine Ernsthaftigkeit bekommt, wenn man ihn zu sehr analysiert?

Wenn man ihn zu sehr analysiert, wird er tot. Wenn man gut und richtig über Sex spricht, kann man ihn auch beleben. Für viele ist das erotische Sprechen eine hochspannende Angelegenheit. Wenn man hingegen immer alte Vorwürfe wiederkäut oder den anderen beschuldigt, was er vernachlässigt oder falsch gemacht hat, redet man den Sex zu Tode. Das Reden selber besagt also noch nicht, ob es gut oder schlecht ist – wichtig ist, dass man interessante Fragen anspricht und nicht in alte Fahrwasser gerät.

Was, wenn ich im Zuge der Fragen draufkomme, dass ich den besten Sex mit einem Ex-Partner hatte?

Dann wird das keine Überraschung sein, denn das haben Sie ja schon vorher gewusst. Man kann eines machen: Wenn einem eine Frage zu heikel vorkommt, muss man sie ja nicht beantworten. Das Ganze ist ja nicht als Verhör gedacht, nach dem Motto: Raus mit der Sprache, gestehe! Sondern als eine Möglichkeit, sich mit einer Frage auseinanderzusetzen, die einem wichtig ist. Wenn ich das Gefühl habe, dass der Preis der Antwort zu hoch ist, blättere ich weiter zur nächsten Frage.

Das heißt, ich muss meinem Partner nicht alles erzählen?

Ich vertrete eine Moral der Güterabwägung. Ich mache keine Werbung für Verschweigen, aber man soll schon abwägen, ob es was bringt oder nicht. Man kann dem Partner auch eine Affäre um die Ohren hauen, die er besser nicht gewusst hätte. Und man kann etwas verschweigen, das man besser gesagt hätte.

200 indiskrete Fragen für besseren Sex
Ulrich Clement, Think Love, honorarfrei

Tinder, Gratis-Pornos, "Fifty Shades of Grey" – reden wir nicht schon genug über Sex?

Es kommt nicht darauf an, wie oft wir darüber reden, sondern in welcher Qualität. Bei der Sexualität ist es wichtig, dass ich mich ausdrücken kann und dass ich etwas sage, das für mich und meinen Partner von Bedeutung ist. Dann ist es gutes Reden mit Substanz, nicht bloß Geplapper.

Eines Ihrer früheren Bücher heißt „Guter Sex trotz Liebe“. Sind sexuelles Begehren und eine langjährige Beziehung ein Widerspruch?

Die Formel mit dem nachlassenden Begehren ist zu einfach. Die Frage ist, ob die Häufigkeit entscheidend ist, oder ob sich eine Qualität entwickelt, die am Anfang noch gar nicht da sein kann – eine Vertrautheit, eine Intimität, eine Nähe, die eben erst nach ein paar Jahren entstehen kann. Es gibt auch in der Sexualität positive Entwicklungen, nicht nur dieses ständig beklagte Nachlassen der sexuellen Lust vom Anfang.

Viele Paare sind glücklich, obwohl sie nur noch selten Sex haben.

Wie gesagt: Jeder ist die höchste Instanz seiner eigenen Sexualität. Wenn ein Paar gar keinen oder nur noch wenig Sex hat, bin ich der Letzte, der etwas zu kritisieren hat.

Was sollte passieren, wenn man alle Fragen beantwortet hat?

Ich gehe nicht davon aus, dass man alle Fragen durchmacht. Ich gehe davon aus, dass man darin blättert und überlegt, was interessiert mich, was zieht mich an. Jeder wird eine andere Frage interessanter finden: Für manche sind Fragen aus der Vergangenheit sehr wichtig, andere interessiert nur, was heute ist. Ob man Konsequenzen daraus zieht, eine andere Einstellung gewinnt, ist vom Einzelnen abhängig. Das macht die Sache ja so interessant: dass kein absehbares Ergebnis herauskommt.

