„Wir Anderen“

Kati Bruder und eines ihrer Fotos
Wiener Fotografin porträtiert Menschen in verschiedenen Wohn- und Lebensgemeinschaften. Ausstellung in Wien-Penzing.

Wunderbare Einblicke von der Tür aus in Lebenswelten verschiedener Gemeinschaften sind derzeit noch – bis Ende November – in der Gebietsbetreuung Außenstelle „vorOrt“ in Wien-Penzing zu sehen. Fotografin Katrin Bruder hat einige ihrer für ihr Buch „Wir anderen - auf der Suchen ach der idealen Gemeinschaft“ gemachte Fotos im Großformat ausgestellt.

Separiert

„Über Gemeinschaft hab ich mir schon lange Gedanken gemacht. In dem Haus in dem ich wohne, haben wir kaum eine, alle leben nebeneinander“, beginnt die Fotokünstlerin im Gespräch mit dem KiKu zu erzählen. Und dann kam ein Urlaub auf der kroatischen Insel Sušac. „Da hatte ich Zeit, um meine Lieblingszeitschrift Lettre International“ zu lesen. Dort stieß sie auf folgenden ironischen Satz des Philosophen Bora Ćosić, besser bekannt unter seinem Pseudonym Beltempo, den sie in ihrem Buch eingangs zitiert: „Am liebsten ist mir, wenn alle richtig verteilt werden, die Irren in die Irrenanstalt, die Mörder ins Zuchthaus, und wir anderen sind zu Hause, damit wir das Ganze im Fauteuil bei einem Tässchen Kaffee ansehen.“ (aus Lettre International 02 / 2012)

Gemeinsam

„Wir Anderen“
Die Künstlerin zwischen Bildern ihrer Ausstellung
Und so machte sich Kati Bruder auf, nach und nach wirkliche Lebens- und Wohn-Gemeinschaften zu besuchen und zu fotografieren – immer aus demselben Blickwinkel – durch die (halb) geöffnete Tür. Neben ihr ganzseitiges Foto stellt die Künstlerin im Buch jeweils einen Satz aus den ausführlichen Interviews mit ihren Foto-Subjekten, denn als solche begegnet sie ihnen.

Im Johnhof (Wien, 15. Bezirk) fand Bruder „Groß- und Kleinfamilien, Lebensgemeinschaften, alleinstehende Menschen, PensionistInnen und StudentInnen in Wohngemeinschaften“ mit wenig Kommunikation. „Zudem lässt die Hausverwaltung das Haus verwahrlosen, regelmäßig kommt es zu Ratten- und Ungezieferbefall, altes Mobiliar wird illegal in allgemein zugänglichen Räumen entsorgt und achtlos liegen gelassener Müll im Stiegenhaus muss immer wieder die Hausmeisterin entsorgen. Im Sommer 2014 wurde ein Animierclub in den Souterrainbereich gebaut.“ Hier intervenierte die Fotografin schon allein mit ihrer Arbeit: „Im Zuge des Fotoprojekts lernten sich einige MieterInnen erstmals kennen, das Projekt selbst schien eine mögliche gemeinschaftsbildende Funktion einzunehmen, da die HausbewohnerInnen begannen sich darüber zu unterhalten, zudem wurde die Fotografin über ihre Intention hinaus zu einer verbindenden Auskunftsperson. Ein alle inkludierendes WIR-Gefühl hat sich jedoch bis dato unter den MieterInnen nicht etabliert“, heißt es in dem zweisprachigen Buch (Deutsch/Englisch).

Gugging - Graz - Wien - Athen

Vom „Haus der Künstler“ in Gugging über das AIS-Jugendservice (mobile Wohnbetreuung sowie mobile Hilfe für Kinder, Jugendliche und Familien in Graz), ein Wohnprojekt in Wien-Leopoldstadt bis zu „Prosfygika“ in Athen spannt sich der Bogen der Projekte, in denen Kati Bruder Menschen proträtierte. Prosfygika (deutsch: Flüchtlingshäuser) sind acht vor fast 100 Jahren im Bauhausstil errichtete Wohnblocks im Zentrum von Athen. Nach dem ersten Weltkrieg waren sie Zufluchtsort für griechische Flüchtlinge aus der Türkei, „in den 1940er Jahren bekämpften einander Armee und Kommunisten auf dem Areal. Heute ist der Prosfygika-Wohnkomplex, an dem noch die Einschusslöcher aus dem Bürgerkrieg zu sehen sind, ein Symbol für das wirtschaftliche und soziale Dilemma, in dem Griechenland seit der Wirtschaftskrise steckt: Einerseits finden viele Obdachlose, Flüchtlinge und Opfer der Wirtschaftskrise, deren Zahl stetig steigt, dort Zuflucht und bilden mit den alteingesessenen BewohnerInnen einen Schmelztiegel unterschiedlicher sozialer Schichten, andererseits droht die griechische Regierung immer wieder die heruntergekommenen Häuser abzureißen. Während der Olympischen Spiele 2004 wurde die Wohnsiedlung hinter riesigen Folien vor den Blicken der internationalen Gäste versteckt.“

Solidarität

Armenak, einen der Bewohner, den die Fotografin portraitierte, zitierte sie neben dem Foto mit folgenden Sätzen: „Besonders beeindruckt mich hier die Solidarität. Egal woher du kommst oder was du bist, in den Prosfygika zählt die Menschlichkeit. Der Staat hilft uns nicht, wir haben kein Wasser, keinen Strom. Aber wir wissen uns zu helfen. Jeder kann irgendetwas Besonderes.“

Einige Fotos der Ausstellung

„Wir Anderen“

WIR ANDEREN, Kati Bruder
„Wir Anderen“

WIR ANDEREN, Kati Bruder
„Wir Anderen“

WIR ANDEREN, Kati Bruder
„Wir Anderen“

WIR ANDEREN, Kati Bruder
„Wir Anderen“

WIR ANDEREN, Kati Bruder
„Wir Anderen“

WIR ANDEREN, Kati Bruder

Ausstellung
Kati Bruder
WIR ANDEREN – Auf der Suche nach der idealen Gemeinschaft
Bis 30. November
Di, 9 – 13 Uhr
Do, 15 – 19 Uhr
Gebietsbetreuung Außenstelle „vorOrt“, 1140, Linzer Straße 61
Eintritt frei

Buch
Kati Bruder
WIR ANDEREN – Auf der Suche nach der idealen Gemeinschaft
152 Seiten


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