Eifersucht - Strategien für ein fatales Gefühl

Hat er, hat er nicht? Eifersucht ist oft trügerisch.
Misstrauen, Neid, Eifersucht sind emotionale Ver(w)irrungen, sagt ein deutscher Psychologe. Die befristete 5-Jahres-Ehe wäre ein Ausweg von vielen.

Der harmlos-flüchtige Kuss einer Bekannten auf die Wange eines Mannes – von Dritten per Smartphone festgehalten und in den sozialen Medien gepostet. Anderntags: Aus. Vorbei. Die Freundin des Geküssten hatte wütend die Beziehung beendet.

Es heißt, Eifersucht mache blind. Blind für das, was wirklich ist. Dann wird Partnern nachspioniert und werden deren Handys und Accounts gecheckt. Im Extremfall ist Eifersucht ein Gefühl, das Katastrophen auslösen und Menschen rasend machen kann. In solchen Fällen liest man Schlagzeilen wie diese: "Mann erschossen: Eifersucht als Motiv." Für Wolfgang Hantel-Quitmann, Professor für Klinische Psychologie und Familienpsychologie an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, ist Eifersucht vor allem ein Denkfehler und Irrtum als Folge einer Verwirrung des menschlichen Verstandes. Im KURIER-Interview analysiert er die Mechanismen dieses Gefühls und warum es für jemanden wie Othello besser gewesen wäre, mit Desdemona über seine Emotionen zu reden.

Eifersucht - Strategien für ein fatales Gefühl
Othello-Falle, Wolfgang Hantel-Quittmann
KURIER: Ihr Buch heißt "Die Othello-Falle. Du sollst nicht alles glauben, was du denkst". Was heißt das nun ganz konkret in Bezug auf das Gefühl der Eifersucht?

Hantel-Quitmann: Othello ist der Prototyp des eifersüchtigen Ehemannes. Als ihm durch den Intriganten Jago zugetragen wird, dass seine schöne Desdemona eine Liebesbeziehung mit dem Leutnant Cassio habe, rast er vor Eifersucht, beschimpft sie als Hure, obwohl sie ihre Unschuld beteuert und bringt sie schließlich um. Als er erkennt, dass seine Eifersucht unbegründet war, tötet er auch sich selbst. Das ist die offizielle Version der Geschichte. Offen bleibt die Frage, warum er nicht mit seiner Desdemona gesprochen hat, warum er nicht ihr, sondern dem Intriganten Jago geglaubt hat? Othello ist in eine Falle geraten: Er hat geglaubt, was er hörte, weil es zu seinem eigenen Denken über sich selbst, seine Frau und seine Ehe passte. Sein schwaches Selbstbewusstsein sagte ihm, dass er als Aufsteiger eine so schöne Frau aus gutem Hause gar nicht verdient habe und sie ihn sowieso betrügen und verlassen würde. Er war weniger ein Opfer einer Intrige als ein Opfer seines eigenen Denkens.

Was ist der psychische Nährboden von Eifersucht?

Eifersucht ist die Angst, etwas zu verlieren, was man meint zu besitzen. Diese Verlustangst kann viele Gründe haben: ein schwaches Selbstwertgefühl, den eigenen Wunsch, untreu zu werden, eine große, ängstliche Fantasie oder gar eine psychische Erkrankung. Jeder Mensch kennt Eifersucht als Angst, einen wunderbaren Menschen zu verlieren, und wer dies leugnet, täuscht sich. Zweitens gibt es die argwöhnische Eifersucht, die sowohl durch einen untreuen Partner als auch durch eigenes Misstrauen begründet sein kann. Dabei ist es auch möglich, dass die Eifersucht einen Hinweis auf eigene Wünsche enthält, untreu zu werden, psychologisch also eine Projektion. Und drittens gibt es die reaktive Eifersucht, die sich nach vollzogener Untreue einstellt. Eine Variante ist eher pathologisch, weil hier die Eifersucht nur in eigenen Gedanken und Fantasien besteht und keiner Realitätsprüfung standhält.

Ist es möglich, das Thema "Eifersucht" im Rahmen einer Beziehung so zu nützen, dass sich diese zum Positiven verändern kann?