Bei einer Frage geht es um weibliche und männliche Sexualität. Ist das nicht ein Klischee?

Ja und nein. Das Interessante an der Frage ist, dass ich das den Beantwortern überlasse – ich habe ja gar keine Idee, was weiblich und männlich sein soll, sondern ich frage, spielt das für dich eine Rolle. Es könnte sein, dass jemand sagt, die Begriffe haben sich für mich verloren, ich sehe keinen Unterschied mehr. Wenn die Frau sagt, ich hätte gerne, dass du dich männlicher verhältst, entsteht vielleicht ein interessantes Gespräch.

Die Fragen sind in Kapitel eingeteilt. Eines heißt "Mein sexuelles Profil". Wie wichtig ist es, dieses zu kennen?

Die Frage ist: Wem ist das wichtig? Es kann sein, dass jemand sagt, es ist mir egal, was ich für ein sexuelles Profil habe. Ich finde Sex gut, Ende der Durchsage. Und dann gibt es Leute, die sich fragen: Lebe ich das, was ich möchte? Oder mache ich vieles meinem Partner zuliebe, weil ich dachte, das müsse ich als Mann oder Frau? Für diejenigen kann das Fragebuch eine sehr ergiebige Sache sein.

Gerade von Frauen wird erwartet, dass sie Karriere machen, eine liebevolle Mutter sind und für ihren Partner eine tolle Liebhaberin. Stehen wir zu sehr unter Druck?

Gesellschaftliche Erwartungen gibt es, aber die gab es immer schon. Entscheidend ist, wie ich mit ihnen umgehe: Welchen Filter setze ich ein, wo lasse ich mich inspirieren und wo lähmen? Es kann sein, dass von mir erwartet wird, dass ich viel Sex habe, und trotzdem komme ich zu dem Ergebnis, dass es für mich nicht wichtig ist.

Was macht guten Sex aus?

Das entscheiden nur die beiden, die ihn betreiben. Für manche ist die gepflegte Orgie das A und O, andere wollten lieber kuscheln, und wenn dabei Geschlechtsverkehr herauskommt, ist es auch in Ordnung. Das Paar entscheidet, was zu seiner Paarkultur passt – wichtig ist, dass man gemeinsam eine erotische Kultur entwickelt.

Selbstwert Machen Sie Ihr Selbstbewusstsein nicht von Ihrem Partner abhängig. Konzentrieren Sie sich auf sich selbst und seien Sie so, wie Sie es von Ihrem Partner erwarten würden. Die Frage "Wie war ich?" ist nur ein Zeichen dafür, dass Sie von der Bestätigung des anderen abhängig sind.

Öffnen "Man kann einen Menschen nur lieben, wenn man ihn richtig kennt", sagt US-Paartherapeut David Schnarch. Zeigen Sie also mehr als nur Ihren Körper. Intimität entsteht nicht nur über körperliche Nähe, sondern auch durch Empathie, gegenseitiges Vertrauen und Gespräche über bewältigte Konflikte.

Fremd werden Lernen Sie, Ihren Partner neu zu sehen, anstatt sich nur auf Gemeinsamkeiten zu konzentrieren. Ulrich Clement schlägt ein Spiel vor: Jeder notiert seine sexuellen Wünsche sowie die (vermuteten) Wünsche des anderen. Dann wird verglichen – und gestaunt.

Luft lassen Auch die Paartherapeutin Esther Perel vertritt die These, dass weniger Nähe zu mehr Prickeln verhelfen kann. Verbringen Sie Abende alleine oder mit Freunden, fragen Sie den Partner nicht nach jedem Detail seines Alltags – lassen Sie einander Luft.

Egoistisch sein Nach Jahren des Zusammenlebens neigt man dazu, die Sexualität nach den vermeintlichen Bedürfnissen des Partners auszurichten. Scheuen Sie sich nicht, Ihre eigenen Wünsche klar auszudrücken. Sie müssen nicht immer zu 100 Prozent dasselbe wollen.

Kommentare