Kinder in Not: Krisenpflegeeltern gesucht

Seit zehn Jahren bieten die Jahns fremden Kindern Nestwärme
Sie bieten Kindern in schweren Krisen nicht nur ein sicheres Nest. Eine Gratwanderung.
Von Uwe Mauch

Es ist dieses wunderbar unschuldige Lächeln der erst ein Jahr alten Prinzessin, das für die schwierigeren Momente im Leben des Ehepaars Jahn kurzfristig entschädigt.

Die süße Prinzessin, die zu ihrem eigenen Schutz in der Zeitung namenlos bleiben muss, kam vor acht Wochen in das Einfamilienhaus von Alexander und Susanne Jahn in Wien-Aspern. Ihre Tage in diesem geschützten Setting sind jedoch gezählt.

Immer, wenn jetzt eines der Mobiltelefone läutet, blicken sich die Jahns kurz an. Sie sind Krisenpflegeeltern, die nicht nur dem Jugendamt der Stadt Wien, sondern uns allen eine Last abnehmen. "Unsere Aufgabe ist es, kurzfristig Kinder bei uns aufzunehmen, die nicht mehr bei den leiblichen Eltern sein können, um weiteres Ungemach von ihnen fern zu halten", sagt Susanne Jahn.

"Während das Kind bei uns ist, klären Sozialarbeiter die weitere Vorgangsweise", ergänzt ihr Mann, der in seinem Brotberuf als Tennistrainer arbeitet. Die heikle Frage, die in dem acht- bis zwölfwöchigen Zeitfenster von Amts wegen geklärt werden muss: Ist es verantwortbar, die Prinzessin in die Hände ihrer leiblichen Eltern zurückzugeben oder können ihr Pflegeeltern mehr Sicherheit bieten?

Der wahre Lohn

Für sozial arg vernachlässigte Wiener Kinder stehen derzeit 43 Krisenpflegeeltern zur Verfügung. Ständig auf Abruf, bieten diese Retter in der Not für kurze Zeit ein sicheres Nest. Doch ebenso schnell auf Abruf müssen sie ihre kleinen Gäste wieder freigeben.

"Das Loslassen ist nicht einfach", weiß Susanne Jahn aus Erfahrung. Gut dreißig Mal mussten sie und ihr Mann seit dem Beginn ihrer Tätigkeit vor zehn Jahren loslassen. "Man sollte den Kindern in erster Linie Ruhe und Routine bieten. Man darf dabei aber auch keine zu enge, zu familiäre Bindung aufbauen", beschreibt ihr Mann Alexander den schmalen, emotionalen Grat.

Die Stadt Wien bezahlt für diesen aufreibenden Drahtseilakt ein Angestelltengehalt. Der wahre Lohn ist jedoch ein anderer: Als die Prinzessin im Herbst von einer Mitarbeiterin des Jugendamts nach Aspern gebracht wurde, besaß das damals schon neun Monate alte Mädchen so gut wie keine Mimik und war in ihrer frühkindlichen Entwicklung auch sonst schon einigermaßen ins Hintertreffen geraten. "Das Schöne an dieser Tätigkeit", erklärt Vater Jahn, "sind die Erfolge, die sich bei den ganz kleinen Kindern oft binnen weniger Tage einstellen."

Die Prinzessin bestätigt jedes Wort. Sie zeigt heute Freude, aber auch Ärger, Hunger und zu Mittag die altersadäquate Müdigkeit.

Nicht alle im erweiterten Bekanntenkreis können mit dem sozialen Engagement des Ehepaars etwas anfangen, Susanne Jahn zeigt sich von den Reaktionen jedoch nicht sehr beeindruckt. Sie führt auch "das gute Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun" ins Treffen. Es sei schon gut, dass sie dafür von der Stadt ein Gehalt bekommt (350 Euro netto pro Monat exklusive Pflegegeld und Familienbeihilfe), nur wegen des Geldes würde sie sich aber nicht zur Verfügung stellen: "Wollte ich wirklich gut verdienen, wäre ich Tennistrainerin geblieben."

Volles Verständnis

Die Aussicht, zu arbeiten und gleichzeitig bei ihren Kindern zu Hause bleiben zu können, hat Susanne Jahn vor mittlerweile zehn Jahren auf die Idee gebracht, es als Krisenpflegemutter zu probieren. Inzwischen sind die eigenen Kinder volljährig und aus dem Probieren ist eine Berufung geworden.

Wichtig ist ihr auch der Hinweis, "dass ich das alles nie machen könnte, hätte ich nicht das volle Verständnis und die volle Unterstützung von meinem Mann und von unseren eigenen Kindern".

Auch gibt es für Menschen wie sie nur ganz selten einen Frühbucherbonus. Zwar haben sie als Angestellte gesetzlichen Anspruch auf Urlaub, doch wenn wieder Not am Mann und an der Frau ist, dann ist auf sie Verlass.

Voraussetzungen

Krisenpflege ist eine hochsensible (bezahlte) Tätigkeit. Die Stadt Wien sucht dafür Menschen:

– mit Erfahrung in der Erziehung und Betreuung von Kindern;

– mit ausreichend Zeitreserven und zeitlicher Flexibilität;

– mit einer Familie, die der Aufnahme von Krisenpflege- kindern positiv gegenüber steht;

– mit der Bereitschaft, mit den leiblichen Eltern der Kinder und den Sozialarbeitern der MAG ELF zusammenzuarbeiten.

Info-Abend

Informationen aus erster Hand am Mittwoch, 21. März 2018, von 18 bis 20 Uhr im städtischen Pflegekinderzentrum Nord in Wien 21., Schöpfleuthnergasse 25. Infos: www.pflegemama.at bzw. www.pflegepapa.at

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