Lüge, Leben, Aussteigen?

Lüge, Leben, Aussteigen?
"Die Wette" - spannendes Jugendstück mit Musik im DschungelWien

Inmitten einer von stilisierten Autoteilen dekorierten Bühne tritt Ulrich Schwan (Helge Salnikau), genannt Ulli, auf. Bevor er in seine Rolle schlüpft gibt er den kommentierenden Erzähler, philosophiert übers Lügen. Vielleicht auch eine Spur zu lang und lehrmeisterlich. Dann Sprung ins Geschehen.
Zunächst sei der Plott zusammengefasst: Treffen von vier Freund_innen, die zehn Jahre nach dem (vermeintlichen?) Tod eines fünften aus ihrer Runde zusammenkommen. Alle hatten Post von Felix Schreiber bekommen - samt Fotos aus ihrem Leben in den Jahren seit dem "Unfall" und einer CD mit Felix' Stimme. Der passierte bei der Ausführung einer Wette, die dem Stück den Titel gab. Mit einem tollen Flitzer über einen zugefrorenen See fahren. Die Briefe halten sie anfänglich für böse Scherze von Unbekannten, reden eher noch darüber, wer die Wahnsinnsaktion und damit den Tod verhindern hätte können, geraten darüber in Streit. Thematisieren auch die Lügen, die sie sich ausgedacht hatten, um die ganze Sache zu vertuschen und unbehelligt weiter leben zu können.

Traum von Freiheit

Lüge, Leben, Aussteigen?

Als Catie Oh (Yap Sun Sun), die coole und doch voller Emotionalität steckende US-amerkanische Kunststudentin, den "verstorbenen" Felix als Dany, den sie in Los Angeles getroffen hat, outet, steht kurz vor allem im Zentrum, dass Felix den Mut hatte, alles hinter sich zu lassen, "nur" um ein neues Leben zu starten, befreit von den alten Zwängen und Verpflichtungen...
Dafür bewundert - und liebt(e) - ihn vor allem Erika Sobietzky (Alexandra Ava Koch), von Grundschulzeiten an wegen des damaligen Pferdegebisses "Beauty" gerufen. Mit Felix verbindet sie vielleicht den Traum an Freiheit (durch Aussteigen?), die ihr Ulli raubt. Der macht sich vor, sie zu lieben - vielmehr das Bild das er sich von ihr zurechtgemacht hat. Was sie sagt, wie sie empfindet, das behirnt er nicht wirklich.
Wolf(gang) Haberl, von Richard Schmetterer als erdiger, systemkritischer Fleischhauer (obwohl überzeugter Vegetarier), der selber gern Geschichte studiert hätte, steht voll auf Catie. Und es hat den Anschein, dass auch sie diese Zuneigung exzessiv erwidert. Ihr beider Happy end wird höchstens durch Fendrichs Schnulze "weust a Herz host wia a Bergwerk, drum steh i auf die..." - unabsichtlich - getrübt.
Schließlich bevölkert noch der reiche Schnöselsohn Rigobert "Rio" Falkenstein (Manuel Löwensberg) die Szenerie. In seinem Haus treffen sie einander, mit seinem Sportwagen war Felix "verunfallt".

Unterschiedliche...

Lüge, Leben, Aussteigen?

... Lebensentwürfe, Ziele und verschiedene Umgänge mit den Lügen(geflechten), in die sie verstrickt sind, werden verhandelt. Teils sehr gut spürbar, manchmal eher in Songs vorgetragen. Die wurden von Sue-Alice Okukubo eigens für das Stück komponiert (mit Ausnahme des Bergwerk-Gesülzes). Wobei Singen nicht unbedingt die Stärke aller beteiligten Schauspieler_innen ist und sich durchaus die Frage stellt, ob dies dann wirklich alle tun müssen...
Der Mix an spannenden Szenen, in der die Story vorangetrieben wird, (einigen der Songs) und den hin und wieder auftretenden Brüchen - raus aus der Story, kommentierende Erzählung - lassen die eineinhalb Stunden ziemlich flott vergehen. Und noch nachher über Umgang mit Lüge(n) sinnieren. Und darüber, was und wie sich Leben angesichts unerwarteter Brüche wie im Extremfall von Todesfällen, von beinahe einer Sekunde auf die andere ziemlich arg ändern kann. Oder auch nicht. "Eine Lebenslüge durch eine andere ersetzen" nennt es "Ulli". Catie lebt anders damit: "Man muss nur lernen, die Lüge zu lieben."

Infos

Die Wette
TheaterFOXFIRE & DSCHUNGEL WIEN
90 Minuten


Besetzung:
Autor: Benedict Thill
Regie, Konzept: Corinne Eckenstein
Komposition, musikalische Leitung: Sue-Alice Okukubo
Darsteller_innen: Manuel Löwensberg/Cornelius Edlefsen, Helge Salnikau, Richard Schmetterer, Alexandra Ava Koch, Yap Sun Sun
Bühne: Andreas Pamperl
Kostüme: Ulli Nö
Video: Rainer Berson
Assistenz, Dramaturgie: Cornelius Edlefsen
Lichtdesign: Hannes Röbisch (DSCHUNGEL WIEN)


Bis 29. November sowie 17. bis 20. Jänner
Dschungel Wien
1070, MuseumsQuartier
Telefon: +43-1-522-07-20/20

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