Nikolo & Christkind: Sollen Eltern die Wahrheit sagen?

Nikolo & Christkind: Sollen Eltern die Wahrheit sagen?
Kinder lieben Festtage. Was können Eltern tun, um ihnen die schönen Illusionen zu bewahren?

Sobald der alte Mann mit weißem Bart, Bischofsmütze und goldenem Stab einen Raum betritt, schweigen die Kinder ehrfürchtig. Sie warten, was der Nikolo aus seinem goldenen Buch vorliest, in dem ihre guten und weniger guten Taten aufgelistet sind.

So wird traditionell des heiligen Nikolaus gedacht. Der Bischof aus Myra in der heutigen Türkei soll sich der Legende nach um Arme und Kinder gekümmert und ihnen nachts Geschenke gebracht haben. Auch in den Wiener Pfarrkindergärten der St. Nikolausstiftung wird der Namenspatron heute auf eine besondere Art gefeiert, erzählt die pädagogische Leiterin Susanna Haas: "Wir überlegen gemeinsam mit den Kindern, wie wir für andere da sein können."

Nikolo & Christkind: Sollen Eltern die Wahrheit sagen?
BILD zu OTS - Die St. Nikolausstiftung möchte mit der Broschüre vor allem eines: Bekräftigen, wie wichtig das Nikolausfest ist, aber auch informieren und gleichzeitig zeigen, wie ein Feiern im Sinne der Kinder und nach gängigen pädagogischen Standards gelingen kann.
Der Krampus kommt nicht mehr mit. "Das oberste Prinzip ist: Der Nikolaus darf keine Angst machen. Das bedeutet, dass die Verhaltensweisen der Kinder nicht moralisch beurteilt werden und dass eine den Kindern bekannte Person – oder ein Kind selbst – den Nikolaus spielt", erklärt Haas. Auch wenn die Kinder so die Verwandlung miterleben, bedeutet das nicht die Entzauberung des Moments: "Dafür ist die magische Phase verantwortlich, in der sich die Kindergartenkinder befinden. Sobald der Nikolaus verkleidet ist, ist es der Nikolaus", sagt Haas. Wenn ein Kind nach der Wahrheit fragt, solle aber die richtige Antwort gegeben und das Kind nicht angelogen werden.

Das entspricht der Lebenswelt der Kinder, bestätigt Entwicklungspsychologin Brigitte Rollett von der Uni Wien. "Mit etwa vier Jahren beginnen Kinder, Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden." Zu diesem Zeitpunkt sei es sinnvoll, das magische Element mit der Realität zu verbinden, empfahl sie Generationen von Eltern. "Weil das Christkind nicht überall gleichzeitig sein kann, freut es sich, dass es Hilfe von Müttern und Vätern bekommt." Sobald ein Kind feststellt, dass das Christkind gar nicht kommt, ist das ein Entwicklungsschritt, den die Eltern bestärken können. "Auch wenn Märchen und Geschichten nicht wahr sind, haben sie uns doch Freude gemacht." Schwierig ist es, "wenn die Geschichte als die einzige Wahrheit verkauft wird. Dann kann die Enttäuschung groß sein."

Alles richtig zu machen sei unmöglich, erinnert sich die vierfache Mutter und Oma: Ihrem ersten Sohn erzählte sie mit etwa vier Jahren ganz offen, dass es Christkind und Osterhase nicht gibt. Und verursachte große Verzweiflung: "Er hat gedacht, zu allen anderen Kindern kommen die, nur zu ihm nicht."

Fest für Eltern und Kind

Rollett weiß, dass selbst Erwachsene diese Geschichten brauchen. "Eltern feiern auch für sich selbst. Sie wollen in einer Welt leben, in der man aufs Christkind wartet. Ihre Festtagsfreude ist getrübt, wenn Kinder nicht mit glänzenden Augen eine Wunschliste schreiben."

Das Magische an der Adventzeit habe einen gar nicht materiellen Ursprung, betont Geschichtenerzähler Folke Tegetthoff: "Kinder und Erwachsene verspüren eine Ursehnsucht nach Nähe. So wie vor 150 Jahren, als die Bauern in der Stube saßen und ihren Kindern Weihnachtsgeschichten erzählten. Man kuschelte sich vor das Feuer und es duftete nach Reisig." Der vierfache Vater machte für seine Kinder das Christkind in Geschichten lebendig:"Ich habe ihnen gesagt: Wenn du es dir vorstellen kannst, dann ist es da. Das ist Glaube."

Gemeinsam Geschichten zu erfinden, helfe Kindern bei der Erkenntnis, dass nicht jedes Märchen für bare Münze genommen werden muss, betont Rollett und verweist auf die Mutter Goethes: "Sie hat ihrem Sohn etwas erzählt und ihn gefragt: ,Wie – glaubst du – ist es weitergegangen?’ Dann hat er sich etwas ausgedacht und die Mutter hat gesagt: ,Genau so war es!‘"

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Nikolo

Nikolaus aus Myra, der am 6. Dezember 343 starb, ist seit dem Mittelalter populär. Seit damals ist es üblich, zu seinen Ehren Arme und Kindern zu beschenken.

Christkind

Martin Luther schaffte für Protestanten die Bescherung zu Ehren des Nikolo ab. Dafür sollte das Christuskind – Jesus – zu Weihnachten Geschenke bringen.

Weihnachtsmann

Ab dem 19. Jahrhundert wurde das Christkind vermehrt in katholischen Familien gesichtet, während in protestantischen Regionen der Weihnachtsmann modern wurde – 1835 wurde „Morgen kommt der Weihnachts- mann“ komponiert. In den USA verschmolzen dann viele Figuren wie der niederländische Sinterklaas und der britische Father Christmas zu Santa Claus. Er ist keine Erfindung eines Getränkeherstellers.

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