Die Kinder verstanden noch seine Zeichen

Die zehn Finalistinnen: Jana Podbelsek, Natalie Pelz, Lena Obenaus, Nora Reisenberger, Marie Ladstätter (vorne, von links nach rechts); Lisabeth Pimenov, Margareta Stern, Johanna Fuchs, Larisa Cerne und Esther Mahr (hintere Reihe)
"Tagträume und Nachtgedanken" - umwerfende Texte Jugendlicher beim 2. Wiener City Literaturbewerb. Vier Burg-Schauspieler_innen lasen die zehn Top-Texte im Kasino des Burgtheaters.

Was aber geschieht mit dem Traum, wenn der Träumer stirbt. … all die Jahre hatte er nicht begriffen, dass die gefährlichste aller Brücken in ihm selbst zu finden war und die Phantasie, die Gedanken und Träume tiefer sind als jede Schlucht…“ ( Esther Mahr, die Brücke)

„Das Mittagessen riecht wie die Tinte des Füllers einer Ernährungsberaterin, die das Übergewicht ihrer Patientin in ein Protokoll einträgt.“ (Marie Ladstätter, Ich möchte leicht sein)

Die Kinder verstanden noch seine Zeichen

„Ihn selbst hatte noch nie jemand reden hören, der Einzige, der redete, war sein Bogen bei seinem Weg über die vibrierenden Saiten des Cellos… Beim Denken und beim Träumen ist man immer allein… für Musik braucht man zwei. Einen, der sie macht und einen, der sie hört.“ (Lisabeth Pimenov, Eine Melodie)

„Mit den Kindern war es anders. Sie verstanden sich noch darauf, seine Zeichen zu deuten, seine Sprache zu sprechen. Er spielte gerne mit ihnen … doch heute war dem Wind nach einer Herausforderung…. Sie hob die Arme und lachte ihr erstes richtiges Lachen seit Jahren… Und der Wind fing ihr Lachen auf und trug es zu den Sternen empor. Auf dass sie sich daran erfreuten.“ (Jana Podbelsek, Er)

„Es ist Schwarzbohnentofu mit Curry, Koriander, Thymian... Seine Begeisterung reißt dich mit. Die Namen der Zutaten klingen köstlich, nur der Geschmack lässt zu wünschen übrig. Du glaubst, er mag dich. Oder mag er es nur, mit dir zu reden? Oder leuchten seine grünen Augen nur wegen seiner fleischlosen Existenz? Der Grund ist dir eigentlich ,Wurst'....“ ( Larisa Cerne, Glaube an Tofu)

10 aus 135

Die Kinder verstanden noch seine Zeichen

Diese Sätze sind Zitate aus fünf der Finaltexte des zweiten City-Literatur-Bewerbs, der kürzlich im Kasino des Burgtheaters prämiert wurde. 135 Texte von Jugendlichen aus 40 Wiener allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) waren zum Thema "Tagträume und Nachtgedanken" eingereicht worden – davon 120 von Mädchen. Eine Jury – sowie zur Hälfte auch ein Online-Voting ( 5335 registrierte User) kürte die 20 besten Texte fürs Halbfinale (3 von Burschen). Schreibwerkstätten mit renommierten Autor_innen, Lesungen der Texte und wieder eine Abstimmung übers Internet – mit diesmal 7000 Wählerinnen und Wählern – suchte die zehn top-Texte aus. Die wurden in dem feierlichen Rahmen von vier Top-Schauspieler_innen (Andrea Clausen, Dorothee Hartinger, Daniel Jesch, Maskus Meyer) – in voller Länge, Dramatik, Emotion… - vorgetragen. Das verlieh den ohnehin schon wunderbaren, fantasievollen, spannenden, überraschenden… Texten mit ihren ausgefeilten, gekonnten Formulierungen noch eine weitere Dimension.

Jung- alt

Die Kinder verstanden noch seine Zeichen
Siegerin Johanna Fuchs - für den Text "Der Leuchtturmwärter"

Hatte schon die lebendige Lesung der Texte einen spannenden Abend beschert, so wurde es danach noch auf eine ganz andere Art spannend. Da es ein Bewerb war, wurde auch eine Siegerin gekürt. Die Wahl der Jury war schon davor gefallen, der Pokal – eine metallene Schriftrolle – blieb jedoch bis zuletzt von einem weißen Tuch verhüllt. Klar war nur, dass es eine Gewinnerin sein musste, bestand das zehnköpfige Finalteam doch ausschließlich aus Mädchen. Die Rolle ging an Johanna Fuchs für ihre Story „Der Leuchtturmwärter“. Den begann sie mit einem norwegischen Sprichwort: „Das Leben ist ein kurzer Augenblick zwischen zwei Ewigkeiten.“ Seit vielen Jahren, „eigentlich schon seit immer mag ich Leuchttürme“, verriet die preisgekrönte Autorin dem Kinder-KURIER – in dem übrigens schon vor vielen Jahren eine Zeichnung von ihr abgedruckt war – von einer Fahrt mit einem Segelboot bei der Friedensflotte Mirno More.

Weisheit

Fuchs‘ Geschichte rund um den Leuchtturm dreht sich um das Pendeln zwischen jung und alt. Auch „Die Brücke“, der mit dem Publikumspreis bedachte Text von Esther Mahr behandelt dieses Thema – in einer über weite Strecken sehr verschlüsselten Form, bei der die jugendliche Autorin zum Kunstgriff eines eigenen, erfundenen kleinen Märchens greift. Wieso sie als so junge Autorin sich mit den Gedanken eines steinalten Mannes befasse? „Ich lese viele philosophische Texte“, meint sie zum KiKu, „denke viel über Weisheit und Erkenntnis nach und habe große Angst davor, einmal alt zu sein und nicht erreicht zu haben, was ich wollte. Und aus diesen Gedanken und Überlegungen heraus hab ich diesen Text verfasst.“

Leuchtend grüne Augen

Die Kinder verstanden noch seine Zeichen

Leider ohne Preis ging eine der schrägsten Geschichten aus – „Glaub an Tofu“ von Larisa Cerne. In dieser Geschichte einer beginnenden Jugendliebe mit einigen Hindernissen spielt Tofu eine wichtige Rolle. „Doch der kam erst spät dazu“, gestand die Autorin dem Kinder-KURIER. Zuerst war die Idee einer Liebesgeschichte rund um ein Mädchen, dann kam ein Bursch dazu und dann noch ein weiterer als Personal der Story. Ja, und der eine sollte irgendwie ganz anders sein, dann hab ich überlegt und bin auf eben ganz andere, ganz alternative Lebensweise gekommen.“ Wenige Tage davor hatte übrigens ihre jüngere Schwester Melina mit Kolleginnen und Kollegen aus deren Schule den Gruppenpreis beim exil-Literatur-Bewerb gewonnen. Der Vater schreibt auch – unter anderem Theaterstücke und die Mutter übersetzt serbische, russische und deutsche Literatur ins Englische. „Wir sollten einmal ein gemeinsames Familienbuch schreiben“, meint Larisa. „Nein, das geht nicht, wir würden uns nur streiten, worüber, was und wie wir's schreiben“, kontert Melina... - ein produktives, diskurisves Klima für noch viele weitere spannende Geschichten ;)

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