Wenn Wünsche in Erfüllung gehen...

Wenn Wünsche in Erfüllung gehen...
... ist's mitunter auch nicht super. Ein super Film: "Zug fährt ab"

Der Anfang - kein Filmfehler. Absichtlich. Die Leinwand bleibt Sekundenlang finster. Einfach schwarz. So kannst du als Zuseher_in ansatzweise ein wenig eintauchen in die Lebens- und vor allem "Bilder"welt des Hauptprotagonisten. Andreas (Samuel Machto ) ist blind. Von Geburt an. Seine Freundin Malina ist Malerin (Isabella Jeschke). Er lässt sich operieren, um zu sehen. Eine lange, ausdrucks- und gefühlsmäßig überaus starke Einstellung im Krankenhaus. Die Operation ist vorbei, Andreas trägt (noch) einen weißen Verband rund um den Kopf. Die Augen sind so verschlossen. Die Freundin am Rand des Spitalsbetts. Na geh, jetzt mach schon, tu schon runter. Er zögert. Gestoppt vielleicht keine Minute - so gespielt, dass es wie eine Ewigkeit wirkt. Und das hat seinen guten Grund.
Nicht nur um die Spannung zu steigern, schweift die Szenerie ab. U-Bahn. Dunkel. Ein Zug rast heran. "Zug fährt ab" heißt ja der Film des 19-jährigen Jan Prazak-Zoufaly.

Sehen, aber dann...

Wenn Wünsche in Erfüllung gehen...

Zurück ins Krankenhaus. Der junge Mann nimmt seine Binde - endlich - ab. Und sieht zum ersten Mal - seine hübsche Freundin. Na so riesengroß ist die Freude dann doch nicht.
Zu Hause dann ihr zentrales Werk. "Ja, wirklich schön!" Diese seine Worte bringt der Schauspieler ….. so gekonnt rüber . Jede_r spürt die Enttäuschung - im Kinosaal und natürlich seine Partnerin, überzeugend dargestellt von Isabella Jeschke.
Ja, am liebsten wäre er wieder blind. Zärtlich streicht er mit seinen Fingern über das Gemälde.
In der Selbsthilfegruppe zur Verarbeitung des starken Einschnitts in seinem Leben lernt Andi auch Markus (Johann Bednar) kennen. Er ist U-Bahnfahrer. Sein Trauma: Er steuerte jenen Zug, vor den ein junger verzweifelter Mann gesprungen war, um seinem für ihn aussichtslos scheinenden Leben ein Ende zu setzen.
35 dichte Minuten. Nie actiongeladen, sondern stets - meist in langen, oft sogar sehr langsamen Bildern - auf den Punkt gebrachte tiefe, eher verzweifelte Gefühle. Und dennoch auch so manche Momente, die zum Lächeln, andere, die sogar zum Lachen verleiten.

Trio

"Zug fährt ab" ist der dritte Film des Trios Prazak-Zoufaly, Isabella Jeschke und Ioan Gavrilowitsch. Der zuletzt genannte war in dem Fall Produzent. Alle drei hatten vor rund zwei Jahren beschlossen, jede/r einen Film zu machen, die beiden anderen halfen jeweils mit. Gavrilowitsch machte den Anfang mit (P)Reise, Jeschke drehte "Eduard" (über beide berichtete der Online-KiKu). Nun fuhr der Zug in die letzte der drei Stationen. Die U-Bahn-Durchsage war für den Drehbuchautor und Regisseur des jetzigen Streifens der Ausgangspunkt. "Das hörst du ja oft. Und dann kam er auf den Gedanken, sich mit dem Schicksal eines U-Bahnfahrers auseinanderzusetzen, der jemanden überfahren haben könnte. Später stieß er auf den Gedanken, den Plott mit einem anderen Schicksal zu verknüpfen und verfiel auf die Idee, einen Blinden sehend werden zu lassen, "weil da wird sicher die ganze Welt auf den Kopf gestellt". Die Idee besprach er auch mit Blinden vom "Dialog im Dunkeln". Bei einer Lesung zeigten sich die Expert_innen von der Story angetan. Einen der blinden zitiert der Jungfilmer: So eine Operation gibt's nicht, aber wenn es sie gäbe, ich würde sie nie machen lassen, weil das meine ganze Welt durcheinander bringen würde."

Drehbuch und Regie: Jan Prazak-Zoufaly
In den Hauptrollen: Samuel Machto, Johann Bednar, Isabella Jeschke
Produktion: Ioan Gavrilowitsch

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