Wohn- & Schulcontainer statt Zelte

Wohn- & Schulcontainer statt Zelte
Flüchtlingshilfe: Austro-syrische Community organisiert private Hilfe für Tausende Menschen im Libanon und der Türkei

Siba Auf, 15-jährige Gymnasiastin aus Wien, half in den vergangenen Sommerferien ein paar Tage in einem syrisches Flüchtlingslager im Libanon mit. Sie betreute Kinder. In einem sehr persönlich gehaltenen Beitrag – auf Deutsch und Arabisch - beim mehrsprachigen Redebewerb „SAG’S MULTI!“ resümmierte sie: „Mir ist aufgefallen, wie behütet wir hier in Österreich leben und dass wir alles haben, was wir brauchen. Wir müssen uns keine Sorge um das Essen unserer Familie machen oder jede Sekunde in Angst leben, einen geliebten Menschen zu verlieren. Leben wir aber dennoch in Zufriedenheit?
Wir bekommen von dem was passiert nur sehr wenig mit. Aber nur weil wir es nicht sehen, nicht sehen wollen, heißt es nicht, dass diese Szenen gar nicht existieren und wir dafür keine Verantwortung tragen und mitfühlen sollen.“

Mit der Familie

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In den vorjährigen Sommerferien flog sie – gemeinsam mit ihrer Familie – in den Libanon, wo ihre Eltern die Niederlassungen der Hilfsorganisation für Flüchtlinge aus Syrien besucht haben. Ein paar Tage hat sie selbst in einem der Camps von IHR (International Humanitarian Relief) mitgearbeitet. Zwei Jungreporterinnen des Kinder-KURIER, die Siba Aufs und anderen mehrsprachigen Reden lauschten, waren vor allem davon beeindruckt, wie das Mädchen davon berichtete, „wie sich das Leben dort angefühlt hat und sich ihre Ansichten enorm verändert haben. Ihre Perspektive ist jetzt anders und sie schätzt jetzt mehr, was sie besitzt.

Siba schwärmte von den Menschen, die trotz ihrer Verluste noch lächeln konnten und den magischen Momenten, an denen sie diese Freude mitfühlen konnte. Wie das Leben hier und dort aussieht. Wie manche jeden Tag mit heißem Wasser baden und andere Kilometer weit gehen müssen, um Trinkwasser zu finden. Siba brachte alle dazu, nachzudenken. Jeder Anwesende in diesem Raum war sprachlos und durch ihre bewegende Rede haben wir unseren Besitz mehr zu schätzen gelernt“, resümierten Amber Ward und Shinkay Mangal.

Glücklich?!

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Aber noch was ist Siba Auf – erst später in der Reflexion – aufgefallen: „Während ich dort den Kindern geholfen habe, ist mir aber nicht aufgefallen wie glücklich ich eigentlich unter ihnen war. Ich konnte es auch nicht erklären, warum. Warum war ich glücklich? Sollte ich nicht eigentlich traurig sein? All diese Leiden zu sehen und zu wissen, dass es Realität ist, dass das die nackte Wahrheit ist, das sollte ja nicht glücklich machen, oder?
Das tut es auch wirklich nicht. Was gibt mir dieses Gefühl sonst?

Zufriedenheit

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Das Helfen, das gibt mir diese Zufriedenheit. Diese Kinder haben mir Energie geschenkt. Sie haben mich jedes Mal mit ihrem Lächeln angesteckt. Jedes Mal und das obwohl sie wirklich fast alles verloren haben. Dieses Gefühl lässt sich nicht beschreiben und ist mit nichts zu vergleichen, aber es ist faszinierend, wie diese Menschen mich, nicht, mit dem Mund, sondern mit strahlenden Augen lächeln lassen. Das ist wahre Zufriedenheit.

Das Leben lässt sich nicht in Jahre zusammenfassen, sondern in die Anzahl der erlebten Mitgefühle. Ich habe erst jetzt verstanden, warum Leute die alles haben, aber nichts für andere leisten, keine Zufriedenheit finden können.“

Klein begonnen

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Was aber hinter der Initiative steckt, diese Organisation praktisch fast „nur“ privat auf die Beine gestellt hat, beginnt sich erst in einem Gespräch mit der Familie Auf zu erschließen. Die Rede der Jugendlichen war Anlass, sie in ihrem Wiener Wohnhaus zu besuchen – „wir sind erst dabei, ein Büro aufzubauen“, meint Maian Auf. Siba, ihre ältere Schwester Fifo (20), die Brüder Tarek (17) und Faris (7) sind allesamt in Wien geboren und aufgewachsen. Mutter Maian und Vater Amer kamen vor Urzeiten aus dem syrischen Homs nach Österreich, er studierte in Graz Bauingenieur und sie in Wien Wirtschaft.

Beide Kulturen

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Ihre Kinder zogen sie zweisprachig auf. 2010 „wollten wir unseren Kindern die Chance bieten, die syrische Kultur auch wirklich zu erleben, näher kennen zu lernen“, begründet Maian auf die in der Familie getroffenen Entscheidung, „für ein Jahr nach Syrien zu gehen, danach sollten die Kinder entscheiden, ob sie weiter in Syrien bleiben oder wir als Familie wieder zurück nach Wien übersiedeln.“ Schon vor Beginn des Schuljahres im September ging’s nach Homs. „Die Schule dort ist schon härter, sehr viel strenger“, erinnert sich Tarek. Für Fifo war’s am schwierigsten, sie war damals in der sechsten. Siba hat sich leicht getan. „Nach drei Monaten hab ich mich eingewöhnt, alles kein Problem“.

