Diesen Kindern wird das Leben gestohlen

"Täter", Ateliertheater
„Täter“ - ein Stück zum Thema sexuelle Ausbeutung von Kindern („Missbrauch“) von einer jungen Gruppe im Wiener Ateliertheater.

Minutenlang, ja eine gefühlte Ewigkeit, nämlich solange bis alle im Publikum ihre Plätze eingenommen haben, steht der junge Mann mitten auf der Bühne. Starr, schier unbeweglich aber nicht wie ein Fels in der Brandung. Er strahlt Dahinvegetieren, nicht Leben, sondern maximal Überleben, ein Häuflein elend, eine zerstörte Existenz aus. Ähnlich die junge Frau einige Schritte dahinter, im Bühnenhintergrund, die in der Hand etwas hält, das wie ein Eis-Stanitzel wirkt. Am – vom Publikum aus – rechten Bühnenrand sitzt der Tontechniker, der live von hier aus Geräusche und Musik steuert. Als nun alle sitzen, ertönt das Geräusch von fallenden Tropfen. Wasser? Blut? Immerhin heißt das stück „Täter“ - von Thomas Jonigk und es dreht sich um sexuelle Ausbeutung von Kindern, zumeist „Missbrauch“ genannt, als ob es hier auch Gebrauch geben könnte.

Fast unaushaltber berührend

Petra und Paul, so die beiden jugendlichen Hauptfiguren des Stück, treffen einander zufällig auf einem alten, aufgelassenen Bahnhof. Beide tragen sich schon seit Längerem mit Gedanken, ihren Leben ein Ende zu setzen. Weil sie es nicht mehr aushalten. Von frühesten Kindesbeinen an – die eine vom Vater, der andere von der Mutter zu sexuellen Handlungen genötigt. Und dennoch lieben sie ihre jeweiligen Elternteile. So wie es in der Realität auch oft vorkommt. Die Peiniger_innen, in der überwiegenden Mehrzahl Männer, nutzen das Vertrauensverhältnis. Hier ist am ehesten tatsächlich der Begriff Missbrauch angebracht. Und gleichzeitig gewähren sie dabei aber ihren Kindern – oder wie in vielen Fällen anderen nahen Verwandten wie Nichten usw. - auch Zuwendung, scheinen diese oft auch wirklich zu lieben. Was vielen Opfern auch die Distanzierung schwer macht, weil sie sich zwischen Abscheu und Ekel auf der einen Seite und Liebe auf der anderen hin und her gerissen fühlen.

Sehr arg, glaubhaft fast unaushaltbar stellen Magdalena Mikesch und Marius Zernatto, zwei relativ frisch absolvierten Theaterstudierende, die beiden Jugendlichen dar. Der Text des Autors redet nicht um den heißen Brei herum, nennt die Dinge klar und deutlich beim Namen.

Zu eindimensionale Täter_innen

Diesen Kindern wird das Leben gestohlen
"Täter", Ateliertheater

Ein bisschen schwierig gestaltet sich nur die zweite Seite, die der Liebe zu den jeweiligen Elternteilen. Da sowohl Petras Vater als auch Pauls Mutter vielleicht im Wollen, diese Taten eindeutig anzuprangern, ein wenig zu eindimensional, zu nur böse daher kommen. Die zweite Seite, die der Zuwendung, ist kaum zu spüren. Deshalb ist auch das Ende, wo alle gemeinsam nach hinten abgehen, ein wenig verstörend.

Gut, genau die Ambivalenz, des nicht leichten Loskommens, sollte dargestellt werden, kein „Happy End“ bei dem die beiden Jugendlichen, die im gleichen Opferschicksal erstmals echte Vertraute finden, gemeinsam weggehen und ihre Peiniger_innen verlassen. Da bietet sich ein offenes Ende wirklich eher an. Aber das gemeinsame Weggehen?

Diesen Kindern wird das Leben gestohlen
"Täter", Ateliertheater

Tätervon Thomas Jonigk

ensembledistract

Paul: Marius Zernatto Petra: Magdalena Mikesch

Karin, Petras Mutter: Claudia Marold Erwin, Petras Vater: Thomas Weissengruber Magda, Pauls Mutter: Elke Hagen

Karl, Rechtsanwalt: Raoul Rettberg Karls Tochter/Assistenz: Verena Punz

Stimme Frau Doktor: Gabriele Gold

Stimme Schaf/Schäferin: Katharina Kos

Regie: Tobias Schilling Musik, Audio-Operator: Tany „Pinguin“ Gabriel Assistenz: Lisa Sigismondi

Lichtdesign: Florian Scherz

Bühnenbild: Hubertus Tichy

Skulpturen: „Kunst zwingt Rost“ - Helmuth Hammel

Foto für Plakat & Flyer: Cornelia Gillmann

Bühnenprobenfotos: Alexander Müller Grafik und Layout: Severin Mikesch

Gesamtleitung: Magdalena Mikesch und Marius Zernatto

Wann & wo? 14./15. Oktober Atelier-Theater, 1070, Burggasse 71 Telefon: 0676 537 60 60

info.distract@gmail.com

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