Von Mozart über Tschaikowsky bis Grieg

Von Mozart über Tschaikowsky bis Grieg
150 "Sistema-Europe"-Orchester-Kids aus acht Ländern brachten Opernhalle in Istanbul zum Kochen.

Musik, bildende Kunst, gemeinsames Kochen, ein Restaurant mit sozialem Mehrwert sowie eine Schule für Sozialbetetreuungsberufe – das alles ist in der ehemaligen Ankerbrotfabrik in Wien-Favoriten beheimatet. Gegen Ende Oktober wird dieses Objekt 19 von Kulturstadtrat, Bürgermeister, Stadtschulratspräsidentin, Sängerknaben-Präsident und Caritas-Chef offiziell eröffnet.

Von Mozart über Tschaikowsky bis Grieg
Chor und Orchester von ((superar)) nehmen sich seit ein paar Jahren ein Beispiel an dem Projekt El Sistema. Seit fast vier Jahrzehnten konnten mit diesem fast 400.000 Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Gegenden und Verhältnissen unter professionellen Bedingungen Musik machen.
((superar)), das in der Ankerbrotfabrik seinen Stammsitz hat, ist vor allem in Schulen Ottakrings, Hernals, Meidlings usw. aktiv. Und es ist Teil des europaweiten Netzwerks Sistema Europe – von Portugal über Italien, Schweden bis Bosnien, Rumänien und die Türkei.

Istanbul

Von Mozart über Tschaikowsky bis Grieg
Das neue, moderne, kleine nach der weltberühmten türkischen Sopranistin Leyla Gencer benannte Opernhaus am Rande von Istanbul
Im neuen Leyla-Gencer-Opernhaus von Istanbul spielten Ende des Sommers rund 150 Kids aus acht europäischen Ländern ein phänomenales Konzert. In einer intensiven Workshop-Woche war ein ausdrucksstarkes Orchester zusammengewachsen. Von Mozart über Tschaikowsky bis zu Grieg und das türkischen „Ben giderim Batuma“ reichte der Bogen des Konzertprogramms, das das Publikum streckenweise von den Sitzen riss.
Zum Auftakt spielten sie Mozarts "Kleine Nachtmusik". Der erste Jubel des Publikums war die Folge. Er sollte sich in der Folge noch steigern. Verdientermaßen.
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Die jungen Musikerinnen und Musiker aus Wien, Göteburg (Schweden), Aarhus (Dänemark), Portugal, Italien, England und Istanbul begeisterten in der nach der 2008 im 80. Lebensjahr verstorbenen weltberühmten türkischen Opernsopranistin benannten Halle im Bezirk Bakırköy in der Folge mit noch viel komplizierteren Stücken - etwa Edward Griegs Holberg-Suite. Johannes Brahms' "Ungarischer Tanz" wurde mit einem von Stephen Malinowski aus Sand Francisco erfundenen kleinen elektronischen Kastl mit Kurbel an der Leinwand bunt von Doğukan Tunç visualisiert.

Musik-Visualisierungs-Maschine

In der Pause standen viele aus dem Publikum Schlange, um diese kleine Musik-Bild-Maschine auszuprobieren. Unmittelbar nach der - damit deutlich länger als geplanten - Pause wiederholte das Orchester dieser Nummer und eine junge Zuschauerin versuchte, im Takt der Musik die Bilder über den großen Schirm laufen zu lassen.

Mitschwingen bis -tanzen

Von Mozart über Tschaikowsky bis Grieg
Spätestens bei Elgars Nimrod aus den Enigma-Variationen schwang das Publikum im Takt mit - noch alle im Sitzen. Bei der folgenden Ouverture zum Sklavenmarsch von Peter Iljitsch Tschaikowsky gab's erstmals standing ovations. Und die verspielte, teils mit Improvisationen einzelner instrumentengruppen Version von Carlos Garcias' "Ritmos Ciganos" ließ die ersten Zuschauerinnen und Zuschauer aufspringen und mittanzen. Was die Energie, die schon von dem jungen Orchester ausging, nochmals steigerte. Und die Halle gefühltermaßen fast zum Platzen brachte. vollends aus dem Häuschen war das Publikum schließlich beim abschließenden türkischen "Ben giderim Batuma". Kurze Enttäuschung als es keine Zugabe gab. Vermeintlich. Denn als die Gäste aus der Halle ins Freie strömten, erwarteten sie dort die Bläserinnen und Bläser samt den Percussionisten, die auf den Stiegen noch weitere Lieder zum Besten gaben.

