Wie viel Jeff steckt in Greg und umgekehrt?

Wie viel Jeff steckt in Greg und umgekehrt?
Interview mit dem "Vater", Zeichner und Autor von Gregs Tagebüchern, Jeff Kinney

Schon lange bevor die Buchlieblings-Gala beginnt, bei der Jeff Kinney, Zeichner und Autor von Gregs Tagebüchern, für seinen bisher letzten den 6. Band (Keine Panik) einen der Preise bekommt, sitzt Marlene Urban (10) mit „Jetzt reicht`s!" (dritter Band) im – noch ziemlich sehr leeren großen Festsaal des Wiener Rathauses. Sie schmökert drin „nicht zum ersten Mal, ich hab alle Bände schon öfter gelesen", vertraut sie dem Online-Kinder-KURIER an. Und „verrät" was auf der Hand liegt: „Ich möchte ein Autogramm von ihm", dem Erfinder dieses Antihelden.

Ob sie denn dann nicht auch gleich die eine oder andere Frage an ihn hätte, sie könne sicher gern mit zum Interview kommen. Strahlen in den Augen. Und dann doch ein halber Rückzieher. Schüchtern noch dazu bei Englisch... Die Bedenken können zerstreut werden. Der 41-jährige US-Amerikaner (in Maryland geboren, in Massachusetts wohnend), kommt in den Saal, sieht die 10-Jährige als einzige Angehörige der Zielgruppe seiner Bücher, geht auf sie zu, „Shall I sign it?!". Kurze Schrecksekunde. Dann die heiß begehrte „Trophäe" und damit ist auch der Weg mit zum Interview noch mal leichter.

Widmungen?

Wie viel Jeff steckt in Greg und umgekehrt?

Marlene Urban will unter anderem wissen, wer denn die wenigen auserwählten Menschen seien, denen Kinney jeweils auf der Seite bevor die „Tagebucheinträge" beginnen, den jeweiligen Band widmet. Immer wer anderer, meist eine/r, manchmal auch zwei. Klar ist`s nur beim „Filmtagebuch" - Zach und Robert sind die Darsteller von Greg und seinem besten Freund Patrick. Viele Fragen kennt Kinney schon, viele wiederholen sich. Diese nicht. „In den ersten drei Bänden sind`s Familienangehörige. Die nächsten drei hab ich krebskranken Kindern gewidmet. Und das bisher letzte meiner Großmutter, die uns verlassen hat."

Warum wird das in den Büchern nicht erklärt?
Diese Widmungen sind Botschaften an genau diese Menschen!

Greg-Jeff/Jeff-Greg?

Wie viel Jeff steckt in Greg und umgekehrt?

Woher nimmst du die Ideen?
Die meisten aus meiner eigenen Kindheit, so manche auch aus meiner Erfahrung als Erwachsener. Ich lese aber auch viele Elternmagazine oder Zeitschriften wie Boys` Life (Pfadfinder), das in den USA sehr populär ist.

Wie viel Greg ist in Jeff, wie viel Jeff in Greg?
Greg ist eine verzerrte Version von mir selbst, ein Schnappschuss von meinen schlechtesten Seiten und Eigenschaften.

Wie bist du auf en Gedanken gekommen, eine Hauptfigur zu schaffen, die kein strahlender Held ist, die im Original sogar im Buchtitel „wimpy" (Deutsch: erbärmlich, kümmerlich...) heißt?
Weil ich dachte, die Welt der Kinderliteratur ist voll von Helden. Ich denke, die können zeitweise ziemlich langweilen. Die benehmen sich oft einfach wie kleine heroische Erwachsene, verhalten und benehmen sich meist nicht so wie es Kinder wirklich tun. Ich wollte mit Greg eine Figur schaffen, die glaubwürdig wie ein echtes Kind handelt.

Wie ist es für deinen Bruder, er ist Lehrer und du hast in einigen Interviews gesagt, so manche der Episoden stammen im wirklichen Leben von ihm. Wie ist es für ihn, in die Klasse zu gehen und zu wissen, seine Schülerinnen und Schüler wissen genau, was für Blödheiten er als Kind so angestellt hat?
Ganz so schlimm ist`s nicht, es sind zwar viele Teile von meinem älteren und dem jüngeren Bruder im die Charaktere in den Büchern eingeflossen, aber die Scherze sind dann doch alle irgendwie fiktiv. Obwohl die Bücher schon auch so manches aus unserer Familiengeschichte zusammentragen - aber ich hab die Geschichten dann doch auch verändert und verfremdet.

Kindheitstraum?

Wie viel Jeff steckt in Greg und umgekehrt?