Im Gefühl der Eifersucht steckt ja der Vorwurf an den Partner, untreu zu sein oder es werden zu wollen. Das ist die negative Seite. Positiv könnte man dem Partner aber auch sagen, dass die Angst, ihn oder sie zu verlieren so stark ist, weil die Liebe so groß ist. Heute ist es aufgrund der unendlichen Wahlmöglichkeiten besonders schwierig, den richtigen Partner zu finden, und wenn man meint, ihn gefunden zu haben, entsteht zugleich eine fürchterliche Angst, ihn wieder zu verlieren. Manche Menschen wollen lieber weiter suchen, als wirklich finden.

Manchmal liest man ja, dass Eifersüchtige den Fehler primär bei sich suchen sollten. Richtig?

Nein, erst einmal sollte man das gemeinsame intime Gespräch in der Partnerschaft führen, Partnerwahl ist kein Schicksal, dem man sich fatalistisch ergeben sollte. Es ist aber sinnvoll, den Gedanken zunächst einmal dort zu untersuchen, wo er entstanden ist.

Wie viel Selbstmitleid steckt in der Eifersucht?

Viel – und manchmal Neid.

Ist die Vorstellung der ewigen Treue absurd – und Monogamie ein realistisches Modell?

Diese Frage mag die Eifersucht überhaupt nicht, für sie gilt die Beziehung unabhängig von Raum und Zeit. Sie will besitzen, behalten, keine Angst haben müssen und eine Bindung auf ewig. Wenn die dazugehörigen Menschen anders entscheiden, meldet sie sich vehement zu Wort und macht ihnen das Leben schwer, garantiert.

Interessant ist die Idee einer befristeten Fünf-Jahres-Ehe.

Eifersucht - Strategien für ein fatales Gefühl
Divorce. Torn photograph of wedding cake topper.Some similar pictures from my portfolio: Bildnachweis:malerapaso Stock-Fotografie-ID:184622897 Hochgeladen am:11. Oktober 2013
Der Vorschlag stammt ja von Goethe. Bei einer Begrenzung auf fünf Jahre, ähnlich eines Arbeits- oder Mietvertrags, müsste man sich nicht dem Stress aussetzen zu beweisen, dass es die ewige, wahre, einzige und große Liebe des Lebens ist. Man könnte lockerer an die Paarbeziehung herangehen. Aber im Kern steckt darin eine Paradoxie: Wahrscheinlich würden sich bei einer Begrenzung viele Menschen freundlicher und zugewandter zeigen und damit versuchen, die Beziehung über die Laufzeit hinaus zu verlängern. Manche Menschen meinen, mit einer Heirat eine Art Abonnement auf die Beziehung zu haben und benehmen sich auch so. Wahrscheinlich würden deutsche Paare spätestens nach der Hälfte der Laufzeit mit Verhandlungen über die Konditionen einer Vertragsverlängerung beginnen und es würde eine neue Berufsgruppe entstehen, die daraus ein Geschäft machen würde. Aber wenn das Paar Kinder hat, wäre ich dafür, die Laufzeit bis zum 10. Lebensjahr des Kindes zu verlängern und den Kindern ein Vetorecht bei Trennungen einzuräumen.

Sie sagen, es sei für Eifersüchtige wichtig, eigene Glaubensmuster zu verändern. Wie geht das – und braucht man dafür Hilfe, etwa in Form einer Therapie?

Ich habe in meinem Buch einige Lösungswege beschrieben, wie man aus der Othello-Falle herauskommen kann. Alte Lösungen sollten geprüft und traumhafte Lösungen entwickelt werden. Auf diesem Weg müssen Ängste überwunden werden und es sollte Mut zur Wahrhaftigkeit entstehen. Wer diesen Mut nicht aufbringt, bleibt in der Falle stecken. Auf diesem Wege sind ein fehlerfreundliches Lernen und eine optimistische Grundhaltung hilfreich. Das große Ziel bleibt die persönliche Veränderung. Denn selbst, wenn ich recht habe mit meiner Eifersucht, bleibt die Frage, warum ich mir diesen Partner ausgesucht habe.

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