Eine Woche lang hatten die jungen Musikerinnen und Musiker, fast alle aus europäischen "Sistema"-Projekten, in Workshops, Teil- und Gesamtproben auf einem Campus der Bosporus-Universität geprobt - von 9 Uhr Früh oft bis fast 20 Uhr am Abend. Und viele probten auch noch in der einen oder anderen Pause verspielt in Kleingruppen im Freien des Campus-Geländes. Neben den musizierenden Kindern und Jugendlichen nahmen auch noch (angehende) Lehrerinnen und Lehrer aus weiteren Ländern teil, um die Methoden zu erlernen und in ihren Herkunftsländern ähnliche Projekte ins Leben rufen zu können.

Oft erst seit Kurzem

Die Kinder aus Wien begannen fast alle erst vor eineinhalb Jahren ihre Streichinstrumente zu spielen wie sie dem Kinder-KURIER in den Interviews erzählen. ((superar)) startete zunächst in Wien mit Chören, die es nun schon seit eingien Jahrne gibt. Von hier aus wurden auch Chorprojekte im bosnischen Srebrenica, in Rumänien und der Slowakei initiiert. Die gastgebende Istanbuler Initiative nennt sich Barış için müzik (Musik für den Frieden). Rund 4000 Kids lernten seit 2005 in der europäisch-asiatischen Metropole singen und/oder musizieren.

Leidenschaft & Energie

Der aus Südamerika stammende Bruno Campo, einer der Dirigenten (und künstlerischer Leiter des Wiener ((superar))-Orchesters, der natürlich auch professionelle erwachsene Orchester dirigiert, meinte zum Kinder-KURIER, was ihn besonders an der Arbeit mit den (ganz) jungen oftmals Neo-Musikerinnen und Musikern fasziniert "ist diese Energie und Begeisterung, dieses unbedingte Wollen, diese Leidenschaft, die oft viel unmittelbarer und direkter im Raum zu spüren ist als bei Profis."
"Spielfreude, Chaos, alles schon super", freut sich Bruno über die Spielfreude in der letzten Probe am Campus. "Aber ihr müsst schon auch das Hirn nicht ausschalten und vor allem aufeinander hören. Tuba und große Tschinelle gleichzeitig, das geht nicht gut..."

Geigenlehrerin

"Ja, Energie, das trifft's am besten", meint Geigenlehrerin Gamze Toprak. Mit elf Jahren hat sie begonnen, dieses Instrument zu lernen. "Angefangen hat alles, als ich mit sechs oder sieben im Fernsehen Übertragungen von Orchesterkonzerten gesehen habe. Ich habe mich in die Geige sozusagen verliebt. Aber in Edirne, wo ich gelebt habe, gab es da noch kein Konservatorium. Erst als ich elf war, hat eines eröffnet. Und dann hab ich angefangen. Als ich das Instrument später studiert habe, habe ich nicht selten zehn Stunden am Tag geübt. Mein Arzt hat öfter gesagt, Kind du musst auch was essen. Aber ich war beim Spielen und Üben oft wie in einer anderen Welt, habe alles um mich herum vergessen."
Verlangt dies nicht so nebenbei auch Unmengen von Kondition – Armmuskulatur?
"Wenn du die richtige Technik hast, dann ist es gar nicht so anstrengend."
Heute als Lehrerin – und manchmal Musikerin in dem einen oder anderen Orchester – kommt sie neben dem Unterrichten immer auch noch auf mindestens zwei bis drei Stunden Üben täglich...

Auf einem Teil des Campus der Bosporus-Uni der nun hier in den Ferien dünner besiedelt ist, fanden die Workshops, Gruppen- und Einzelproben sowie immer wieder Gesamtproben für das Konzert in der vorletzten Augustwoche in der Leyla Gencer-Konzert-Halle statt. Die 150 Kinder und Jugendlichen aus acht europäischen Ländern (von Portugal bis zur Türkei, von Schweden bis Kroatien) üben und spielen aber nicht nur in den Räumen und Sälen.

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Kübra Kızıltanübt auf demPianoam Gang, die Blech-Bläser_innen-Gruppe posaunt, trompetet und hornt im Freien, die eine oder der andere streicht auch schon mal zwischen den Gebäuden ebenfalls im Freien über Geige oder Bratsche.

Anstrengend und lustig...