Rausgedrängt

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Das Problem wurde von außen – nicht nur – an die Aufs herangetragen, ihnen aufgezwängt. Ab März begannen die Auseinandersetzung zwischen protestierenden und Regime. „Dass überall viel Militär zu sehen ist, waren wir schon gewohnt“, so Tarek. „Aber dass dann auf einmal mitten in der Nacht immer wieder Schüsse zu hören waren, das hat schon Angst gemacht.“

Gleich zurück gehen oder doch (noch, wie lange) bleiben – diese Fragen waren Dauerthema. „Nach ungefähr einem Monat haben wir entschieden, zurück zu gehen, die Sicherheit unserer Kinder stand im Vordergrund, auch wenn wir damit allen anderen Verwandten in unserer Familie sozusagen den Rücken zukehrten“, fasst Maian zusammen. Genauso klar aber war für die Aufs, „wenn wir wieder im sicheren Wien sind, wollen wir helfen.“

Ausweitung

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Aus der ursprünglich privaten Hilfe wurde rasch die Organisation IHR aufgebaut, bei der viele Geschäftsleute und ÄrztInnen aus Syrien mitwirken, aber auch andere Menschen dazu stießen und über Basare und andere Aktivitäten Spenden sammeln. Zuerst half IHR direkt in Syrien, als die Zahl der syrischen Flüchtlinge im Libanon – weit mehr als eine Million Menschen - und in der Türkei stark zunahm, wurde die Hilfe auf diese Zufluchtsorte ausgedehnt. Getragen war die Unterstützung immer vom Grundgedanken, weniger Sach- als Geldspenden zu sammeln. Mittlerweile ist es auch gelungen, ganze Container mit Hilfsgütern wie Winterkleidung, Schulsachen, medizinische Geräte, Medikamente und sogar ein Rettungsauto in Containern in die Region zu bringen.

Stabiler

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„Wenn man sieht, wie Menschen in Zelten internationaler Organisationen sogar erfrieren, war für uns klar, wir wollen stabilere Unterkünfte schaffen. So kamen wir auf die Idee mit den Containern. Außerdem wollen wir damit die Perspektive der Rückkehr offen lassen, auch wenn das leider aller Voraussicht nach noch sehr, sehr lange dauern wird.“ Mindestens 170 Familien leben mittlerweile in solchen Containern, die innen auch mit einer Art Styropor isoliert sind, um Kälte bzw. Hitze zu trotzen.

Schulen

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Das Zweite, das sich aufdrängt(e): „Hunderttausende Kinder und Jugendliche haben jetzt schon ein paar Jahre keine Schule besucht. Die Schulen des Libanon (keine 6 Millionen Einwohner_innen, deutlich mehr als eine Mio. syrischer Flüchtlinge) sind natürlich überfordert. Also wurden – vor allem aus ebensolchen Containern – Klassenräume errichtet. „Mathe, Arabisch, Englisch und ein allgemein wissenschaftlicher Unterricht sowie Ethik sollen möglichst viele Kinder und Jugendliche genießen. Drum wird bei uns auch in zwei Schichten unterrichtet, die einen am Vormittag, die anderen am Nachmittag.“ LehrerInnen sind nicht zuletzt auch geflüchtete Lehrkräfte, wenn Not an der Frau oder dem Mann ist, lehren andere Flüchtlinge mit entsprechenden Kenntnissen. Ein halbes Dutzend Schulen für 12. bis 18.000 Schüler_innen wurden von IHR errichtet. Mehr als 250 Menschen fanden und finden Arbeit bei der Hilfe für Flüchtlinge, für die lokale Organisation wurden zwei Büros im Libanon und zwei in der Türkei wohin auch viele Menschen aus Syrien geflüchtet sind, aufgebaut.

www.ihrelief.org

Spendenpakete
Gut 12.000 Kinder syrischer Flüchtlinge im Libanon können dank einer zuerst klein von Wien aus gestarteten privaten Initiative, die sich mittlerweile zu einer umfangreichen Organisation entwickelt hat, eine Schule besuchen.

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Hunderte geflüchtete Familien müssen nicht in wind- und wetterabhängigen Zelten frieren oder schwitzen, sondern können in stabilen Containern wohnen. „We Will Be Back/ Aidoun“ nennt sich das zuletzt genannte Programm. „Wenn sich die Lage in Syrien hoffentlich endlich wieder beruhigt haben wird, können diese Menschen ihre Container-wohnung mit einem Truck mit in die ehemalige Heimat mit nehmen, ihre Häuser sind ja höchstwahrscheinlich alle zerstört.“

Spendenpakete sind in leicht fassliche, gut überschaubare Pakete unterteilt: Lebensmittelkorb (20 €), Winterpaket (25€), Patenschaft für Waisenkinder (45€) …

Internationale Kooperation

IHR (International Humanitarian Relief) heißt diese Organisation, initiert aufgebaut und geführt von Österreicher_innen mit syrischen Wurzeln. Mit praktisch null (0!) Verwaltungskosten, Spenden, die im privaten Kreis gesammelt wurden und werden. Die geleistete Arbeit ist so solide, dass mittlerweile große supranationale Organisationen wie das World Food Programm (das Welternährungsprogramm der UNO) oder das Rote Kreuz die Partnerschaft suchten.

AT971515000501273536
Oberbank AG
BIC: OBKLAT2L

www.ihrelief.org

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