Wer oder was ist fremd?
Rosa, blau, orange und grün – die verschiedenen Farben der Eintrittskarten teilen die Besucher_innen nicht nur zwecks Gleich-Verteilung auf die vier Seiten des Projektraums im Wiener WuK auf. Die Mitarbeiter_innen bei der Kassa treffen ihre Farbwahl für die Gäste nach groben äußerlichen Kriterien – Vorurteilen. Um solche, vor allem Frauenbilder zwischen Orient und West - dreht sich die rund einstündige Performance „FremdKörper – The social life of strange“.
Wächterinnen mit an Kettenhemden erinnernden Oberteilen und Gesichtsverhüllungen sorgen für den kontrollierten Einlass, eine weitere – nicht verhüllte – streng wirkende Frau stempelt die Eintrittskarten auf einem Podest, das später zur Bühne werden wird. Kontrollgänge vor den rundum angeordneten Zuschauer_innen.
Neue Feindbilder
„C – A – F – F – E – E, trink nicht so viel Kaffee, nicht für Kinder ist der Türkentrank... sei doch kein Muselman, der ihn nicht lassen kann...“ – ein altes Kinderlied – gesungen von der Abstemplerin und später noch als Musikerin in Erscheinung tretenden „Oberaufseherin“ Golnar Shahyar verstärkt die Stoßrichtung der Auseinandersetzung rund um das seit 9/11 aufgebaute Feindbild nachdem der einstige „Osten“ abhanden gekommen ist.
In der Folge tanzen Meyaseh Khodad und Nora Pider - Zweitere in hohen Stiefeln, erstere in coolen Sneakers mit bunten Leuchtpunkten – rund um die und auf der Bühne. An einem Ende Stufen und Vierkant-Rohre und am anderen eine zur Lampe umfunktionierte Trockenhaube und ebenfalls, aber kürzere Vierkantrohre verleihen der gesamten Stahlkonstruktion mit wenig Holzverkleidung von den Längsseiten aus betrachtet das Aussehen einer auf allen Vieren knienden Frau. Es wird also oft auf ihrem Rücken herum getanzt, manchmal auch getrumpelt (!).
Blicke auf Frauen(körper)
Zuguter letzt funktionieren die beiden Tänzerinnen die Trockenhauben-Lampe – gleichzeitig der „Kopf“ der knienden Frau – in einen Spiegel um – Selbsterkenntnis obendrein mit Blick auf die Tanz- & Performance-Partnerin...
Langer Prozess
„Das Aufeinandertreffen“, so insbesondere Nora Pider, „war dann heftig, da hat’s richtig geklescht“. Dabei waren/sind die Ansichten der beiden Tänzerinnen gar nicht so verschieden, denn die Meyaseh Khodad, deren Familie aus dem Irak kam, ist in (Nieder-)Österreich aufgewachsen. Dafür gestand Ulduz Ahmadzadeh, die mit Mitte 20 aus dem Iran hierher kam, sei es nicht leicht gewesen, mit einer Tänzerin aus dem „Feindesland Irak“ zu arbeiten. Immerhin gab es zwischen 1980 und 1988 Krieg zwischen den beiden Ländern. Alle Differenzen wurden aber natürlich bald überlagert von der Gemeinsamkeit zu eben diesem Thema „Fremd“ sowie (Frauen-)„Körper“ zu arbeiten. Mit der Erkenntnis, das Fremde liege vor allem in sich selbst, im Betrachten/Spüren des/der anderen - DER Schlüssel schlechthin zum Verständnis, zum Herausfinden der Gemeinsamkeiten und letztlich zur Verringerung von Ängsten.
FremdKörper – The social life of strange
Regie & Choreografie: Ulduz Ahmadzadeh
Konzept: Ulduz Ahmadzadeh, Meyaseh Khodad
Komposition & Arrangement: Golnar Shahyar
Performance & künstlerische Mitarbeit: Meyaseh Khodad, Nora Pider, Golnar Shahyar
Bühne & Raum: Till Jasper Krappmann
Kostüm: Iva Ivanova
Licht & Technik: Jan Paul Wielander
Produktion & Assistenz: Nora Pider, Gerlinde Roidinger
Grafik & Design: Till Jasper Krappmann, Peter Oroszlany
Wann & wo?
30. Jänner 2017, 19.30 Uhr
WuK/Projektraum
1090 Währinger Straße 59
Telefon: (01) 401 21-0
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