Praktikum zwischen Superstar und Dschungelcamp

Alle fünf Schauspieler_innen im Einsatz
Sehr witzig in ein Theaterstück verpackte Informationen für Jugendliche von berufsbildenden mittleren und höheren Schulen zum Thema Pflichtpraktikum im Theater Akzent (Wien).

Ein Glücksspiel im Theater? Vor dem Eingang in den Saal im Akzent-Theater halten Mitarbeiterinnen den Gästen offene Glasbehälter hin, damit diese Zettelchen mit Nummern ziehen. Die werden später noch eine Rolle spielen. Auf der Bühne zwei aufblasbare Polstersessel auf einem Podium, links und rechts jeweils nur drei Stellwände. Lichteffekte werden daraus bunte Glitzerwelten schaffen.

Praktikum zwischen Superstar und Dschungelcamp
Cinderella und Fritzi
Eine schrill-bunte Frau erstürmt die Bühne. „Begrüßen Sie mit uns die Mooooooderaaaatooooriiin Cinderella Rockefeller“ (Doris Hindinger) ertönt aus dem Off. Eine gefühlte Ewigkeit lang kündigt die an, dass es hier und jetzt und heute um DEN Moment geht, der das Leben des oder der – „so viel Zeit muss sein!“ - einen oder anderen verändern könnte. Nämlich um einen Pflichtpraktikums-Platz – rare Ware sozusagen. 150 Stunden....

Ich möcht auch so geeeerne...

Die in einem gold-glänzenden Overall steckende Assistentin (Sophie Berger), die als Running Gag sich immer wieder selbst in Szene zu setzen sucht, schiebt einen überdimensionalen Hut auf die Bühne. Nein, nicht der Hut, der die Zauber-Schüler_innen in die vier Häuser von Hogwarts einteilt, wie die Moderatorin Harry Potter anspielt. Apropos: Alle möglichen Filme und sogar uralte TV-Shows – und sei es nur durch die Kennmelodie - werden im Verlauf der rund 75 Minuten zitiert. Aber klar, der Hut dient dazu, um Nummern zu ziehen, warum sonst hätten (fast) alle beim Reinkommen welche gekriegt?!

Streberin

Praktikum zwischen Superstar und Dschungelcamp
Cinderella und Sarah
39, 123 und 219 – das sind die 3 Zahlen aus (rund) 400 verteilten. Sarah, die Erstgezogene ist urglücklich, noch nie wo gewonnen und schon ergießt sich ein Redeschwall. Klar, die ist keine Zuschauern, sondern eine Schauspielerin (Julia Fasshuber). Alles-Wisserin, Streberin ist ihre Rolle. Und sie transportiert so nebenbei gleich in der ersten Quizrunde viel Informatives rund um Pflichtpraktika, die Jugendliche berufsbildender höherer und mittlerer Schulen machen müssen.

Ober-Macho

„Fuck, Oida“, entfährt’s dem jungen Mann mit der Nummer 123. Lässig, cool begibt er sich doch auf die Bühne, lässt den Ober-Macho mit einem Hauch von Akzent, raushängen. „Wo kommst du her?“, will die Moderatorin wissen. „Von da unten!“ – „Nein, von wo wirklich?“ – „Ich bin von draußen ins Theater rein gekommen!“ Nach weiteren Nachfragen: „Ich bin Tschetschene, die Straße ist meine Schule, Überleben mein Hobby...“ und weitere Klischees. Klar, Schauspieler (Tobias Reinthaller).

Verweigerin

Und natürlich ist auch die Besitzerin der dritt-gezogenen Nummer eine professionelle Darstellerin. Ebenso klar: sie verkörpert eine dritte Typin. Will nicht! Sag ich nicht! „Des geht di vadommt no amoi nix au, B....!“ Verweigerin. Will nicht auf die Bühne. Geht dann natürlich doch. Verrät nach eingien Hin und her auch, dass sie „Fritzi“ heißt, weil der Vater nach zwei Töchtern eigentlich einen Buben haben wollte. Ist Waldarbeiterin, hart, die beste...

Dieses Trio wird nun in einer Art Casting-Show zu verschiedenen Aufgaben genötigt – Wissens-Quiz, Bewerbungs-Parcours, „heißer Stuhl“, Team-Building – da müssen sie als Band agieren und kriegen aufblasbare Instrumente (Gitarre, Keyboard, Saxophon), eingebaute Fehler in einem eingespielten Video einer „Bloggerin“ namens Medusa Molotow (Susanne Preissl) erkennen und schließlich „Paragraphen-Dschungel“ – „Ich bin ein Praktikant, holt mich hier raus!“ (Da wär doch auch Zeit für Praktikantin gewesen ;))

Praktikum zwischen Superstar und Dschungelcamp
Die Luft-Band im Einsatz
Wirklich zum Team aber werden das Trio durch dein „Unfall“ einer Beteiligten, Konkurrenz aus. Wirklich einander helfen ist jetzt angesagt. Wie sich die Charaktere auch schon vorher mehr oder minder, früher oder später ge-outet haben, gar nicht so zu sein, wie sie sich anfangs geben, sondern sich eher nach den Erwartungen anderer darstellen.

Viele Informationen

Das Stück, das sehr viele Momente enthält, in denen lauthals gelacht wird und gängige Castings-Shows einigermaßen auf die Schaufel nimmt, vermittelt einmal auf ganz andere Art und Weise Informationen – hier eben zu Pflichtpraktika – übrigens nicht zu verwechseln mit den berufspraktischen Tagen, meist in der 7. oder 8. Schulstufe. Letzteres ist ein Reinschnuppern in Berufsfelder, ersteres verpflichten für Schülerinnen und Schüler von Handelsschulen bzw. -akademien, HTL, HBLA... Diese Pflichtpraktika sind schon Arbeitsverhältnisse für die es geregelte Arbeitszeiten, Pausen usw. gibt und die bezahlt werden müssen. Das Stück war ein Auftragswerk der Wiener Arbeiterkammer, die nach der Aufführung auch Info-Broschüren zum Thema verteilte.

Hier geht's zu einer Überblicksseite der AK-Wien mit Infos zum Pflichtpraktikum

Pflichtpraktikum? So eine Show!
Eine Produktion von Theater Jugendstil im Auftrag der Arbeiterkammer Wien

Text und Inszenierung: Holger Schober nach einer Idee von Sophie Berger und Susanne Preissl
Inszenierung: Holger Schober
Stücktext: Holger Schober nach einer Idee von Sophie Berger und Susanne Preissl

Es spielen:
Sarah: Julia Fasshuber
Beslan/Maximillian: Tobias Reinthaller
Fritzi: Clara Diemling
Moderatorin: Doris Hindinger
Assistentin: Sophie Berger

Bloggerin Medusa Molotow – via Video-Einspielung: Susanne Preissl
Lisa aus Gumpoldskirchen (Video): Alina Schaller
Stimme aus dem Off: Philipp Bernhard

Regieassistenz: Andrea Ozabalova
Kostüm: Maria Krebs
Videoeinspielungen: Bernhard Werany
Bühnenbild & Produktion: Theater Jugendstil (Sophie Berger, Susanne Preissl)

Praktikum zwischen Superstar und Dschungelcamp
Cinderella und Sarah
Wann & wo?
Bis 2. Februar 2017
Theater Akzent
1040, Theresianumgasse 18
Telefon: 01/501 65-3306
AKzent-Theater

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