Mayerling wird geöffnet

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Ab Herbst werden Besucher am Schauplatz der Tragödie erstmals umfassend informiert.

Es ist einer der geschichtsträchtigsten Orte Österreichs. Und doch gibt’s in Mayerling nicht viel mehr als eine Kapelle und ein paar alte Möbel zu sehen, die an die tragischen Ereignisse des Jänner 1889 erinnern. 40.000 Menschen aus aller Welt pilgern jedes Jahr nach Mayerling – und fahren meist enttäuscht wieder ab. Das wird sich im Oktober schlagartig ändern, denn ab dann wird es hier ein repräsentatives Museum geben, in dem die Schicksale Kronprinz Rudolfs und Mary Vetseras erstmals am Originalschauplatz dokumentiert sind.

Sieben Stunden Gebet

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epa01458866 An undated handout of a photograph entitled 'Kronprinz Rudolf in Husarenuniform' (literally: 'Crown Prince Rudolf in hussar's uniform'), made available on 20 August 2008 by the Bundesmobilienverwaltung MD, shows Crown Prince Rudolf of Austria (1858 - 1889). The photograph is one of the exhibits on display at the special exhibition 'Kronprinz Rudolf - Lebensspuren' (literally: 'Crown Prince Rudolf - life traces') at the furniture museum 'Homobiliendepot' in Vienna, Austria, held from 21 August 2008 to 30 January 2009 on the occasion of Crown Prince Rudolf's 150th anniversary. EPA/BUNDESMOBILIENVERWALTUNG MD / HO EDITORIAL USE ONLY IN CONNECTION WITH A REWIEV OF THE EXHIBITION AND COPYRIGHT MENTIONED ABOVE
Mutter Regina ist es nicht gewöhnt, allzu viele Worte zu verlieren, ist sie doch Priorin des Schweigeordens der Karmelitinnen. Kaiser Franz Joseph hat diesem Orden nach Kronprinz Rudolfs Tod das Jagdschloss Mayerling als Stiftung überlassen. Als einzige Gegenleistung forderte er, dass die Karmelitinnen fortan für seinen toten Sohn beten. Diesem Auftrag kommen die Klosterschwestern seit 125 Jahren nach. Und zwar sehr intensiv: "Wir beten jeden Tag sieben Stunden", sagt Mutter Regina. "Aber es hat sich viel geändert, seit uns der Kaiser diesen Auftrag erteilte."
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Mary Vetsera, Bild aus dem Besitz von Hermann Swistun, Repro von Gerhard Sokol.
Franz Joseph hat den Ordensschwestern – heute sind es zehn – 140.000 Gulden (rund 1,7 Millionen Euro) zur Aufrechterhaltung des Schlosses überlassen. "Das Geld ist natürlich längst weg, und wir haben Probleme, das historische Gebäude instand zu halten", erklärt die Priorin. In ihrer Not beschlossen die sonst in völliger Abgeschiedenheit lebenden Nonnen über ihren Schatten zu springen und Mayerling zu einer Fremdenverkehrsattraktion auszubauen. "Wir müssen das tun, damit das Schloss nicht verfällt", meint Mutter Regina, die es als ihre Aufgabe sieht, "die Geschichte dieses Hauses zu erzählen". Das kann natürlich nicht von den zum Schweigen verpflichteten Schwestern besorgt werden, sondern von professionellen Fremdenführern. Die Nonnen selbst werden mit den Besuchern in keinerlei Kontakt treten.

Fertige Pläne

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Um für das "Memorial", wie das Museum heißen soll, Platz zu schaffen, geben die Schwestern einige Räume ihres Klosters ab, vor allem aber bauen sie ein neues Gebäude. In dem hypermodernen, rund 600 großen Besucherzentrum werden die Gäste eingestimmt, hier wird man anhand von Bildern über Mayerling informiert und ein Souvenirshop eingerichtet.
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Die Innen- und Außenpläne des dem Schloss gegenüberliegenden Besucherzentrums sind fertig (und werden hier erstmals gezeigt). "Landeshauptmann Pröll und das Bundesdenkmalamt stehen voll hinter dem Projekt", sagt Mutter Regina. Die Bauarbeiten beginnen in wenigen Wochen.

