Urmensch Lucy hatte Verwandte

Urmensch Lucy hatte Verwandte
Neue Knochen-Funde in Äthiopien zeigen, dass wir noch mehr Ur-Vorfahren hatten, als bisher angenommen.

Lucy“ lebte also doch nicht alleine. Bisher waren sich Wissenschaftler uneinig darüber, ob unsere direkte Vorfahrin und ihre Artgenossen vor ca. 3 Millionen Jahren Alleinherrscher waren. Oder ob es doch mehrere Arten von Frühmenschen gegeben hat, die sich ein Territorium teilten. Letztere These wird durch einen neuen Fund untermauert. Auf der Suche nach Puzzleteilen, um das Bild der Menschheitsgeschichte zu vervollständigen, stießen der Paläoanthropologe Yohannes Haile-Selassie (Bild) und sein Team auf Überreste eines Frühmenschen: Dieser lebte in der selben Epoche wie der Australopithecus afarensis („Lucy“) – und zwar in Nachbarschaft. Die Knochen wurden nur 35 Kilometer entfernt von jener Stelle entdeckt, an der 1974 „Lucy“ ausgegraben wurde.

Vielfalt

In der kargen Wüstenregion Afar, im Osten Äthiopiens, wurden die bisher wichtigsten Fossilien entdeckt. Der Anthropologe Gerhard Weber von der Universität Wien forschte ebenfalls schon im sogenannten „Rift Valley“. „Aufgrund eines tektonischen Prozesses wird dort die Erde auseinandergezogen, Schichten kommen zutage – und damit Fossilien.“ Für Anthropologe Weber ist der Fund „wieder einmal ein Beleg, dass wir Vielfalt haben und es noch andere Arten gibt, die parallel lebten.“ Nachsatz: „Jetzt wird wieder gestritten.“

Wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Nature berichten, unterscheiden sich die Ober- und Unterkiefer sowie vereinzelte Zähne deutlich von „Lucy“ und anderen Arten: Die Zähne sind kleiner, der Kiefer ist größer. Bereits vor drei Jahren entdeckten Yohannes Haile-Selassie und sein Team einen Fußknochen, der um die 3,5 Millionen Jahre alt ist, und sich ebenfalls von „Lucy“ unterschied. Damals bestimmten sie keine neue Art – heute sind sie sicher und verpassten dem Neuling einen Namen: Australopithecus deyiremeda – letzteres heißt auf Afar „naher Verwandter“.
Die Frage, wie Spezies abgegrenzt werden, bezeichnet Weber als heikel. Ob sich „Lucys“ Verwandter so stark von den bisher bekannten Arten dieser Epoche unterscheidet, oder ob die Unterschiede einfach regional bedingt sind, könnte unter den Forschern zu Streit führen.

Nahrungsstrategie

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Paleoanthropologist Yohannes Haile-Selassie conducts comparative analysis of Australopithecus deyiremeda in his laboratory at Cleveland Museum of Natural History on April 29, 2015 in this image released to Reuters on May 26, 2015. Jaw and teeth fossils found on the silty clay surface of Ethiopia's Afar region represent a previously unknown member of humankind's family tree that lived 3.3 to 3.5 million years ago alongside the famous human ancestor "Lucy," scientists say. REUTERS/Laura Dempsey/Cleveland Museum of Natural History/Handout via Reuters ATTENTION EDITORS - THIS PICTURE WAS PROVIDED BY A THIRD PARTY. REUTERS IS UNABLE TO INDEPENDENTLY VERIFY THE AUTHENTICITY, CONTENT, LOCATION OR DATE OF THIS IMAGE. FOR EDITORIAL USE ONLY. NOT FOR SALE FOR MARKETING OR ADVERTISING CAMPAIGNS. THIS PICTURE IS DISTRIBUTED EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS. NO SALES. NO ARCHIVES.
Jäger, Fleischesser, Feinde? Wie „Lucy“ und ihre Cousins zusammenlebten, ist noch unklar und soll laut Haile-Selassie (Bild) weiter untersucht werden. Anthropologe Weber ist überzeugt, dass sie in verschiedenen ökologischen Nischen lebten und verschiedenen Nahrungsstrategien hatten. Haile-Selassie geht davon aus, dass die neue Spezies aufgrund ihres dicken Kiefers besser kauen konnte und „harte und grobe Nahrung zu sich nahm, wie Samen, Nüsse und Gräser.“
Ob sich die verschiedenen Arten von Frühmenschen untereinander „vermischt“ haben, lässt sich laut Weber kaum feststellten. „Wir wissen, dass wir Neandertaler-Genom in uns tragen, das geht etwa 100.000 Jahre zurück. Beim aktuellen Fund handelt es sich um Millionen Jahre. Die Chance, an den Überresten DNA zu finden ist gering.“
Genauso, wie herauszufinden, von welcher Linie an Frühmenschen wir abstammen und uns entwickelt haben. Also: Es bleibt spannend.
Urmensch Lucy hatte Verwandte

Wie der Homo sapiens von Afrika aus den Rest der Welt besiedelte, gehört zu jenen Fragen, über die Wissenschaftler immer wieder rätseln. Über die Route, welche sie vor 50.000 bis 100.000 Jahren tatsächlich genommen haben, wurde bis dato viel spekuliert. Ein Team um den Anthropologen Luca Pagani vom Wellcome Trust Sanger Institute und der Universität Cambridge ist nun überzeugt, den richtigen Weg unserer Vorfahren gefunden zu haben, berichten sie im American Journal of Human Genetics.

Zwei Wege

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Bisher setzten die Wissenschaftler auf zwei mögliche Routen, die aus Afrika führten: "Ein Weg aus dem heutigen Ägypten und Sinai, eine nördliche Route, oder ein Weg durch Äthiopien, die Bab al-Mandab Meeresstraße und die Arabische Halbinsel, die eine südliche Route ist", erklärt Pagani.

Ihre Forschungen ergaben nun, dass die Hauptroute der modernen Menschen über Ägypten führte und nicht über die Arabische Halbinsel. Der Grund: Sie haben genetische Sequenzen von sechs heutigen Populationen untersucht, eine stammt aus Ägypten und fünf aus Äthiopien – insgesamt von 225 Menschen: Eurasier weisen demnach mehr genetische Gemeinsamkeiten mit Ägyptern auf, als mit Äthiopiern. Diese Ergebnisse zeigen, dass unsere Vorfahren zuletzt in Ägypten stoppten, bevor sie Afrika endgültig verlassen haben.

Die nun entstandene Gen-Datenbank soll zudem für zukünftige medizinische und weitere anthropologische Studien nützlich sein, erklärt Pagani.

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