Von Tagebucheinträgen zur Erfolgsstory

Gracia Ndona im Gespräch mit Jana Ribarich
Schreiben zwischen Kulturen - über die jugendlichen Sieger_innen und ihre Texte beim exil-Literaturpreis 2013

Das junge Mädchen war umgeben von Menschen, denen sie etwas bedeutete und die sich um sie kümmerten, dennoch fühlte sie sich mit diesem Problem alleine. Sie hatte gehofft, Menschen zu finden, unter welchen sie sich wohl und nicht anders fühlen würde. Menschen, welche sie nicht als anders ansehen würden, ihr nicht das Gefühl geben würden es zu sein und unter denen sie sich nicht anders benehmen müsste, um akzeptiert zu werden….“

Die ist ein kurzer Auszug (ein weiterer siehe weiter unten) aus dem preisgekrönten Text der 19jährigen nunmehr schon Studentin der Internationalen Betriebswirtschaft Gracia Ndona. In „Kein Weg ist länger als der Weg vom Kopf zum Herzen“ gewann sie einen der beiden Preise in der Jugendkategorie des exil-Literaturpreises 2013, eines Preises bei dem übrigens vor Jahren heute so renommierte Schriftsteller_innen wie Julya Rabinowich oder Dimitré Dinev ihre ersten Auszeichnungen einheimsten.

Vielsprachig

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Gracia Ndona
Ndona erzählte im Gespräch mit dem Kinder-KURIER, das gemeinsam mit Jana Ribarich, einer Vorjahrssiegerin des mehrsprachigen Redebewerbs „SAG’S MULTI!“ geführt wurde, dass sie mit Kikongo und Französisch aufgewachsen ist und schon sehr lange – ausschließlich auf Deutsch - schreibe. „Was früher nur ein täglicher Tagebucheintrag war, entwickelte sich zu einer Leidenschaft. Zunächst waren es fiktive Geschichten“ doch nun schreibt die Jugendliche über Themen mit denen sie im alltäglichen Leben konfrontiert wird/ist. Ihre Geschichten entstehen „meistens in einem Fluss“.
Meist ist erst einmal die Idee im Kopf, „was ungefähr in der Geschichte sein soll. Fix ist das Ende und der Anfang. Dann wenn ich mich hinsetze, fließt’s und die Geschichte wird lebendig.“ Ist der Text einmal fertig, „ändere ich aber noch 1000 Mal etwas“.
Derzeit arbeitet die mittlerweile junge Erwachsene an einem neuen Stück. „Diese Geschichte war schon immer in meinem Kopf“, so Ndona. Sie hofft, nach ihrem Studium ein Buch zu veröffentlichen.

Mehr Kulturen

Auch ihre Co-Gewinnerin, Amina Mahdy, setzt sich in ihrem Text „In Between, Mein Leben in zwei Kulturen“ mit genau diesem Thema auseinander, mit einigen witzigen Szenen. Sie konnte leider an der Preisverleihung am Ende der Messe "Buch Wien" nicht teilnehmen.

Gruppenpreis

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Schüler_innen des Wiener Piaristengymnasiums, Gewinner_innen des Schulgruppenpreises
Der Gruppenpreis ging an Schüler_innen des Piaristengymnasiums (das übrigens auch Gracia Ndona besucht hatte). Ihre Arbeit setzt sich aus vielen kürzeren Geschichten zusammen – einzelnen Texten von „schreibwütigen“ Kindern und Jugendlichen aller Schulstufen, die sie teilweise in Workshops mit Autor_innen wie Julya Rabinowich nach dem professionellen Feedback überarbeiteten. Das Thema lautete „von gestern auf morgen“. Dieses Thema wurde aber natürlich von jedem Schüler und von jeder Schülerin anders interpretiert. So entstanden die verschiedensten Aufsätze.

Die Projekt-betreuende Lehrerin hatte der Klasse bis zuletzt verschwiegen, dass sie Geschichten eingereicht hatte. Umso größer waren schlussendlich die Überraschung und die Freude – aber auch die Enttäuschung. Der Verlag hatte alle eingelangten im Preistexte-Buch abgedruckt, aber die Lehrerin hatte nicht alle Texte abgeschickt ;(

So fehlt etwa Melina Cernes lange Reise von Wien nach Graz – „zu meiner besten Freundin, die ist nämlich dorthin übersiedelt“. Sie hat die Workshops und die Möglichkeit, Texte zu verbessern genossen. „Es war gut, dass man weiß, was man vielleicht weglassen oder besser formulieren kann“. Andere schätzten das Reden über Texte nicht so sehr. Philip Stöger etwa aus der 8. Klasse, der schon das fünfte Schuljahr hindurch „kreatives Schreiben“ besucht, meint, er „schreibe lieber als darüber zu reden“.

Mitarbeit: Jana Ribarich

Hier geht's zur Ausschreibung für die Preise 2014

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Gracia Ndona
Kein Weg ist länger als der Weg vom Kopf zum Herzen
Sie hatte außer Acht gelassen, dass sie wieder versucht hatte, anders zu sein. Sie hatte nicht daran gedacht, dass sie sich die Mühe gemacht hatte, sich anzupassen und sich dadurch erst anders gefühlt hat. Das junge Mädchen hatte probiert anders zu sein als sie selbst.
Sie hatte erlaubt, dass sie sich, aufgrund ihrer Geschichte, die anders war, auch so fühlte. Sie hatte sich eingeredet, dies den Menschen erklären zu müssen. Kaum war ihre Welt in Ordnung gewesen, hatte sie sich geändert. Auf ihrem Weg hatte sich das Mädchen ein inneres Chaos kreiert…
Die Tatsache, sich mit verschiedenen Menschen in unterschiedlichen Sprachen unterhalten zu können, war eine positive und die konnte man ihr nicht nehmen, auch nicht, wenn ihre Aussprache sich von der anderer Menschen unterscheiden mochte….
Es war eine gegebene Wahrheit, dass sie es war, doch konnte sie sie nun als einen Vorteil sehen.
Das junge Mädchen hatte endlich ihr Ziel erreicht, die Reise beendet – den Weg von ihrem Kopf zu ihrem Herzen erreicht. Nun war ihr bewusst, wer sie war und sie würde nicht mehr zulassen, dass ihre Gedanken sich ihr in den Weg stellten. Sie konnte jetzt die Teile ihrer Geschichte verbinden…“
Gracia Ndona

In Between, Mein Leben in zwei Kulturen

Nicht dass ich denen irgendetwas getan hätte. Wirklich nicht.
Es ist auch nicht so, dass ich nicht genug Deutsch könnte. Ganz und gar nicht. In meiner Klasse war ich immer die Beste in Deutsch. Es ist einfach deswegen, weil mein Haar nicht vom Frisör, sondern von Natur aus gelockt ist, und meine Haut nicht im Solarium braun geröstet, sondern deshalb getönt ist, weil Papa dunkelhäutig ist…

Eines Tages hatte ich ein sehr treffendes Bild vor Augen: Ein Gegenstand, von zwei Seiten betrachtet, kann zwei unterschiedliche Bilder ergeben. Ist deswegen eines der beiden Bilder falsch? Natürlich nicht. Im Gegenteil. Beide Bilder zusammen ergeben ein vollständigeres Bild des Gegenstandes. Genauso verhält es sich mit Ansichten. Die Österreicher haben ihre Perspektive – die Zuwanderer eine andere. Wäre es nicht eine schöne Vision, beide Perspektiven zu einem erweiterten Horizont zusammenzufügen? Könnte ich einen Beitrag dazu leisten?
Amina Mahdy

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