Körper sind lauter als Worte

Szenenfoto aus "where to be born" der .EVOLve Theatre Company - Gastspiel im Wiener Schauspielhaus
„Where to be born“ von EVOLve Theatre Company als Gastspiel im Wiener Schauspielhaus; jugendliche Kritik.

Anfang Juni präsentierte die EVOLve Theatre Comapany ihr neues Stück „Where to be born“ im Schauspielhaus. Die Idee des Theaterkollektivs ist es, junge Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenzubringen und ihnen in der Arbeit an einem Theaterstück eine gemeinsame Plattform zu bieten.

Gemeinsam ist den Produktionen der Gruppe, dass der Begriff Sprache weit über den reinen Umgang mit Worten hinausgeht. Dies wird einem auch ganz am Anfang ihres neuen Stückes schnell bewusst, wenn die Schauspielerin Negin Rezaie alleine in der Mitte der Bühne steht und über die vielfältigen Ausdrucksweisen unseres Körpers spricht. „Bodies are louder than words“, lautet einer der kraftvollen Sätze, den sie in das gespannte Publikum ruft.

Körper sind lauter als Worte
Szenenfoto aus "where to be born" der .EVOLve Theatre Company - Gastspiel im Wiener Schauspielhaus
Besonders laut wird es tatsächlich nach Negins Einleitung. Wenn auch nicht in Form von Worten, denn ihre sollten die einzigen bleiben, die von den insgesamt neun DarstellerInnen im Stück gesprochen werden. Laut allerdings wird es aufgrund von tänzerisch übermittelten Gefühlen, die von nun an den ganzen Raum auf geheimnisvolle Weise erfüllen.

Im Mittelpunkt steht hierbei der Körper, der im Laufe des Stücks vielfältige Formen anzunehmen scheint. Kurz nach Beginn beispielsweise wird ein Bild geschaffen, in dem die Körper der SchauspielerInnen wie leblos teilweise übereinander liegen. Langsam geraten sie schließlich in Bewegung. Zuerst nur durch intensives Ein- und Ausatmen. Noch sind sie wie eine selbstverständliche Einheit, bis die DarstellerInnen sich voneinander lösen und ihr eigener Körper plötzlich jeweils zu einem Gefängnis zu werden scheint, das sie voneinander trennt.

Eigene Grenzen überschreiten

Körper sind lauter als Worte
Szenenfoto aus "where to be born" der .EVOLve Theatre Company - Gastspiel im Wiener Schauspielhaus
Es beginnt für jeden und jede ein Kampf mit sich selbst. Als wollten sie verzweifelt aus sich ausbrechen und ihre eigenen Grenzen überschreiten, strecken sie sich in alle Richtungen. Auch versuchen sie einander wieder zu erreichen. Dann treffen sich ihre Blicke und sie strecken sich sehnsüchtig die Hände entgegen.

Ihre Beklemmung scheint in diesen Momenten für das ganze Publikum spürbar und es ist als würde ein erleichtertes Aufatmen den Saal durchdringen, wenn sie plötzlich durch Momente der Befreiung gebrochen wird. So beispielsweise wenn zwei Personen zueinanderfinden und sich innig umarmen. Doch nie ist Verlass auf eine Stimmung, immer wechseln sie einander ab und selbst in scheinbar glücklichen Momenten, scheint eine Unruhe im Hintergrund zu liegen, da man weiß, dass sie vergehen. Unmerklich und unerwartet. Es ist als würden die unterschiedlichen Gefühle selbst die SchauspielerInnen immer wieder aufs Neue überraschen und als hätten sie über sie keine Macht.

Licht-Stimmungen

Körper sind lauter als Worte
Szenenfoto aus "where to be born" der .EVOLve Theatre Company - Gastspiel im Wiener Schauspielhaus
Ein wenig Klarheit bieten nur die äußeren Faktoren. Wie das Licht, das die Stimmungen perfekt zu betonen scheint. Manchmal fällt es kühl und fast weiß auf die Bühne. Dann wieder hell, vergleichbar mit warmen Sonnenstrahlen. Auch die Geräuschkulisse wechselt zwischen nahezu mechanischen und monotonen Tönen und dann wieder lebendigeren Melodien.

Für eine Ahnung von Beständigkeit sorgen auch wenige Gegenstände, die plötzlich in den Raum hinabfallen und die zuvor zerstreute Aufmerksamkeit der DarstellerInnen in sich vereinen. Wie die weißen Tücher, die plötzlich von der Decke hängen, mit denen SchauspielerInnen beginnen auf vielfältige Weise zu interagieren. Oder der Silberregen, der auf sie hinunterrieselt.

Das Stück endet, wie das erste Bild, in einer scheinbaren Leblosigkeit. Zugedeckt von einem der weißen Tücher liegen die Körper der ProtagonistInnen bewegungslos nebeneinander. Soviel hat sich in der Zwischenzeit ereignet, so viele Gefühle und Fragen nimmt man mit, und doch, wie zu Beginn, bleibt man staunend wortlos.
Rosanna Wegenstein, 18

Zu einem Probenbericht gehts hier

Kommentare