Mond-Licht trifft Krieger

Mond-Licht trifft Krieger
Aylin und Hördur - deutschkürkische Außenseiterin reitet auf scheuem Island-Pferd.

Nicht schon wieder ein Pferde-Mädchen-Film! Nein, „Hördur“ (Start am 4. Februar 2016) ist anders. Der Untertitel „zwischen den Welten“ trifft auf beide zu, die 17-jährige Aylin und das Pferd namens Hördur. Sie ist Deutsch-Türkin, er ein Islandpferd, das sich auch ziemlich fremd fühlt. Sein Name bedeutet „der Krieger/der Harte“, ihrer setzt sich aus dem türkischen Ay für Mond und lin als Abwandlung des arabischen „nur“ für Licht, wobei Aylin andererseits die türkische Version der griechischen Helena ist, die fürs Licht der Sonne steht ;)

In der Mutterrolle

Aylin übernimmt nach dem Tod der Mutter ein Jahr zuvor praktisch ihre Rolle im Haushalt, ist zuständig für den Bruder Emre, den sie in den Kindergarten bringt und von dort auch abholt; außerdem kocht sie für Emre und Hasan, den Vater. Letzterer lebt von schlecht bezahlten Baustellen- Jobs, auf die er – wie viele andere - täglich am sogenannten „Polen-Strich“ warten muss. Darüberhinaus ist er völlig lethargisch und träumt eigentlich davon, in die Türkei zurück zu gehen.

Gemobbt

Mond-Licht trifft Krieger
Aylin wird als Außenseiterin in der Schule gemobbt. Bis sie eines Tages voll auszuckt und zuschlägt. Folge: Ein Gerichtsverfahren wegen Körperverletzung. Strafe: 50 Sozialstunden. Die werden letztlich zum Wendepunkt. Sie wird einem Reiterhof zugeteilt. Und dort, genau, dort trifft sie auf Hördur. Liebe auf den ersten Blick. Zunächst steht Stall ausmisten und Pflöcke einschlagen für einen Zaun auf dem Programm. Doch dann checkt Iris, die Betreiberin, das Talent Aylins...

Wenn da nicht der Vater wäre. In der Nacht als er mit seinen Kindern in die Türkei fliegen will, mit einem One-Way-Ticket, haut sie ab. Verfolgungsjagd: Vater im Auto, Tochter auf Hördur. Natürlich Happy End.

Viele leise Momente

Und doch ist der Film geheimnisvoller, vielschichtiger – Aylins Traumwelt schiebt sich immer wieder vor die Realität und hilft ihr zu überleben in diesem "'Zwischen den Welten'-Dasein. Lange Zeit kommt die 25-jährige Film-Schauspielerin Almila Bagriaçık ("Feo Aladağ", "Die Fremde") ganz ohne Lächeln oder gar Lachen aus, erst die Begegnungen mit Hördur beginnen ihr Gesicht zu verzaubern. Der Film lässt mit seinen vielen stillen Momenten viel Freiraum für Gedankenflüge der Zuschauer_innen.

Gedanken des Regisseurs

Mond-Licht trifft Krieger
Regisseur Ekrem Ergün (Drehbuch Dorothea Nölle), selbst Kind von türkischen Arbeitsmigrant_innen in Deutschland, meint über „Hördur“: „In meinem Film möchte ich den Fokus auf diese Problematik legen: Was muss man als Migrant in Deutschland opfern, um die Angst zu besiegen, die anscheinend seit Generationen in den Köpfen vieler Türken sitzt? Eine junge aggressive Türkin, in der heilen Welt des deutschen Reitsports. Dieses Paradoxon gilt es zu überprüfen. Bewusst setze ich zwei Lebensentwürfe, die unterschiedlicher nicht sein könnten gegenüber, um herauszufinden, inwiefern diese miteinander überhaupt vereinbar sind. Unsere Protagonistin Aylin ist so etwas wie ein türkisches Aschenputtel. Sie lernt durch die abzuleistenden Sozialstunden eine Welt kennen, die im Grunde nur den wohlsituierten Deutschen vorbehalten ist. Sie wird feststellen, dass es da draußen nicht nur die 'bösen' Deutschen gibt. Sie wird am Ende Erfolg haben, weil sie sich den Erwartungen an ihre Person widersetzt hat und ihren eigenen Weg gegangen ist. Das Pferd als Symbol der Freiheit.“

Text: Heinz Wagner

www.hoerdur.de

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