Beziehungscoaching: Damit die Liebe nicht verlorgen geht

Frisch verheiratet - da ist die Welt meist noch voll Sonnenschein. Damit aus Wolken in der Beziehung nicht bald Sturm und Gewitter werden, sollte man einige Tipps beachten.
Das Paaradox-Duo Hufnagl und Kuhn waren auf "Paarwellness" beim Beziehungscoach - und fand die Liebesformel. Zumindest fast.

Und – wie geht’s euch so? Gut geht’s uns, sagt die Frau, sagt der Mann. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann lieben sie noch heute. Aber oft nur im Märchen.

Ein glückliches Paar zu sein, vor allem aber zu bleiben, ist ein komplexes Projekt, das an den banalsten Dingen scheitern kann. Etwa an der Frage, wer erst mit dem Hund geht und später das Klopapier kauft. Da geht rasch einmal das Wesentliche verloren – der Blick aufeinander, das Gefühl füreinander, die Lust am Miteinander. Was tun?

Ein Experiment. Der Mann nebenan und ich sitzen in der Praxis der Beziehungscoaches Agnes Goldmann und Peter Gigler und warten, was passiert. Ihr Konzept von "Beziehungswellness" hat jedenfalls neugierig gemacht und erinnert vage an einen Werbespot von Joki Kirschner aus dem Jahre Schnee: "Geld macht glücklich, wenn man rechtzeitig drauf schaut, dass man’s hat, wenn man’s braucht." Man ersetze das Wort Geld durch den Begriff "Zufriedenheit" und schon passt’s.

Zeit miteinander

Wer Goldmann & Gigler in Sachen "Liebeswellness" konsultiert, verträgt sich im Grunde gut. Von Krise keine Spur. Hier geht es um Prävention und darum, einen bewussten Blick auf die Beziehung zu werfen. Das Coaching-Duo umreißt die Idee: "Im Beziehungswellness-Seminar verbringen Paare qualitativ hochwertige Zeit abseits des Alltags miteinander. Sie bekommen Impulse und neue Sichtweisen, wohltuende Stärkung und nützliches Handwerkszeug. Und sie erfahren, wie heilsam es sein kann, einander einfach nur zuzuhören oder zu erkennen, was sich hinter einem Konflikt verbirgt."

Beziehungscoaching: Damit die Liebe nicht verlorgen geht
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Eine Herausforderung, wie sich bald zeigen wird. Wir legen mit der "Beziehungs-Dyade" los. Bevor wir in der hellen Altbauwohnung in Perchtoldsdorf alleine weiterwurschteln, klären Goldmann und Gigler auf: "Das ist ein strukturiertes Zwiegespräch, bei dem es ums Zuhören geht. Einer fragt, der andere antwortet – und zwar ohne Hirnzensur, mit maximalem Baucheinsatz. Der, der fragt, darf nichts anderes tun außer zuhören und – am Ende der Antwort – Danke sagen. Das Ganze bitte zwei Mal wiederholen – am besten sogar drei Mal."

Irgendwie gut, dass die Fragen vorgegeben sind – etwa: "Sag mir eine Situation, die du in unserer Beziehung als stärkend erlebt hast." Oder: "Sag mir, was du an unserer Beziehung magst." Spannend, aber vielleicht nur zwei Mal.Wie es die Tradition so will, fange ich an, der Mann nebenan – mein Mann – antwortet. Mir fällt das Zuhören erstaunlich leicht, ihm ebenso. Noch erstaunlicher. Sinn und Zweck der Übung sind offensichtlich: der fokussierte Blick auf das Gute und Schöne in der Beziehung, in einem Raum nur für uns zwei. Das Zuhören, das Annehmen, die Wertschätzung als inspirierender Input für den Alltag daheim. Was uns beiden allerdings verdammt schwerfällt: das "Danke" danach. Vielleicht, weil man es sonst so selten tut oder das Wort "aber" viel beliebter ist.

Doch ja, wieder etwas gelernt. Nicht nur, sich zu bedanken oder eben ein Danke anzunehmen, sondern wie viel Raum für Wertschätzung und Wachstum eine Beziehung eigentlich brauchen würde. Weil gegenseitige Vorwürfe, zermürbender Alltagssprech ("Warum hast du nicht?", "Warum tust du nicht?", "Immer ich!") und aneinander vorbeireden – eben nicht der Stoff ist, der die Liebe nährt.

Wertfreier Raum

Beim Paar-Wellness-Coaching haben beide Partner die Gelegenheit, im Rahmen eines "wertfreien" Raums zu sagen, was ist, ohne dass der andere gleich kreischend davonrennt. Sanft wird dem Paar ermöglicht, Dinge anzusprechen, die daheim garantiert in eine nervenzerfetzende Diskussion münden würden und deshalb oft erst gar nicht angesprochen werden.

Gigler nennt den häufigsten aller Trennungsgründe: "Ich denke, dass er unter dem Überbegriff Entfremdung gut zusammengefasst werden kann. Wenn die Wertschätzung verloren geht, das Zuhören nicht mehr stattfindet, dann verliert man den Kontakt zu einem Menschen, mit dem man sogar Kinder bekommen hat." Das macht nachdenklich.

