Körperbild: Junge Männer zunehmend unter Druck

Körperbild: Junge Männer zunehmend unter Druck
Burschen wollen genauso einem - meist unrealistischen - Ideal entsprechen wie junge Frauen.

Zuerst die Fußball-Europameisterschaft, jetzt die Olympischen Spiele: In den vergangenen Monaten waren die Medien quasi voll mit durchtrainierten Männern. Läuft gerade kein Wettkampf, tauchen Paparazzi-Fotos des nackten und nicht minder muskulösen Hollywoodstars Orlando Bloom auf einem Surfbrett auf. Und auf Social-Media-Portalen wie Instagram finden sich sowieso rund um die Uhr Bilder von sportelnden, Smoothie-trinkenden Teenies.

So gesehen wenig verwunderlich, dass junge Männer zunehmend den Druck verspüren, einem Körperideal entsprechen zu müssen. Eine aktuelle Umfrage der Werbevereinigung Credos mit tausend britischen Schülern (siehe Grafik) bekräftigt diese Annahme: Mehr als die Hälfte der befragten Buben gab an, dass Essstörungen und Probleme mit der Körperwahrnehmung keine rein weiblichen Themen seien; den größten Einfluss haben Freunde (68 %), soziale Medien (57 %), Werbung (53 %) und Stars (49 %).

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Andere Beweggründe

"Buben sind zunehmend um ihr Aussehen besorgt", resümiert Studienautorin Karen Fraser. "Das relativ geringe Bewusstsein von Eltern und Lehrern für die Körperbild-Probleme junger Männer, gepaart mit dem Umstand, dass Buben nicht gerne über ihre Sorgen sprechen, macht es schwierig für sie, Unterstützung zu finden."

Hilfe finden junge Männer, die mit ihrem Körper unzufrieden sind, beispielsweise bei der Hotline für Essstörungen der Wiener Gesundheitsförderung. Die meisten Anrufer seien zwar immer noch (junge) Frauen – seit etwa zwei Jahren steigt die Zahl der jungen Männer allerdings stetig an, berichtet die Beraterin Gabriele Haselberger. "Der gesellschaftliche Druck geht auch an den Burschen nicht vorbei."

Während junge Frauen meistens an Bulimie (Ess-Brech-Sucht, Anm.) leiden und möglichst dünn werden wollen, verfolgen Burschen in der Regel andere Ziele. "Bei der Entwicklung einer Essstörung steht bei männlichen Betroffenen meist weniger der Gewichtsverlust im Vordergrund, sondern das Erreichen eines muskulösen, athletischen Körpers, sprich ‚Sixpack‘. Dann wird exzessiv Sport betrieben und auf die Ernährung geachtet."

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Nicht ernst genommen

Ein Männer-Klischee kann Gabriele Haselberger bestätigen: Sie tun sich schwerer, über ihr Problem zu reden – bzw. einzugestehen, überhaupt eines zu haben. "Das liegt aber auch daran, dass junge Männer in dieser Hinsicht oft nicht ernst genommen werden."

Dass soziale Medien eine Rolle bei der Entwicklung von Essstörungen spielen, ist bekannt – abgemagerte Frauen inszenieren sich auf Instagram mit erschreckenden Fotos, junge Mädchen drücken in Kommentaren ihre Bewunderung aus. Aber auch Burschen matchen sich im Social Web, beobachtet Haselberger: "Immer wieder hören wir, dass Selfies vom Oberkörper in Gruppen gepostet werden, um Challenges zu gewinnen. Diese unterstützen die Entwicklung eines krankhaften Körperbildes."

Betroffenen rät die Expertin, rasch Hilfe zu suchen. Scham sei nicht angebracht. Denn: "Das ist alles andere als ein ‚Frauenproblem‘."

Info: Die Hotline für Essstörungen ist kostenlos und anonym. Mo.–Do. 12–17 Uhr, 0800/201120, www.essstoerungshotline.at

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