... findet die 13-jährige geigende Linda Dakaeva aus Wien die Workshops und Proben hier in Istanbul. Gegen Abend sind viele dann schon ein bisschen matsch, aber schnell wieder fit als sie am Sportplatz Basketball, Volleyball, abschießen spielen oder Schnur springen. Die Kombination von Musik und Sport liegt einem der Workshop-Leiter besonders am Herzen, Christoph Mallinger, Geiger und ehemaliger Leistungssportler, hat darüber seine Masterarbeit geschrieben und organisiert immer wieder Camps. „Bei beiden geht’s eigentlich ums selbe – Rhythmus- und Körpergefühl. Musik darf auch nicht nur im Kopf stattfinden. Du musst sie auch mit dem ganzen Körper spüren.“

Vjosa Kaba (auch aus Wien) hat mit elf Jahren mit Geige begonnen. Wie bei Linda Dakaeva, waren Leute von ((superar)) in die Schule gekommen, hatten die Möglichkeit des Mitwirkens in einem neu zu gründenden Orchester vor- und auch damit verbundene Reisen zu Workshops und Konzerten im Ausland in Aussicht gestellt. „Das hat mich sehr interessiert, da wollte ich mitmachen und ich hab mich gemeldet. Dann hatte ich zum ersten Mal eine Geige in der Hand. Am Anfang haben wir zuerst nur die Bogenhaltung geübt, das war eh leicht und langsam wurde uns dann auch Spielen beigebracht. Ich üb schon regelmäßig, aber wenn mir was anderes mehr Spaß macht, mach ich das. Hier ist es schon stressig. Geige wird immer nur ein Hobby von mir bleiben, ich will Dolmetscherin werden – für Albanisch – mit dem wachs ich mit auf, für Türkisch, das kann ich schon ungefähr so halb, für Englisch und Französisch. Am liebsten möchte ich bei Konferenzen übersetzen."

Bis zu fünf Stunden täglich

Hatice Kübra Ceylan (11) erzählt, dass sie in ihrer Klasse die einzige war, deren Eltern ja gesagt haben, als Cellisten des damals noch künftigen ((superar))-Orchesters die Möglichkeit des Mitmachens vorstellten. Sie ist seither von der Geige völlig angetan. "Ich hab auch schon bei uns in der Schule zu Weihnachten ein Solo gespielt. Das ist einfacher als im Orchester, weil du dann selber schneller oder langsamer werden kannst. Deshalb ist es irgendwie leichter, aber in der Gruppe ist es dafür lustiger. Jeden Tag übe ich mindestens drei Stunden, manches Mal auch mehr, aber nie mehr als fünf. Sogar wenn wir für Schularbeiten lernen müssen, übe ich viel. Weil ich so viel übe bin ich auch die beste zweite Geige. Ich mag das Geige-spielen so gerne."

Cool geklungen

Cheyenne Bertl (11) hat sich zum Mitmachen entschieden, „weil es so cool geklungen hat, als uns die das in der Schule vorgespielt und dann gefragt haben. Da hab ich mir gedacht, das will ich auch können. Auch wenn das bei mir und uns am Anfang natürlich schon nicht so toll geklungen hat, aber ich finde, man merkt voll den Unterschied zwischen unseren Anfängen und jetzt. Üben? Das mach ich nur manchmal, weil meine Mutter und ich haben sonst auch noch viel vor und außerdem hab ich Haustiere, drei Ratten und einen Hund. Ich übe meistens am Abend, das ist ein bisschen ein Problem, oft fang ich so spät an, dass ich dann bald ins Bett muss.“

Umweg

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Eda Korkmazist 17 und spielt seit eineinhalb JahrenZugposaune. Es ist nicht ihr erstes Instrument. „So wie viele kleine Kinder habe ich zuerst Blockflöte gelernt. Später mit etwa elf, zwölf Jahren hab ich mit Akkordeon angefangen. Aber das hab ich nur ungefähr ein Jahr lang gespielt, damals gab's leider noch kein Blasinstrument bei Musik für den Frieden. So etwas wollte ich aber unbedingt spielen, Geige oder Gitarre hat mich nicht interessiert. Musikvideos großer Orchester hab ich mir oft angeschaut und da haben mich immer die Bläserinnen und Bläser am meisten fasziniert. Als ich dann eben vor etwas mehr als eineinhalb Jahren von einer Freundin erfahren habe, dass bei Barış için müzik (Music for Peace) jetzt auch diese Instrumente gelernt und gespielt werden, bin ich gleich hingegangen. Ganz am Anfang war's schon nicht ganz leicht, richtige Töne rauszubringen, aber so nach zwei Tagen hab ich dann auch Töne und nicht mehr nur Geräusche blasen können. Ja, und es tut auch der Mund oder die Lippen gar nicht weh, wenn ich in den Ferien oder am Wochenende sieben, acht Stunden übe. Das viele Üben war in der ersten Zeit schon recht anstrengend. Aber ich kenn den Spruch vieler Musikerinnen und Musiker, wenn du einen Tag nicht übst, kann das wie ein Jahr sein. Und ich will das später auch studieren und zu meinem Beruf machen.“

