Sockenzeitung für Freiheit

Szenenfoto aus "Eine Hand voller Sterne"
"Eine Hand voller Sterne" - berührend-bewegende Theaterversion nach Rafik Schamis (Jugend-)Tagebuch-Roman im Dschungel Wien.

Vor fünf Säulen, die vom Bühnenboden bis fast zur Decke reichen, spielen vier Schauspieler_innen eine verdichtete Version von Rafik Schamis Tagebuch-Jugendroman „Eine Hand voller Sterne“. Die fragilen, leicht beweglichen „Säulen“ wecken Assoziationen mit aufgestellten Förderbändern in Zeitungsdruckereien, andere sehen in ihnen weit aufgeklappte Bücher.

Papier und die Wahrheit

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Szenenfoto aus "Eine Hand voller Sterne"

Die einzelnen Teile bestehen aus Papier. Das Bühnenbildner_innen-Duo ließ sich dazu von einem der ersten beschriebenen Bilder in Schamis Buch inspirieren. Da erzählt Onkel Sahim, der weise Mann, der weder lesen noch schreiben kann, dem15-jährigen, dessen Name nie vorkommt, der aber die Hauptfigur ist, über die wunderbare Erfindung des Papiers durch die Chinesen – sie haben es „möglich gemacht, dass die Kunst des Lesens und Schreibens für jedermann zugänglich gemacht wurde. Sie brachten die Schrift von den Tempeln der Gelehrten und den Palästen der Könige auf die Straße.“

Schreiben und lesen, ja lernen überhaupt hat es dem 15-Jährigen angetan. Sohn eines Bäckers, will er unter keinen Umständen in die Fußstapfen seines Vaters treten, sondern – trotz manch unguter Lehrer – in eine weiterführende Schule gehen. Und Journalist werden. Seine Hauptbezugsperson ist der schon genannte Salim, der ihm auch diese Idee sozusagen einpflanzt. Auf seine Frage, was denn überhaupt ein Journalist sei, meinte der Onkel: „ein kluger und mutiger Mensch. Er hat nur ein Stück Papier und einen Bleistift und damit macht er einer Regierung mir ihrer Armee und der Polizei Angst.“

Was der Junge natürlich heftig in Zweifel zieht: „Jeder Schüler besitzt das, und wir schinden damit nicht einmal beim Pförtner in der Schule Eindruck.“

„Ja, er macht der Regierung Angst, weil er immer auf der Such nach der Wahrheit ist...“

Gefühlsstark

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Szenenfoto aus "Eine Hand voller Sterne"

Die vier spielen – in immer wieder wechselnden Rollen Salim, den zentralen Jungen und vor allem Nadia, in die die Hauptfigur verliebt ist – und sie in ihn, sowie weitere Personen, nicht zuletzt einen sogenannten Irren, der mit Vögeln spricht. Die Stückversion pendelt zwischen den aufkeimenden, zaghaften und dann herrlich erlebten Gefühlen, die dazwischen auch von Unsicherheiten in Zweifel gezogen werden und der Suche nach, dem Kampf um Freiheit in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Der Roman des in Syrien geborenen, seit Jahrzehnten in Deutschland lebenden Erfolgsautors erschien übrigens erstmals 1987 (!).

Freiheit - Azadi - Houria

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Nach der Premiere: Regisseurin und Co-Bühnenbildnerin zeigen ein Transparent mit einer logischen Folgerung aus der Geschichte des Romans und Stücks

Der Vater wird kurzfristig von der Geheimpolizei des Regimes verhaftet und gefoltert – Angst legt sich über die Familie. Dennoch verfolgt der 15-Jährige seinen Traum. Er tüftelt, wie die Wahrheit, der Drang, das Streben nach Freiheit (in 50 Sprachen wird dieses Wort auftauchen), trotz aller Widernissen verbreitet werden könnte. Und gebiert die Idee, Zeitungsartikel als Papierschnipsel in Socken zu verstecken, die billigst auf dem Basar verkauft werden. Vor allem sollten sie verschiedene Fragen enthalten, die die Leserinnen und Leser zum eigenständigen Denken anregen, etwa „wie viele Kilo Brot kostet ein Panzer?“ und ähnliche...

Anknüpfend an die Solidaritätsdemo zu der sich der Begräbniszug für den verstorbenen Onkel Salim – trotz behördlicher Ausgangssperre auswächst, zeigen Regisseurin und die Co-Bühnenbilnderin beim Applaus nach der bewegenden, berührenden, immer wieder auch vom Witz des Originals durchzogenen Premiere ein Transparent: „Rassismus tötet“

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Szenenfoto aus "Eine Hand voller Sterne"

Eine Hand voller Sterne

von Rafik Schami, ab 13 Jahren, eine Stunde Theater ISKRA

Autor: Rafik Schami Bühnenfassung: Miha Kristof, Nika Sommeregger Regie: Nika Sommeregger

Darsteller_nnen: Angela Ahlheim, Franziska King, Christian Krall, Dominik Jedryas

Bühnenbild: Peter Ketturkat Bühnenbild Assistentin: Karin Bayerle Bühnenrechte: Julius Beltz Verlag, Weinheim

Wann & wo?

Bis 14. Mai Dschungel Wien, 1070, MuseumsQuartier Telefon: (01) 522 07 20-20www.dschungelwien.at

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