Schuldig oder nicht, ist das hier die Frage?
Ein Klassiker – zunächst im Fernsehen, danach als Kinofilm, später in etlichen Theaterversionen – das sind "Die 12 Geschworenen". Nur zwei Tage gastiert das Theaterhaus Stuttgart mit einer spannenden, dichten, mitreißenden Fassung in der Garage X am Wiener Petersplatz. Das Gastspiel läuft im Rahmen der Reihe "Pimp my integration", in deren Zusammenhang immer wieder der Begriff "postmigrantisch" fällt. Und meist begleitet mit mit großen Fragezeichne, was das sein könnte. Nun, die Stuttgarter Fassung des Klassikers um Vorurteile, Voreingenommenheit und intensive, nachvollziehbare, nie aufgesetzte Diskussion darüber könnte eine, vielleicht sogar DIE Antwort sein. Ein klassisches Stück, bei dem es sich nie vorrangig um Migration geht. Aber das 13-köpfige Ensemble von Schauspielerinnen und Schauspielern aus Deutschland hat Herkunftsländer von der Türkei bzw. dem Kurdengebiet dieses Landes über Kasachstan, Eritrea, Kenia, Liberia bis zum Kosovo, die Niederlande, Deutschland, die Schweiz und Österreich. Herkunft egal. Multikulturalität normal. Das ist im übrigen in diesem Stuttgarter Theaterhaus seit 1990 (!) bewusst gewählter Weg. "immerhin arbeiten wir in jener deutschen Stadt mit dem höchsten Migrationsanteil, 30 Prozent", meint Regisseur und Theaterleiter Werner Schretzmeier zum KiKu.
Vatermörder?
Der Grundplott: Junger Mann soll seinen Vater erstochen haben. Sechs Tage lang dauert der Prozess. Das Stück beginnt damit, dass der Justizbeamte die Tür öffnet und die 12 Geschworenen in den abgeschlossenen Raum führt, wo sie ihr Urteil schuldig oder nicht schuldig fällen müssen. Alles scheint klar zu sein. Für (fast) alle. Nur Geschworener Nummer 8 bringt Zweifel an. Zunächst "nur", ob man sich wirklich so sicher sein könne. Ein "schuldig" bedeute immerhin den elektrischen Stuhl und damit die Todesstrafe für den 18-Jährigen. Unterschiedlichste Typen treffen aufeinander. Das ist Nummer 3, der auf die Zeugenaussagen und die Indizien pocht, Nummer 11, der schlicht und ergreifend die Verteidigung des Angeklagten mit der Bemerkung wegwischt, "Leute aus diesem Viertel lügen doch alle…" Andere, wie Nummer 7 wollen einfach schnell ein Ergebnis, er möchte nämlich möglichst rasch zu einem Match…
Dynamik zu spüren
Die Stutgarter Version führt im Übrigen auch zwei Frauen ein – eine der weiblichen Geschworenen gibt im stück eine Zuwandererin und wendet sich gegen die Vorverurteilung der Leute aus solchen Vierteln, weil sie derartige Diskriminierungen aus eigener Erfahrung kennt.
Überzeugend, voll glaubhaft spielen die 12 Bühnen-Akteur_innen ihre unterschiedlichen Rollen, lassen auch die Dynamik hautnah spüren - vom ersten zögerlichen Zweifel von Nummer 8 bis hin zu heftigen Für und Wider rund um die scheinbar unumstößlichen "Beweise". Manche Geschworene beginnen Argumente abzuwägen, andere wischen sie weg, die eine, der andere schließt sich den Zweifeln an, andere freunden sich damit an, echt an die Unschuld des Angeklagten zu glauben… Wer die Vor-Bilder kennt, weiß auch, wie die Geschichte ausgeht. Wer nicht, kann sich’s vielleicht denken. Aber das Ende ist trotz allem weit weniger wichtig, wie die gekonnte Darstellung des Prozesses um den Prozess.
Infos
Die 12 Geschworenen
Eine Produktion des Theaterhauses Stuttgart
Inszenierung: Werner Schretzmeier
Mit: Alma Gashi, Larissa Iwlewa, Emre Akal, Imam Cagla, Ufuk Cakmak, Levent Gürsoy, Irfan Kars, Özcan Cosar, Yavuz Köroglu, Hank Märkle, Brian Mebert, Ismail Yavuzkurt, Günter Brombacher
Samstag, 28. Jänner, 20 Uhr
Garage X, 1010, Petersplatz 1
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