Wie es nach einem Seitensprung weitergeht
25 Prozent aller Frauen und 40 Prozent aller Männer sind schon einmal untreu gewesen. Trotzdem gilt die Paarbildung als Ideal – ein Dilemma. Robert, 47-jähriger Softwareentwickler, kennt es aus eigener Erfahrung. Vor Kurzem flog seine Kurzzeit-Affäre mit einer Arbeitskollegin auf. Erst der Schock, dann die 08/15-Erklärung für seine Frau: "Es ist nicht so, wie du denkst." Bedeutet habe ihm die Kurzzeit-Geliebte nichts. Seine Motive rechtfertigt er so: "Ich wollte ausbrechen, mich frei fühlen, Fantasien leben."
Vergessen, verzeihen?
Bei seiner Frau Christa (42) plädierte er daher für "Freispruch". Die tut sich damit verdammt schwer: "Ein Teil in mir möchte, dass alles so wird wie vor dieser Geschichte. Dieser Teil möchte vergessen, verzeihen. Doch da ist dieser innere Film, den ich nicht stoppen kann." In dem sieht sie ihren Partner, wie er mit der "anderen" Sex hat. Dann fühlt sie sich klein und verletzt. Der Film beginnt immer wieder von vorne. Doch weil sie ihren Mann liebt, und sie in vielen Bereichen auf ihn zählen kann, will sie bleiben. Robert und Christa gehen in eine Paartherapie und hoffen, dass alles gut wird.
Alles anders bei Heinz. Der 48-Jährige machte Tabula rasa, als ihm der eigens engagierte Privatdetektiv die Beweise für den Seitensprung seiner Frau zukommen ließ. Ohne zu zögern, tauschte er das Schloss zur ehelichen Wohnung und reichte die Scheidung ein. "Für mich war klar: Das ist der Todesstoß. Die Beziehung lag sowieso schon im Sterben."
Die Psychologie der Untreue erklärt
Wie es nach dem Auffliegen eines Seitensprungs weitergeht, ist unterschiedlich – abhängig von den Umständen und Protagonisten. Im neuen Buch "Die Psychologie der Untreue" (Klett Cotta) wird erklärt, wie es überhaupt dazu kommt – und was danach passiert. Es basiert auf der Arbeit der US-amerikanischen Psychologin und Familientherapeutin Shirley P. Glass, die von der New York Times als "Godmother of Infidelity Research" gefeiert wurde. Sie starb vor zwölf Jahren an ihrer Krebserkrankung – ihr "Nachlass" aus Praxis und Studien wurde nun von der Autorin Jean Coppock Staeheli zusammengefasst. Zwei gute Nachrichten: Erstens, Sie sind nicht alleine. "Trotz gesellschaftlicher Regeln, Moralvorschriften und unserer Fähigkeit, emotionale und soziale Folgen unseres Handelns vorauszusehen, existiert keine Kultur, in der Ehebruch unbekannt ist", tröstet der Sexualtherapeut David Schnarch – u. a. Autor des Buchs "Intimität und Verlangen". Zweitens: Es ist möglich, eine durch sexuelle Untreue erschütterte Partnerschaft zu reparieren und über das Trauma des Betrugs hinwegzukommen. Die schlechte Nachricht: Ein Spaziergang ist das keiner.
Traumatisches Erlebnis
Wie konnte das nur passieren?
Dann wäre freilich noch die Bedeutungsfrage zu klären: "Wie konnte das alles nur passieren, welche Umstände waren beteiligt?" Es gilt herauszufinden, welche ehelichen Faktoren den Boden für die Affäre bereitet haben könnten. Fragen über Fragen – ohne die es nicht geht und die am Ende über "Bleiben oder gehen?" entscheiden: Wie könnte eine gemeinsame Zukunft denn "danach" aussehen? Würde mir der Partner fehlen, wäre er nicht mehr da? Ist da noch etwas? Fühlt man noch etwas? Glass sieht das – und mehr – als "gemeinsamen Heilungsprozess", der in Stufen verläuft. Der ist harte Arbeit – gepflastert von Rückschlägen und schwierigen Erlebnissen. Und braucht aus ihrer Sicht mindestens ein oder zwei Jahre.
Warum der untreue Partner nicht die Rolle des "Heilers" einnehmen sollte und was ein Seitensprung über eine Beziehung aussagen kann, erzählt eine Sexualtherapeutin morgen auf kurier.at
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