Horn statt Trompete

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Zur Gruppe der Bläser_innen in diesem internationalen Orchester auf Zeit gehört auch der elfjährigeAaron Bišćevićaus Kroatien. Er spieltHorn. „Eigentlich wollte ich mit sechs Jahren zuerst Trompete spielen, weil mir die am besten gefallen hat, aber sie haben dann zu mir gesagt, beim Horn würd ich mir mit meinem Mund und meinen Lippen leichter tun. Ja, und es hat mir dann schon gleich gefallen. So sehr, dass ich gern jeden Tag ungefähr drei Stunden übe und auch Musiker werden möchte. Das Camp hier find ich wunderbar.“

Liebe es

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Seine gleichaltrige KolleginLucia Lyonaus Pula spieltGeigeseit dreieinhalb Jahren. Sie ist, so erzählt sie, familiär vorbelastet, Vater Geiger, und Viola-Spieler, auch die eine Großmutter ist Musikerin gewesen. „Und ich hab das sehr gemocht, Oma und Papa beim Spielen zuzuhören, ich habe es geliebt und bald nach Schulbeginn bin ich dann auch in eine Musikschule der italienischen Gemeinschaft in Pula gegangen. Ich liebe es einfach, Geige zu spielen und da macht's mir gar nichts aus, jeden Tag gut zwei Stunden zu üben."

Endlich das Lieblingsinstrument

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Aus dem schwedischen Göteburg kommen Claudia(17) undEmily(16). Letztere spieltCello, das sie mit sechs Jahren begann. „Mit einem kleinen Cello. Es gibt ja verschiedene Größen und so sind meine Celli sozusagen mit mir gewachsen, jetzt spiel ich natürlich schon ein „ausgewachsenes“ großes.“ Es ist auch das Lieblingsinstrument ihrer Kollegin, die hier im Orchester aber Geige spielt. „Ich wollte schon als kleines Kind Cello spielen, aber mein Vater hat gesagt, ich müssteGeigelernen, ich hab es nicht gerade gehasst, war aber nicht gerade glücklich. Mit sieben hab ich damit angefangen. Jetzt bin ich eigentlich schon nicht unfroh darüber, weil ich doch das musikalische Gehör dadurch sehr gut geschult bekommen habe und Musik ganz gut lesen kann. Aber vor rund einem Jahr konnte ich dann endlich auch mit Cello starten. Das liebe ich wirklich, aber weil ich's erst ein Jahr spiele, bin ich halt in Geige doch noch viel besser und darum... Der Umstieg war aber nicht besonders schwer. Du musst dich nur ein bisschen umstellen. Statt G ist sozusagen F die Basis. Außerdem bin ich ein Rockstar. Da geht alles. Und Emily, die möchte Stylistin werden, wird mit dann stylen.“

Leidenschaft entdecken

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Das Camp, zu dem sie relativ überraschend mitfuhren - „wir haben erst so ca. drei Wochen davor erfahren, dass es diese Möglichkeit gibt“ - war für beide am ersten Tag hart. „Wir hatten wirklich einen nervlichen Zusammenbruch, weil uns andere aus anderen Ländern weit voraus waren. Viel Jüngere konnten viel besser spielen. Sie erfahren eine andere Art des Unterrichts. Aber nach einem Tag hatten wir das überwunden, und sind in dieser Woche extrem viel weiter gekommen. Wir wollen diesen Weg der Freude an Musik und den Spaß am Lernen mit nach Hause nehmen und dort weiter verbreiten“

„Wir sind riesig gewachsen hier am Camp, lernen jetzt viel schneller und sind neu motiviert“, meint Emily. „Hier wird auch gut vermittelt, sich auch bewusst zu werden, was willst du wirklich und was erreichen. Und dass es darum geht, die Leidenschaft am Musikmachen zu entdecken“, ergänzt Claudia.