Das Originalbett

"Zur Eröffnung im Oktober hoffen wir das Originalbett, in dem der Kronprinz und Mary Vetsera gestorben sind, vom Hofmobiliendepot zu erhalten", erklärt der Kunsthistoriker Hannes Etzlstorfer, der für die Umsetzung des Museumskonzepts verantwortlich ist. "Weiters wollen wir Rudolfs Abschiedsbrief an seine Frau Stephanie zeigen, der im Besitz des Staatsarchivs ist. Wir sind auch mit privaten Sammlern in Kontakt, um Möbel, Briefe und andere Originalgegenstände als Dauerleihgaben zu erhalten."

Eremitisches Leben

Die Errichtung des Museums im "Karmel Mayerling" wird 1,5 Millionen Euro kosten, "wovon wir die Hälfte über Spenden und Eintrittsgelder aufbringen wollen, den Rest steuern Land Niederösterreich und die Gemeinde Alland (zu der Mayerling gehört) bei". Mutter Regina hofft, dass in der Anfangsphase im Jahr 10.000 Besucher mehr kommen als bisher und der Konvent sich selbstständig erhalten wird. Mayerling soll in Zukunft beworben werden, was bisher aufgrund des eremitischen Lebens der Nonnen nie geschehen ist.

Rudolfs Jagdpavillon

Der aufwendige Zubau ist notwendig, weil Kaiser Franz Joseph nach der Tragödie von Mayerling den Trakt mit dem Schlafzimmer, in dem Rudolf sich und Mary Vetsera getötet hat, abreißen und an dessen Stelle eine kleine Kirche errichten ließ. Als besondere Besucherattraktion wird im Schloss erstmals der Jagdpavillon des Kronprinzen geöffnet, in dem er viel Zeit verbrachte und Gäste empfing.

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Ein Anziehungspunkt ist wohl auch der Kupfersarg, der dem Kloster vom nahen Stift Heiligenkreuz bereits jetzt zur Verfügung gestellt wird. Mary Vetsera wurde darin 1889 bestattet. Der Sarkophag wurde 1945 durch Grabräuber gewaltsam aufgebrochen und danach durch einen Zinnsarg ersetzt. "Es ist uns wichtig", sagt Mutter Regina, "Marys Sarg zu zeigen, da sie als Person nur allzu oft aus der Geschichte ausgeblendet wird."

Obwohl die Karmelitinnen "heute noch im Auftrag Kaiser Franz Josephs" arbeiten, ist das täglich siebenstündige Gebet längst nicht mehr nur dem Kronprinzen gewidmet. "Wir beten für alle Menschen, die in Not sind." Und damit auch für Mary Vetsera, an deren Seelenheil das Haus Habsburg damals nicht gedacht hat.

Schloss Mayerling

Erstmals im 12. Jahrhundert erwähnt, war Mayerling 700 Jahre im Besitz des Zisterzienserstiftes Heiligenkreuz. 1886 erwarb Kronprinz Rudolf das Anwesen und baute es zu einem Jagdschloss aus. Am 30. Jänner 1889 erschoss er hier seine 17-jährige Geliebte Mary Vetsera und dann sich selbst. Kaiser Franz Joseph stiftete das Schloss dem Karmeliterorden mit dem Auftrag, darin "täglich für meinen geliebten Sohn zu beten".

Die Karmelitinnen

Ein Schweigeorden mit weltweit 13.000 Nonnen. Elf Klöster befinden sich in Österreich. Die Schwestern führen ein "einfaches Leben im Stillen und Verborgenen" und dürfen den Konvent nur für Arztbesuche und für unumgängliche Behördenwege verlassen. Diese Anordnung geht so weit, dass Angehörige des Ordens nicht einmal das Begräbnis ihrer Eltern besuchen dürfen.

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