"Deutschländer" im Gezipark
Für ein paar Monate wollen Alev und Dani weg aus Wien, hin nach Istanbul. Das ist die Rahmenhandlung des bikulturellen stets harmonisch diskutierenden, intellektuellen Paares in „ Doyçlender: almanci“ (ersteres ausgesprochen: Deutschländer; zu zweiterem: es ist das türkische Wort dafür, wobei die Endung ci im Türkischen oft für jemanden steht, der etwas verkauft).
Wo oder was ist Heimat?
Das Stück, eine Produktion von diverCITYLAB und daskunst in Kooperation mit WERK X, stammt von Emre Akal. Der Schauspieler aus Deutschland, der seit einigen Jahren Stücke schreibt, begann im Vorjahr einen „Selbsttest“, indem er für einige Monate ins Heimatland seiner Eltern gehen wollte. In Istanbul wurde er somit zum „Doyçlender“, wie in der Türkei Rückkehrer(kinder) genannt werden, die im deutschsprachigen Raum sozialisiert wurden.
Schon in der Türkei gespielt
Im Stück, das schon in Istanbul und Ankara gespielt wurde (mit türkischen Untertiteln) und zu Theaterfestivals in Ankara und Izmir eingeladen wurde, kommt er in Videos in Gestalt eines Autors vor, der über Ausländer, übers Fremd-Sein schreiben will, vor. Damit schafft er den (theoretischen) Hintergrund zu den ganz konkret praxisnahen Szenen des (Bühnen-)Paares. Die multikulturelle, weltoffene Metropole Istanbul als Sehnsuchtsort, aus Niederungen oftmals zunehmend fremdenfeindlicher Rülpser in Mitteleuropa, zu entkommen... Mit der Gezipark-Bewegung als Widerstands„nest“ gegen den zunehmend autoritärer werdenden „Sultan“...
Doch nur willkommen sind die „Doyçlender“ nicht gerade. Auch wenn sie es zumeist viel leichter haben als solche „mit Migrationshintergrund“ hierzulande, sind sie eher Outsider, treffen sich in der Folge eher an Stammtischen ihresgleichen...
Wie politisch ist Privates?
Vor dem Hintergrund dieser Story handeln Autor und seine Schauspieler_innen – nach vielen Recherche-Interviews - in oftmals sehr persönlichen, „kleinen“ Geschichten nicht nur allgemeine Fragen von Weggehen, Ankommen, Fremdsein, Dazugehören-Wollen und nicht zuletzt jene nach wo oder was ist Heimtag ab, sondern auch wie privat ist Politisches, wie Politisch privates? Ein Thema, das die 68er-Bewegung aufs Tapet gebracht hat.
Ob Zusammenhang oder nicht, ungefähr so weit reichen auch die Anfänge der „Gastarbeiter“ zurück. Ob sie einst so, oder Ausländer oder später Zuwanderer oder „mit Migrationshintergrund“ genannt wurden, stets wurden ihnen sozusagen Stempel von „nicht dazu zugehören“ aufgedrückt. Und ver- bzw. bestärkten damit bei diesen Menschen so etwas wie die Sehnsucht nach der Heimat, auch wenn für (Enkel-)Kinder von Zugewanderten die Heimat eigentlich eher hier, ob Österreich, Deutschland usw. war/ist. Oder nicht doch eine zusehends verschüttet zu werden drohende Utopie von der Heimat Welt die – nicht zuletzt angesichts zunehmender Globalisierung – die adäquate wäre.
Abklopfen
Hinterfragt werden aber auch Fassaden von harmonisch und Toleranz, auch das Geschlechterverhältnis – etwa, dass der so offene, tolerante und so weiter Mann, nicht selten die Frau kaum zu Wort kommen lässt... Immerhin ist Politisches auf wirklich persönliche Haltung hin abzuklopfen.
doyçlender: almanci
Ein Stück von Emre Akal
Eine Produktion von: diverCITYLAB und daskunst in Kooperation mit WERK X
Regie: Aslı Kişlal
mit: Alev Irmak, Daniel Keberle; Tim Breyvogel
Regieassistenz: Özge Dayan-Mair
Dramaturgie: Anna Schober
Musik: Uwe Felchle
Videoanimationen, Grafik: Beste Erener
Video/Kamera, Schnitt: Bernhard Mark
Video/Ton: Daniel Schatz
Technik: Markus Liszt
Wann & wo?
Bis 26. Jänner 2016; 20 Uhr
WERK X–Eldorado
1010 Wien; Petersplatz 1 Telefon: (01) 535 32 00-11,
Kommentare