"Obercool" und doch ernst

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Nandu Onome Hauswald(10), der fast stets auf obercool und lässig unterwegs ist – Kopfhörer auf und wenn er nicht kommunizieren will diese mal kurz auf einer Seite lüftet oder auch nicht und meint „Verbindung ist schlecht, gerade im Tunnel....“ wechselt im Interview in den ganz seriösen Modus mit einem doch leichten Anflug von Ironie, um am Ende aber klarzustellen: Auch wenn's vielleicht ein bisschen anders klingt, ich mein das wirklich so...“
Also, er spielt seit etwas mehr als einem JahrBratsche- „das ist der Bruder der Geige, sie hat tiefere Töne und sie ist ein bisschen größer. Statt E hast du A und statt G ein C. Ich hab zuerst Geige probiert aber die fand ich zu schwer zu spielen, Bratsche ging bei mir leichter, sie hat sich für mich gleich einfach besser angefühlt. Es macht mir Spaß. Sogar dass man viel üben muss, weil ohne Disziplin kommst du halt nicht weit. Das erfahren und erleben wir auch hier am Camp. Es ist anstrengend, jeden Tag so viel zu üben. Aber du merkst dann auch die Erfolge, die Steigerung. Aber wir lernen hier auch, dass Musik aus dem Herzen, aus dem Bauch kommen muss, das Gefühl des Stücks rüberbringen...“

Mit vier Jahren begonnen

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Alice Cansirro(14) aus Italien spieltGeige – ungefähr ihr halbes Leben lang. Davor hab ich aber schon Klavier gelernt, ich hab's gehört, es hat mir gefallen und ich wollt's auch können.Jacopo Sommariva(11) spielt ein verwandtes größeres Instrument –Cello. Und das „hab ich angefangen als ich vier Jahre war. Es ist so lange her, dass ich gar nicht mehr weiß, wie das am Anfang war, ob's schwer oder leicht war." Die Frage, wie es sei, das erste Mal in so einem großen internationalen Camp zu üben, proben und spielen löst entzückendes Lächeln aus. Von "cool", über "wunderschön" bis zu einem herzhaften "funny"(Ludovico Carangi) spannt sich der Bogen der Reaktionen.

Rhythmische Bewegungsspiele

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Zwischendurch zur Auflockerung, Ablenkung oder eben einfach so spielenBeatriz Jesus(14),Edvânia Moreno(15),Lady Soares(14),Mariana Santos(14) undAdriana Semedo (13) aus Lissabon und Loures rhythmische Gruppenspiele. Immer zu viert mit Wechsel. Hände klatschen, einmal oben, einmal unten. Die Gegenüberstehenden klatschen die Hände aneinander, einmal über, einmal unter dem anderen Paar. Außer Lady (Horn) spielen diese Portugiesinnen alleGeige. Seit zwei bis vier Jahren. Zwei von ihnen waren schon mit einigen der Kinder und Jugendlichen aus anderen beteiligten Ländern einmal bei einem Workshop, aber nie in dieser großen Orchesterformation. „Aber das ist gar nicht schwer, vielmehr ziemlich lustig.“

Internationaler Mix

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Aus dem dänischen Aarhus kommenAnne Skarbak, Toke HanseniusundJohannes Pihl. Die beiden Erstgenannten sind jeweils 19 und spielenGeige(Toke auch noch Viola) seit ihrem 6. bzw. 5. Lebensjahr, der etwas jüngere Johannes (17) sogar schon seit seinem 4. Geburtstag. Familiäre Anknüpfungspunkte und einfach vom Zuhören Lust bekommen standen an den Anfängen. "Hier im Camp ist es bei den Proben manchmal ein bisschen zu laut, so dass man gar nicht immer so gut aufeinander hören kann. Aber es liefert auch eine gute Grundlage fürs Spielen in großen Orchestern. Außerdem ist der internationale Mix sehr nett.“