Umso feiner, dass das Coaching-Duo noch ein paar andere Werkzeuge für den Beziehungsalltag im Köcher hat. Etwa das "Willkommen"-Ritual, das der Mann nebenan und ich gleich einmal ausprobieren. Eine Hand liegt auf der Stirn, die andere im Nacken. Wir sollen an etwas denken, das nervt. Kein Problem: Die Steuererklärung. Der Onkel. Der blöde Hund des Onkels. Statt all das zu verteufeln, geht es nun darum, Ja zu sagen. Zu den Herausforderungen, zur uns innewohnenden Kraft, zu einem anderen Menschen. Goldmann erläutert: "Es geht nicht um die rosa Brille, aber darum, anzunehmen, was ist. Um so eine positive Grundstimmung zu erzeugen – raus aus der ‚Immer-ich-Opferhaltung‘ und dem Mangelzustand, hin zu mehr Kraft und Energie." Unser Fazit: Interessant, fällt allerdings nicht leicht und müsste vermutlich oft geübt werden.

Nach zwei Stunden Tipps, Tricks, manch nachdenklichem, aber auch erhellendem Moment, wird offensichtlicher denn je: Beziehung ist keine Kinderjause. Aber zumindest uns hilft eine Liebesformel, die der Psychologe Yvon Dallaire einmal so formuliert hat: "Glückliche Paare gehen mit Meinungsverschiedenheiten durchs Leben. Sie haben aber beschlossen, lieber glücklich zu sein, als recht zu haben."

  1. Bewusstes Miteinander Und täglich grüßt das Murmeltier – so oder ähnlich lässt sich zusammenfassen, was die Liebe häufig kaputt macht: der Alltag. Hier liegt es laut den Beziehungscoaches Agnes Goldmann und Peter Gigler in der Eigenverantwortung beider Partner, gut auf sich zu schauen: Wie gehe ich mit mir um, wie gehen wir mit uns um, was brauchen wir, damit der Alltag nicht alles überlagert? Achtsamkeit ist gefragt – ein bewusster Akt, sich eingefahrenen Ritualen (wie etwa Handy-schauen, Fernsehen, etc.) zu entziehen. Gegenseitige Wertschätzung ist hier das Um und Auf. Goldmann: „Sie hat etwas sehr Heilsames und Verbindendes.“
  2. Erfahrungen teilen Guy Bodemann, Psychologe an der Uni Zürich, forscht an Stress und Bewältigungsstrategien von Paaren und hat ein eigenes Präventionsprogramm namens Paarlife entwickelt –im Buch „Liebe“ (Dumont) schrieb er: „Alltagsstress ist der geheime Feind der Liebe“. Eine Rezeptur dagegen: Paare, die sich Stresserfahrungen in ihrem Alltagsleben gegenseitig offenbaren, einander zuhören, sich bemühen, die Erfahrungen des anderen zu verstehen und dem anderen bei der Bewältigung helfen, sind glücklicher.
  3. Jemand anderem erlauben, anders zu sein Ebenfalls im Buch „Liebe“ verrät der Psychoanalytiker Paul Verhaeghe seine Formel für Beziehungsglück: „Die treffendsten Worte für die reife Liebe habe ich von jemandem am Ende seiner Psychoanalyse gehört: ,Man muss jemanden sehr lieben, damit man ihn in Ruhe lassen kann.‘ Ihn oder sie in Ruhe lassen, nicht sofort das Begehren lähmen, indem man das innere Bedürfnis des anderen mit eigenen Inhalten füllt. Das heißt, man erlaubt jemandem wirklich anders zu sein – und ermöglicht damit eine Beziehung, die auf Verschiedenheit beruht.“
  4. Die Kraft der Zuwendung John Gottman gilt als einer der Pioniere der Paarforschung. Für ihn ist Zuwendung eine der wichtigsten Zutaten für eine gelungende Beziehung. Darunter versteht er jede positive Reaktion auf das Gegenüber – etwa: Der Mann lächelt, die Frau lächelt zurück. Sie spricht über eine Erfahrung, er geht empathisch darauf ein und versucht sie zu verstehen. Gottmans Fazit: „Zuwendung verbindet, weil man sich mit ihrer Hilfe als Mensch mit seinen Bedürfnissen und Gefühlen angenommen fühlt.“ Die Beziehungscoaches Goldmann und Gigler betonen, wie wichtig es ist, dass Partner empathisch auf das Anliegen des jeweils anderen eingehen – ein Trick dafür ist das Duplizieren. Dabei versucht man das Gesagte des anderen nicht zu widerlegen („Reg dich nicht auf“), sondern wiederholt mitfühlend, was der andere mitzuteilen versuchte („Ich habe verstanden, dass du heute einen schlechten Tag hattest“). Das reiche oft, um den Partner zu entlasten.
  5. Über den Tellerrand blicken „Du bist mein ein und alles“: Am besten, Sie vergessen diesen Satz gleich wieder. Er ist – wie jede andere Form von „Totalanspruch“ – ein echter Liebeskiller. Der deutsche Buchautor Hans Jellouschek schreibt dazu in seinem Buch „Die Kunst als Paar zu leben“: „Wir müssen uns deutlich machen, dass es keinen einzelnen Partner gibt, der unser gesamtes Bedürfnis nach Wärme, Geborgenheit und Zuwendung erfüllen kann.“ Eine Paarbeziehung könne daher niemals die einzige Quelle für Zuwendung sein – Jellouschek zufolge bräuchten Partner andere Quellen, aus denen sie zusätzliche Kraft schöpfen können.

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