Luno-Festival: Das hat Europa noch nicht gesehen
Aus einer überdimensionierten roten Teekanne ergießt sich dampfender Tee in große Schalen. Meterhohe blaue Quallen schweben am Nachthimmel, dazwischen tummeln sich bunte Fische. Und die Staatsoper hat ihren Standort gewechselt – auf die Donauinsel. Für mehr als einen Monat kommt China nach Wien.
Es ist Mittag auf der Donauinsel, als ein Koch mit einer riesigen Wok-Pfanne vorbeikommt. Das zeigt die wohlverdiente Mittagspause für die gut 50 chinesischen Handwerker und Näherinnen auf dem Gelände des Luno-Festivals an. Noch eine kurze Pause – rastend auf einem Stück sonnenverbrannter Wiese – dann geht’s wieder an die Arbeit.
Die Handwerker schweißen – schwindelfrei auf meterhohen Stahlgerüsten kraxelnd – die Gerüste der Kunstwerke zusammen. Anschließend beziehen die Näherinnen stoisch und konzentriert die Objekte mit maßgeschneiderten Seidestücken und bringen unzählige kleine LED-Lämpchen an.
Altes Kulturgut aus China
Laternenfeste zählen zu den ältesten Kulturgütern Chinas, es gibt sie seit mehr als 2.000 Jahren. Ihr Ursprung liegt in der Han-Dynastie (206 v. Chr. – 220 n. Chr.).
Damals entzündeten die Landbewohner Fackeln, um für eine gute Ernte zu beten und Tiere und Insekten zu verscheuchen. Der Laternenfesttag gilt als einer der wichtigsten Feiertage in China. Er schließt traditionell das mehrtägige Neujahrsfest ab und wird zwischen Jänner und Februar zu Neumond gefeiert.
Der Sitte nach verspeist man süß gefüllte Mehlknödel, sogenannte Yuanxiao. Doch es geht in China nicht nur ums Essen. Auf den Laternen sind Zettelchen mit Rätseln angebracht. Wer die Lösung weiß, darf sie abreißen und erhält ein kleines Geschenk.
Wien als erste Station
Zurück nach Wien auf die Donauinsel: Vor einigen Jahren fand das Luno-Festival erstmalig außerhalb Chinas, in Atlanta, USA, statt. Nun soll das Lichterfest – mit Wien als erster Station – weltweit expandieren. Wieso ausgerechnet Wien? Wu Fei, er Veranstalter, erklärt: „Für uns war klar, dass wir jetzt ins Ausland gehen. Europa lag auf der Hand, und der Ruf Wiens als europäische Kulturhauptstadt hat uns überzeugt.“
Martin Sörös, Veranstalter auf österreichischer Seite, ergänzt: „Wenn man wie ich häufig in China ist, dann merkt man, dass Wien und unsere Kultur, von Mozart bis Strauß, dort ein unglaubliches Standing hat. Die Stadt war bei der Planung des Luno-Festivals von Anfang an in der Pole-Position.“
Auch den Chinesen ist die Europa-Premiere des Laternenfests wichtig: Für die Eröffnung hat der Gouverneur der Provinz Sichuan zugesagt – immerhin ein Landeshauptmann von mehr als 80 Millionen Menschen.
Der Leiter der MA 45 Wiener Gewässer, auch bekannt als „Bürgermeister der Donauinsel“, Gerald Loew, spricht von einer neuen Dimension an Veranstaltungen: „Erstmalig haben wir ein Festival, das länger als einen Monat dauert.“ Und was hat die Donauinsel davon? „Jeder Euro, den die Stadt über die Pachtgebühr einnimmt, wird in Erhaltung und Pflege der Donauinsel gesteckt.“
Was es zu sehen gibt
Wochentags ab 17 Uhr und am Wochenende ab 15 Uhr öffnet das zehn Fußballfelder große Areal zwischen Brigittenauer und Floridsdorfer Brücke (U6-Station Neue Donau) für die Besucher. Täglich um 19, 20, und 21 Uhr findet eine Show mit mehr als 35 Tänzern, chinesischer Musik und Magie auf der Hauptbühne statt.
Auch die mehr als 250 Jahre alte Sichuan-Oper kommt für ein Gastspiel auf die Insel der Wiener. Wer eine klassische Oper erwartet, wird allerdings überrascht sein. Denn zu sehen gibt es Feuerschlucker, Slapstick- und Akrobatikeinlagen.
„Wir werden zudem eine Kinderzone einrichten, um auch die Jüngsten von der chinesischen Kultur zu begeistern“, sagt Veranstalter Sörös. An Mitmachstationen kann sich der Nachwuchs u. a. in der Kunst des Schenschnitts versuchen, während die Eltern sich von Gung-Bao Rind bis Schnitzel durch das Angebot kosten.
In der chinesischen Astrologie ist 2016 das Jahr des Feuer-Affen – der Affe setzt alles in Bewegung, sein Leben zu planen ist jetzt sinnlos. Und wer jetzt abends mit der U6 am Festivalgelände vorbeifährt, wird seinen Augen nicht trauen. Da starrt einen doch wirklich ein überdimensionaler Affe mit frechem Grinser an.
Ein passenderes Symbol für unsere Zeit wird sich derzeit kaum finden lassen.
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