Übers Bleiben und übers Gehen

Übers Bleiben und übers Gehen
Zwei KiKu-Jungreporterinnen sprachen mit Ruth Beckermann über ihren nun startenden Kinofilm "Those who stay Those who go.

Ruth Beckermann, Regisseurin des rund um den Frühlingsbeginn in den österreichischen Kinos startenden „Those who go - those who stay“ schlägt nach ihrer letzten Arbeit, dem Dokumentarfilm “American Passages” , eine andere Richtung beim Filmen. Ihr jüngster Film ist als Collage oder Puzzle zu verstehen – so die Regisseurin im Gespräch mit zwei Jungreporterinnen des Kinder-KURIER.

Auch das Filmmaterial hat unterschiedliche Ursprünge: Zum ersten Mal verwendet Beckermann selbstgedrehtes Material; alte und neue, spontane und geplante Aufnahmen treffen aufeinander.

Regisseurin filmt

Übers Bleiben und übers Gehen
Marina Kojić, Ruth Beckermann und Josipa Cvitić
Im Film übers Bleiben und übers Gehen behandelt sie Themen wie Kultur, Migration und Politik und greift auch selber zur Kamera. Der Film besteht aus mehreren Szenen, die sich in verschiedenen Ländern abspielen und oft alltägliche Dinge darstellen. Den Anfang bildet eine Szene in Paris, wo Regentropfen am Fenster runterlaufen. Anschließend folgen Geschichten von Flüchtlingen, die über ihre Träume reden, einen Juden, der seinen Namen nicht ändern wollte, Stoffe, die über Nacht in Italien zu Tausenden Stück gekauft werden können, eine Autofahrt, in der über Satan gesprochen wird, zwei italienische Mädchen, die Minigolf spielen und viele weitere Ausschnitte.

Flucht, West-Ost, Europa

Übers Bleiben und übers Gehen
Vorherrschend ist in Beckermanns Film vor allem das Motiv der Flucht. Sie selbst sieht „Those Who Stay – Those Who Go“ als Fortsetzung des Projekts „europamemoria - Memories of Europe“ in denen sie Portraits von 25 Menschen in Europa, die direkt oder indirekt von Flucht betroffen waren/sind, gezeigt hatte. Im Film gehe es ihr vor allem darum die „West-Ost“-Beziehung darzustellen. In diesem Kontext äußert sie sich durchaus kritisch – auch was die Lage im „Westen“ angeht: Sie habe früher der Zukunft Europas optimistisch entgegengeblickt: Europa werde das Land der Menschen die dort leben. Ob sich der „westliche“ Kontinent weiterhin in diese Richtung entwickelt, ist für sie heute fraglich.

Publikum soll sich eigene Gedanken machen

Übers Bleiben und übers Gehen
Anders als viele Filme fordert dieser von seinem Publikum, dass es sich selber Gedanken über jene Themen macht, sich selbständig eine Meinung bildet um das Gesehene so interpretieren zu können. Da der Wechsel von Ort und Zeit, Geschichte und Sprache wild hin und her springt, gibt der Film viel Raum, die Dinge aus der eigenen Perspektive zu betrachten. Beispielsweise könnte man die Szene, wo drei verschleierte Frauen eine dicht befahrene Straße Hände haltend nach einer Weile überqueren, so deuten, dass dieser erschwerte Übergang zur anderen Seite mit ihrer Geschichte gedeutet werden könnte - wie sie in dieses Land kamen und/oder auf ihrem Weg in die Gesellschaft. Es werden aber nicht nur interessante Geschichten erzählt, sondern auch einfach Szenen gezeigt, die trotz ihrer Einfachheit und ohne Worte, eine Atmosphäre schaffen, die unbestritten als sehr angenehm und interessant empfunden wird.

Alles fließt

Übers Bleiben und übers Gehen
„Those who go-those who stay“ ist ein Dokumentarfilm der anderen Art, welcher uns auch vermitteln möchte, dass man vieles nicht präzise benennen, definieren und vor allem nicht abstempeln kann, da alles ständig in einem Prozess der Weiterentwicklung, der Bewegung ist. Ein sehenswertes Werk, das einen zum Mitdenken auffordert und unbedingt mehrmals gesehen werden muss, um seine sprudelnde Gedanken zu ordnen, die feinen Details zu entdecken und sich womöglich selber fragen wie die Zukunft für einen oder für ein Land aussehen mag.

Wenn Frauen oder Männer filmen

Übers Bleiben und übers Gehen
Das Konzept für den Film hatte sie schon 2008 eingereicht, Beckermann entschied sich jedoch im selben Jahr spontan dafür den Dokumentarfilm „American Passages“ zu drehen. Als dieser 2011 fertig war, überarbeitete sie das Konzept für „Those Who Stay – Those Who Go“. Der Film wäre ein ganz anderer geworden, meint die Regisseurin im Gespräch mit Jungreporterinnen des Kinder-KURIER, hätte sie ihn vor dem „Amerika-Projekt“ fertiggestellt. Denn der Zugang zu einem Dokumentarfilm ist – so Beckermann – dem zu einem Forschungsobjekt gleich: Das Ergebnis ist ungewiss, die Forschungsmethode jedoch selbstbestimmt und mit jeder neuen Erkenntnis wächst und entwickelt man sich. Aus diesem Grund gestaltet Beckermann ihre Konzepte offen. Auf die Frage ob sie Unterschieden zwischen dem Arbeitsprozess von Männern und Frauen im Filmbereich sehe, hat Beckermann eine eindeutige Antwort: „ Bis zu einem gewissen Budget gibt es Gleichberechtigung, danach Männer."

Marina Kojić (17) und Josipa Cvitić (16)

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