Keine Angst, aber aufgeregt

Zablon Goitom (11) spielt Trompete seit etwas mehr als einem Jahr. „ich hab's mal gesehen und gehört und wollte es auch unbedingt lernen, hab's meinem Vater gesagt, wir sind in ein Geschäft gegangen und ich durfte es ausprobieren. Es hat mir sofort gefallen und meinen Wunsch, es zu können noch verstärkt. Seither gehe ich regelmäßig ins Nukleus, zwei Stunden am Tag – sechs Tage in der Woche – spielen und üben wir. Ja, manchmal hätte ich schon Lust, was anderes zu machen, aber dann kommt Lucy, unsere Lehrerin und schafft es immer uns alle zu motivieren.“ Hier ist es ihm wie manchen anderen bei den Orchesterproben manchmal ein bisschen zu laut, dass du mitunter gar nicht gut hörst, wie du selber spielst. Aber insgesamt ist es ein sehr gutes Gefühl, mit so vielen Kindern und Jugendlichen aus anderen Ländern zusammen zu kommen und gemeinsam Musik zu machen. Angst vor dem Konzert hab ich keine, aber aufgeregt bin ich schon ein bisschen.“

Schüchtern, aber...

Die 12-jährige Zuzana Gawlik spielt seit rund eineinhalb Jahren Bratsche. "Davor hab ich ein bisschen Gitarre mit meinem Onkel gespielt, so ungefähr zwei Jahre, als ((superar)) zu uns in die Schule gekommen sind und uns Streichinstrumente vorgestellt haben, hab ich mir Geige oder Bratsche ausgesucht. Sie haben mir dann die letztere vorgeschlagen. Am Anfang war das nicht so leicht. Außerdem bin ich sehr schüchtern und wollte dann blad gar nicht mehr hingehen. Aber ich hatte dort doch ein paar Freundinnen und Freund gefunden und die haben mich überzeugt, weiter zu machen. Weil ich so schüchtern bin, hab ich am Anfang auch in Istanbul ein bisschen Angst gehabt vor so vielen neuen Leuten, aber am Ende wollte ich dann jetzt gar nicht mehr wegfahren."
Neben den drei Mal wöchentlichen Proben in der ehemaligen Ankerbrotfabrik, die demnächst komplett renoviert als Kulturquartier in Wien-Favoriten eröffnet wird, übt Zuzana täglich noch so ungefähr eine Stunde. Privat hört sie dennoch lieber Pop- als klassische Musik, "aber ich mag's besonders, wenn in der Popmusik auch Geigen eingesetzt werden, das hat mir schon immer sehr gefallen. die neuen Stücke, die wir hier gelernt haben, sind mir sehr leicht gefallen, wir haben einfach die Noten gelesen und gespielt. Ein bisschen hat's natürlich schon gedauert, bis wir alle gut zusammenspielen konnten."

Drei Instrumente

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Yunus Altıkanat (14), dessen Ausstrahlung es etlichen im Publikum besonders angetan hat, spielt seit vier JahrenCello. "Ich mag es", sagt er dem Kinder-KURIER in der Pause zwischen Generalprobe und Konzert. "Als kleines Kind hab ich es aber gar nicht gekannt. Da hab ich mitAkkordeonangefangen als ich fünf Jahre war. Mit acht hab ich nochKlavierdazu gelernt. Jetzt spiel ich alle drei Instrumente, Cello und Klavier im Konservatorium in Istanbul. Alles zusammen schon so vier Stunden am Tag. Der Unterricht am Konservatorium ist abwechselnd am Nachmittag und am Abend. Mir macht das sehr viel Freude und natürlich will ich Profimusiker werden."

Diese Musikprojekte, in Österreich unter dem Namen ((superar)) von Caritas, Wiener Sängerknaben und Wiener Konzerthaus getragen, orientieren sich an dem weltberühmten vor rund 40 Jahren in Venezuela gegründeten El-Sistema-Projekt. In diesem südamerikanischen Land sind bisher fast eine halbe Million Kinder und Jugendliche vor allem aus (sehr) benachteiligten Verhältnissen zu den - selbstverständlich kostenlosen - Musik-initiativen (Núcleo genannt) gestoßen. Und trotz des Anspruchs, vor allem Kindern aus weniger begüterten Verhältnissen diesen Weg zu eröffnen, handelt es sich nicht um ein (reines) Sozial-, sondern sehr wohl um ein künstlerisches Projekt. Die in Venezuela von den künstlerischen Leiterinnen und Leitern entwickelten Methoden ermöglichen, dass Anfängerinnen und Anfänger in relativ kurzer Zeit zu echten Spitzenleistungen herangeführt werden. Einige dieser Grundsätze lauten, wie die Dirigenten immer wieder den Jungmusiker_innen zu Probenbeginn verklickerten: "Lasst die Instrumente tanzen", "spielt mit ihnen", "spürt die Musik mit dem ganzen Körper", "erzählt die Geschichten der Lieder", "spielt euch frei"...

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