Du wolltest schon als kleines Kind Cartoonist werden, stimmt das wirklich?
Ich wollte ein Zeitungs-Cartoonist werden. Nicht nur als kleiner Bub, sondern auch als ich 28 Jahre war, war das mein Traum. Aber niemand mochte meine Arbeit. Sie war nicht gut genug. Und die Zeichnungen sind`s auch heute noch nicht.
Ich wollt einfach so zeichnen wie es ein elfjähriges Kind vielleicht wirklich tun würde. Und so kam ich auf die Idee von Gregs Tagebuch. Erst hab ich den Witz als Bild im Kopf, dann schreib ich die paar Zeilen und dann erst mach ich die Zeichnungen. Übrigens immer am Computer.

Gibt es für die Bücher jeweils eine Story oder sammelst du zuerst jede Menge witziger Situationen und sortierst daraus dann erst ein Buch?
Ja, ich sammle die Witze, die Situationskomiken, die Geschichtchen - für einen Band brauch ich so ungefähr 350.

Wie groß ist der Vorrat an Scherzen, hättest du jetzt schon genug für die nächsten drei Bände?
Ich hatte einen großen Vorrat, aber jetzt bin ich fast blank, ich hab jetzt genau einen Witz.

Wirklich?
So ich zeig dir meinen ganzen Vorrat. Dabei zückt er sein I-Phone und zeigt vier, fünf Zeilen. „Mehr hab ich im Moment – noch - nicht."

Und das ist echt alles?
Ja, schau ich zeig dir den Vorrat, den ich für Band sieben hatte.

Wird Greg älter?

Wie viel Jeff steckt in Greg und umgekehrt?

Wird dir Greg nicht langweilig oder hast du grundsätzlich Ideen für die nächsten zehn Jahre oder gar schon ein Ende im Kopf?
Eine sehr gute Frage, ich weiß es nicht. Manchmal kann es schon langweilig werden, immer die gleiche Story zu erzählen. Drum rinnen (Fernseh-)Serien ja oft auch aus, neues Personal muss eingeführt werden... Aber es ist eine Herausforderung, ich will ja die Typen beibehalten, ich muss nur immer wieder neue Geschicht(ch)en finden.

Wird Greg älter werden oder Schüler bleiben für die nächsten 20 Jahre?
Hahaha, weißt du, früher hab ich geglaubt, Greg sei ein literarischer Charakter. Aber mit dem fünften Band hab ich begriffen, er ist eine Cartoon-Figur. Und solche werden normalerweise nie älter.

Obwohl du eine Schwester hast, kommen Mädchen wenig, praktisch immer ohne ausgeprägten Charakter vor, warum?
Greg selbst versteht Mädchen nicht, aber im nächsten Band spielen Mädchen eine größere Rolle.

Zu wenig Zeit für die eigenen Kinder

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Dein Hauptjob ist Video- und Computerspiele zu entwickeln, zu designen?
Ja, das ist mein täglicher Job. Ich hatte die Idee für eine Website, die bauten wir und nun ist sie eine der weltweit größten Websites für Kinder.

Hast du mit den zwei Jobs genug Zeit für deine Kinder?
Nein, habe ich nicht.

Aber sagen Will und Grant (7 und 9 Jahre) dann nicht, unser Vater macht Bücher für Kinder aber für uns hat er keine Zeit?
Das ist das zentrale Problem meines Lebens, dass ich nicht genug Zeit mit ihnen verbringe. Im Moment muss ich rausfinden, wie heute ihr Fußballspiel ausgegangen ist. Wenn ich da eine Pause hab, wird ich sie anrufen und fragen, wie`s ihnen ergangen ist.

Hast du nie nachgedacht, da die Bücher nun so erfolgreich sind, den Alltags-Job zu canceln und „nur" mehr Autor und Cartoonist zu sein?
Du machst mir ein schlechtes Gewissen, ich fang an, mich schuldig zu fühlen. Aber ich hab mit ihnen gesprochen. Sie haben dann doch gemeint, ich soll weiter so arbeiten wie bisher, weil uns das doch auch so manche Möglichkeit, die wir sonst nicht hätten. So hatten wir die Chance, den US-Präsidenten im Weißen Haus zu treffen, auf Filmsets zu kommen. Und so haben wir einen Kompromiss gefunden.

Ehrlich?
Wir haben darüber lange gesprochen  es war eine Entscheidung der ganzen Familie.

Denkst du manchmal daran, dass es ihnen in ein paar Jahren peinlich werden könnte, wenn Freunde wissen, welche Blödheiten der Vater als Kind in der Figur des Greg erlebt hat?
Kann sein, wer weiß...

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