Opernball 1956: Zwei Debütanten erzählen

Anneliese Figl erinnert sich an ihren ersten Opernball
Vor 60 Jahren eröffneten Anneliese Figl und Sven Boltenstern den ersten Opernball. Erinnerungen an ein "großes Fest".

Fotos, Programmheft, Krönchen. Anneliese Figl hat ihre Opernball-Schätze auf dem Holztisch im Esszimmer ausgebreitet, als wir sie in ihrer Wohnung in Wien-Döbling besuchen. "Ich habe alles aufgehoben", lächelt die elegante 79-Jährige mit dem sorgfältig aufgetragenen Make-up. Die Tochter von Leopold Figl ist Pressetermine gewöhnt – gerade im Gedenkjahr 2015 sprach sie immer wieder über ihren Vater, den legendären Kanzler und Außenminister. Heute soll es um ein anderes Thema gehen.

Opernball 1956: Zwei Debütanten erzählen
Anneliese Figl, Opernball 1956

Denn Annelies Figl, wie sie im offiziellen Programmheft von 1956 genannt wurde, war eine von 400 Debütanten beim ersten Opernball nach dem Zweiten Weltkrieg. "Ball-Eröffnungen waren damals ein Fixpunkt in unserem Leben", erinnert sie sich. "Es gab eine Gruppe von jungen Männern und Frauen, die abwechselnd alle Bälle eröffnet haben, meist mit verschiedenen Partnern." Zu dieser Gruppe zählten die Söhne und Töchter der besten Wiener Familien, wie ein Blick auf die Liste des "Jungdamen- und Jungherren-Komitees" zeigt: Hörbiger, Kinsky, Habsburg, Thun-Hohenstein. Und natürlich Figl: Als Tochter des Außenministers durfte Anneliese in der zweiten Reihe einziehen, ihr Bruder Johannes in der ersten. Vater Leopold beobachtete seine Kinder von der Loge aus. "Bälle waren ihm kein besonderes Anliegen, aber die Veranstalter waren immer froh, wenn er gekommen ist. An diesem Tag war er besonders stolz."

Opernball 1956: Zwei Debütanten erzählen
Anneliese Figl, Opernball 1956

Endlich wieder feiern

Auch Sven Boltenstern gehörte zur Gruppe der Wiener "Ball- Eröffner". Zur Staatsoper hatte der bekannte Goldschmied und Juwelier eine besondere Beziehung: Sein Vater, der Architekt Erich Boltenstern, war maßgeblich am Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Oper beteiligt, hatte sogar sieben Jahre lang sein Baubüro im Gebäude am Ring. "Der erste Opernball war ein großes Fest", erzählt Sven Boltenstern in seinem kleinen Atelier in Wien-Hietzing. Das Unternehmen hat er vor Kurzem an seine Tochter Marie (26) übergeben, er selbst fungiert nun als "Berater und Motivator" im Hintergrund.

Opernball 1956: Zwei Debütanten erzählen
Interview mit Sven Boltenstern und seiner Tochter Marie am 26.01.2016 in ihrer Werkstatt in Wien-Hietzing. Schmuckdesignerin Marie Boltenstern hat für den Opernball 2016 die traditionelle Debütantinnen-Tiara aus dem Hause Swarovski gestaltet.

Vom ersten Opernball hat der 83-Jährige seiner Tochter immer wieder berichtet. "Es war ein besonderer Ball für mich. Viele Freunde von mir haben eröffnet, und auch mein Bruder Erich, der kurz davor aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt war. Alle waren froh, dass der Krieg vorbei war. Endlich konnte man wieder feiern." Keine Selbstverständlichkeit: "Ich erinnere mich daran, wie ich kurz nach dem Krieg zwischen Hotel Sacher und der Oper gestanden bin. Der Zuschauerraum war ein Gewirr aus Stahltraversen. Über mir war der blaue Himmel, unter mir ein 50 Meter tiefes Loch."

Eine teure Angelegenheit war der Opernball schon in den Fünfzigerjahren: 100 Schilling kostete die Eintrittskarte für das Komitee, "normale" Gäste mussten das Dreifache zahlen. "Geld war Mangelware, gerade für uns Junge", sagt Boltenstern. "Meine Tanzpartnerin habe ich nach der Eröffnung trotzdem auf ein Paar Würstel eingeladen." Eine Anekdote erzählt der passionierte Tänzer besonders gerne: "Die Bühne im Tanzsaal war damals noch mit Stoff überzogen. Der Wechsel vom Zuschauerraum mit Parkett in den Bühnenbereich beim Linkswalzer war gar nicht so einfach. Aber es ist alles gut gegangen. Wir haben ja mehrmals geprobt."

Opernball 1956: Zwei Debütanten erzählen
KURIER 10.02.1956, Opernball, Titelseite, Cover

Für Anneliese Figl war der 9. Februar 1956 doppelt aufregend. "Einen Tag vor dem Ball wurde die Rolltreppe in der Opernpassage geöffnet. Die erste überhaupt in Wien! Das war natürlich ein Hit für uns. Nach dem Ball sind wir die hinunterfahrende Treppe hinaufgelaufen, was sich natürlich auf das weiße Ballkleid ausgewirkt hat. Meine Schneiderin war entsetzt: ‚Was haben Sie denn mit Ihrem Kleid gemacht? Der Saum ist ja grau!‘"

Die damals 19-jährige Welthandelsstudentin, die bis zu ihrer Pension in einer Bank arbeitete, tanzte bis in den Morgen. "Man ging damals nicht mit einem fixen Partner auf den Ball, sondern wurde von verschiedenen Männern zum Tanz aufgefordert. Ich war ganz enttäuscht, dass die Musiker um punkt fünf Uhr ihre Koffer packten – bis mir jemand erklärte, dass das ja ihre Arbeitszeit ist und sie heilfroh sind, wenn sie endlich ins Bett kommen."

Blumen statt Palmen

Für die Gestaltung der Räume hatte Ballmutter Christl Schönfeldt ebenfalls Erich Boltenstern beauftragt. Er dekorierte den Ballsaal in Rot, Creme-Weiß und Gold, die Feststiege zierten geliehene Palmen und Pflanzen aus den Bundesgärten. "Einen aufwendigen Blumenschmuck gab es damals noch nicht", erinnert sich Anneliese Figl. Lange, bevor man einander via Handy jederzeit kontaktieren konnte, dienten die auffallenden Pflanzen als beliebter Treffpunkt. "Ich hatte mit meinen Freundinnen ausgemacht, dass wir uns um zwei Uhr bei der rechten großen Palme treffen. Das war sehr klug von uns – einige bekannte Damen klagten in den Tagen danach, dass sie ihre Freunde nirgends getroffen hatten."

Opernball 1956: Zwei Debütanten erzählen
Anneliese Figl, Opernball 1956

Den heurigen Ball wird Figl wie immer im Fernsehen mitverfolgen. "Ich schau ihn mir jedes Jahr mit Interesse an, ohne in irgendeiner Weise zu kommentieren. Ich denke nie ‚Um Gottes Willen‘ oder ‚Warum ist das so‘. Es ist, wie es ist." Sven Boltenstern ist heuer wieder live dabei – als "Debütant der ersten Stunde" und als stolzer Vater: Seine Tochter Marie hat die Krönchen für die Debütantinnen entworfen. "Der Frack wird gerade hergerichtet, Marie macht mir neue Knöpfe. Ich freue mich schon sehr auf den Ball." Linkswalzer wird er aber nicht mehr tanzen. "Da wird mir schwindlig."

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