Szenen schärfen Sinne gegen Mobbing

Katharina Wlasak als Mittäterin Jenny und Evelyn Leissenberger als Opfer Eva
Jugendliche entwickelten und spielen Forumtheaterstück zum Thema (Cyber-)Mobbing. Der Kinder-KURIER führte Telefoninterviews.

Eva wird Cyber- und analog gemobbt. Oder zumindest fast. Irgendwie ist es ein Grenzfall. Das ist die Ausgangsgeschichte für ein (Forum-)Theaterstück. Jugendliche, teils mit und teils (noch) ohne Theatererfahrung, allesamt aber ausgebildet in Peer-Mediation haben es kürzlich zum zweiten Mal aufgeführt – bei der Sommerakademie des ÖZEPS (Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen). Rund 70 Lehrerinnen und Lehrer verbrachten die letzte Ferienwoche Ostösterreichs am Grundlsee zum Thema Achtsamkeit in Bildungsprozessen, Untertitel „Wie pädagogisches Theater Lernen unterstützt und zur Persönlichkeitsbildung beiträgt“.

Einige Peer-Schülerinnen und Schüler hatten schon vor Monaten ein Stück zum Thema Mobbing erarbeitet und waren eingeladen, dieses den fortbildungswilligen Lehrer_innen vorzuspielen. Beim Forumtheater wird eine Geschichte zuerst einmal im Ganzen vorgespielt und bei der Wiederholung geht’s darum, dass sich jede/r im Publikum melden und eine der Rollen übernehmen kann, um der Geschichte vielleicht mit anderem Handeln/Verhalten eine Wendung geben zu können.

Die (Ex-)Schülerinnen (beteiligte Burschen sind bei diesem Termin ausgefallen) aus Wien, Nieder- und Oberösterreich im Alter von 18 bis 22 Jahren spielten ihre Rollen teils sehr heftig, wie sie in Telefoninterviews selbst erzählten und eine betreuende Lehrerin unterstrich.

Alles von Jugendlichen erarbeitet

Szenen schärfen Sinne gegen Mobbing
"Klasse" mit "Lehrerin"
„Wir haben alles von null weg erarbeitet, das war ein längerer Prozess“, fasst Katharina Wlasak, mittlerweile Studentin an der Wirtschafts-Universität, zusammen. Sie hatte bei einem der Organisatoren als Schülerin sowohl Theater gespielt als auch die Peer-Mediations-Ausbildung gemacht und schlüpfte hier in die Rolle einer Mittäterin, genannt Jenny. Mit auf der Bühne noch: Yasmin Zeiler, Daniela Vogg, Patricia Sittler, Valerie Wallner sowie Katarzyna Godos, Sabrina Traint und Evelyn Leissenberger.

Katarzyna Godos, Schülerin an der BHAK Pernerstorfergasse (Wien 10) spielte die Lehrerin, Frau Blau. „Ich war eine Deutschprofessorin, die nicht so sehr darauf geachtet hat, wie sich die Jugendlichen fühlen. Wichtig ist mir in dieser Rolle, in erster Linie meinen Unterricht zu machen, den Stoff durchzuziehen. Aber wenn du da vorne in der Klasse stehst, an der Tafel schreibst, mit dem Rücken zur Klasse, dann merkst du erst, dass du zwar irgendwie spürst, dass hinter deinem Rücken was los ist, aber du weißt nicht, was da genau und im Detail läuft. Du siehst zwar, wenn du dich umdrehst, dass da wer mit dem Handy spielt, nimmst das auch weg, aber du weißt nicht, dass da böse WhatsApp oder Facebook-Meldungen gegen andere losgelassen werden. IOrgendwie fühlst du dich auch ein wenig ohnmächtig, willst den Stoff vermitteln, nimmst die Eskalation nicht wahr, weißt auch nicht, wo du anfangen sollst einzugreifen.“

Katarzyna Godos hat „schon öfter Theater gespielt, aber noch nie Forumtheater. Irgendwie ist es schon nicht einfach, dass du dann nicht wissen kannst, was passiert, wenn wer aus dem Publikum eingreift. Das ist mit Unsicherheit verbunden. Aber im richtigen Leben weißt du ja auch nicht immer, was passieren wird."

Schwer, die Böse zu spielen

Szenen schärfen Sinne gegen Mobbing
„Sehr, sehr schwer“, so schildert Sabrina Traint ihre Rolle als Haupttäterin Lisa. „Irgendwie hat mich das gereizt, ich hab schon viel von Betroffenen gehört und wollt mir das einmal von der anderen Seite genauer anschauen. Aber am Anfang war das nicht gerade leicht, etwas zu spielen, das so gar nicht meinem Charakter entspricht“, erzählt die Jugendliche, die dieses Frühjahr im GRG Sachsenbrunn (Kirchberg/Wechsel, NÖ) maturiert hat und nun mit dem Lehramtsstudium Religion und Biologie beginnen wird und bisher „nur im Schultheater eher kleinere Rollen hatte“.

Wie sie’s dann doch geschafft hatte? „Durch Üben und dass du dir immer sagst, es ist ja nur eine Rolle. Aber wenn du dann eine gemeine Aktion setzt und dich ein eiskalter Blick trifft, pfuuuuh, das ist nicht so cool. Da hilft dir aber, dass es ja ein Skript fürs Stück gibt.“

Noch ein Perspektivenwechsel

„Dank“ einiger Ausfälle kam mit Evelyn Leissenberger, auch eine Lehrerin in den Genuss, beim Jugendlichen-Theater einspringen zu dürfen. Sie mimte die Betroffene, das Opfer und meint zum Kinder-KURIER: „Es war für mich schon faszinierend. Auch wenn ich als Lehrerin mich sehr bemühe, stark auf der Beziehungsebene zu arbeiten, hab ich doch das eine oder andere Mal den Stoff stärker im Blick. Der Perspektivenwechsel war für mich so etwas wie ein Augenöffner, noch sensibler darauf zu achten, was in der Klasse abgeht.“

Schulmaterial

Aus dem Theaterstück solle ein Film als Schulmaterial mit Total-Aufnahme des Stücks und dann speziellen Perspektiven aus der Sicht aller Beteiligten werden, so Andrea Motamedi und Florian Wallner, betreuendes pädagogisches Duo, zum KiKu. Das Schulmaterial ist als Handlungsanleitung gedacht, selber in der jeweiligen Schule das eine oder andere Projekt zum Thema zu machen. Außerdem seien ja gerade 70 Lehrerinnen und Lehrer aller Schultypen bei dem Seminar gewesen, die ihrerseits als Multiplikator_innen nun das neue Schuljahr in Angriff nehmen. Das Forumtheaterstück war/ist als Anstoß gedacht, schon frühzeitig zu reagieren. Genau deswegen dreht es sich im Stück schon um einen Grenzfall zu (Cyber-)Mobbing. Und genau deswegen sind auch die Inputs der Jugendlichen aus ihren Erfahrungen in der Peer-Mediation und im Peer-Learning wichtig.

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