Luftiges Loft im Gemüsegarten

Luftiges Loft im Gemüsegarten
Stadt trifft Land im fünften Stock.

Mitten im Raum steht das Pferd. Ein Sportgerät, wie man es aus dem Turnsaal kennt. Gerhard Fischer sportelt, Nicole Oberrauner schaukelt und das Baby schwingt in seinem Hängekorb im Rhythmus mit. Die Architektin und der Bio-0bstbauer wollten mitten in Wien so wohnen, wie es ihren wirklichen Bedürfnissen entspricht. So, dass nicht Sofa und Fernsehgerät ein Zimmer beherrschen, sondern – im wahrsten Sinn des Wortes – ein Bewegungsraum und Spielplatz entsteht. Um das zu erreichen, sind sie keine Kompromisse eingegangen.

Urban mit Naturzugang

Vor vier Jahren haben die beiden Vorarlberger auf einem 150 Jahre alten Dachboden in der Neustiftgasse mit der Verwirklichung dieses Wohntraums begonnen. Eine moderne, urbane Bleibe sollte entstehen, mit unmittelbarem Naturzugang, oben im fünften Stock. Ein Jahr später konnten das Paar dann einziehen.

Gebaut wurde mit Holz, Papier (die Wärmedämmung besteht aus eingeblasener Zellulose), Schilf und Lehm. Wo immer danach noch ein Stück Flachdach übrig blieb, wurden in Hochbeeten kleine Nutzgärten und eine Wildblumenwiese angelegt. Für die Wildblumenwiese musste zunächst eine Schicht Tonkugel-Drainage aufgebracht werden, darauf kamen 25 Zentimeter Erde. Aus 45 verschiedenen Samenarten (vom Spezialisten Voitsauer im Waldviertel) ist dann die Wildblumenwiese entstanden. Die bunten Farben ihrer Blüten locken nützliche Insekten an, die mithelfen, den ganzen Garten schädlingfrei zu halten. Kamille, Löwenzahn, Rucola und Melde landen frisch von der Wiese in der Küche.

Kluge Anbaumethode

Luftiges Loft im Gemüsegarten
„Der wesentliche Grund, hier heroben eigene Nutzgärten anzulegen“, sagt Fischer, „war, dass wir nur wirklich reifes Gemüse haben wollten. Selbst Biogemüse wird nämlich in der Regel noch unreif geerntet. Das merkt man am Geschmack und am Nährstoffgehalt.“ Gegärtnert wird nach den Prinzipien der Permakultur, einer heute immer populärer werdenden Methode, Nahrung mit geringem Energieaufwand und in naturnahen Stoffkreisläufen zu erzeugen.

Wie diese Theorie in die Praxis umgesetzt aussieht, lässt sich am Beispiel des „Indianerbeets“ demonstrieren. Es ist mit seinem Ausmaß von nur einem Quadratmeter die Minimalversion einer traditionellen Anbauform, wie sie schon die Inka, Maya und Azteken kannten. Diese basiert auf dem einander unterstützenden Zusammenspiel dreier Gemüsepflanzen. Zunächst wird Mais gesetzt, sobald er etwa zehn Zentimeter groß ist, folgen Stangenbohnen, die die hochwachsenden Maisstängel als Rankgerüst nutzen können. Im Gegenzug liefern die Bohnen durch ihre Stickstoffproduktion dem Starkzehrer Mais zusätzlich Nahrung. Die Dritte im Bunde ist die Kürbispflanze. Ihre großen Blätter schatten den Boden ab, wodurch zugleich Unkraut unterdrückt und der Boden feucht gehalten wird. Für die Kompostierung der organischen Küchenabfälle sorgt eine „urbane Wurmfarm“. In einem Behälter, der mit mehreren Kammern versehen ist, verarbeiten aus Vorarlberg importierte Kompostwürmer das, was übrig bleibt, zu Humus.

Ins Innere übertragen

Auch beim Ausbau des Dachbodens und bei der Innenraumgestaltung sind Oberrauner und Fischer nach Nachhaltigkeits-und Permakulturkriterien vorgegangen. „Wir haben moderne, kantige Architektur mit warmen, ökologischen Materialien kombiniert“, erklärt Oberrauner ihren Stil.

Luftiges Loft im Gemüsegarten
Um das bestmögliche Raumklima zu erzielen, verwendete man traditionellen Lehmverputz und Bauelemente aus Lehm, deren Vorzüge heute wiederentdeckt werden. Lehm ist durch die Eigenschaft ausgezeichnet, sowohl Wärme als auch Feuchtigkeit speichern und zeitlich verzögert wieder abzugeben zu können. Dank der begrünten Dachflächen, der guten Dämmung, einer klugen Positionierung der Fenster und der klimaregulierenden Eigenschaften des Lehms wird trotz der Dachsituation auch im heißen Sommer keine energiefressende Klimaanlagee benötigt. 90 Prozent des Warmwasser- und 60 Prozent des Heizwärmebedarfs kann dazu die hauseigene, thermische Solaranlage decken.

Sonderrolle Muscheln

Ein umwelttechnisches und zugleich optisches Glanzstück findet sich im Badezimmer. Die Wände und die Wanne wurden mit marokkanischem Tadelakt beschichtet. Das ist ein natürliches Muschelkalkpulver, das mit der Kelle aufgetragen, geglättet und mit Halbedelsteinen verdichtet und poliert wird. Abschließend behandelt man die Oberflächen noch mit Olivenölseife, die diese wasserdicht versiegelt. „Wenn man Tadelakt berührt, ist man überrascht,“ sagt Gerhard Fischer, „dieses Material fühlt sich samtig und warm an, wie Wachs. Genau das passt zu unserer Vorstellung vom Wohlfühlwohnen.“

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