Was für ein Mensch willst du sein?!

Was für ein Mensch willst du sein?!
David Safier im KiKu-Gespräch über seinen (Jugend-)Roman "28 Tage lang", den Aufstand im Warschauer Ghetto

Eingepackt in einen fast Abenteuer-Jugendroman verpackte der deutsche Autor David Safier den Wider-und Aufstand der letzten vier Wochen des Warschauer Ghettos. Auf einer Fläche so klein wie der 6., 7. Und 8. Wiener Bezirk umgeben von einer drei Meter hohen Mauer mit Stacheldrahtzaun obendrauf gemeinsam wurden ungefähr viereinhalb bis fünf Mal so viele Menschen von den Nazis zusammengepfercht. Auf Lebensmittelkarten gab es für jede und jeden im Schnitt nur 360 Kalorien pro Tag, weniger als ein Viertel dessen, was ein Mensch normalerweise im Schnitt braucht.

So weit die Ausgangslage. Die deutschen Besatzer hatten sich noch dazu ein fieses System ausgedacht: Bei der Unterdrückung der Bevölkerung bevorzugten sie manche der Jüdinnen und Juden, um sie als Hilfskräfte für ihr Regime einzusetzen, unter anderem als Polizeikräfte…

Unerträglich, unerträglicher...

Was für ein Mensch willst du sein?!
Nach rund drei Jahren war die Lage so unerträglich geworden, dass – insbesondere jüngere – Insaßen dieses Freiluft-Gefängnisses beschlossen, sich das nicht mehr länger gefallen lassen zu wollen. Nur zu warten, wer wann vielleicht früher oder später mit den Bahntransporten in eines der Vernichtungslager käme oder gleich einen vielleicht auch aussichtslosen Aufstand zu wagen – wenn schon sterben, dann wenigstens sozusagen im Kampf.

Hin und her gerissen

Ausgehend von den allgemein bekannten, aber zum Teil auch vielen weniger bekannten großen und kleinen Fakten und vor allem der so großen historischen Persönlichkeit des Arztes, Kinderrechtlers und Waisenhausleiters Janusz Korczak dachte sich David Safier für seinen jüngst erschienenen Roman „28 Tage lang“ (Rowohlt, rotfuchs) ein paar Hauptfiguren aus, die er viele historische Tatsachen mehrerer anderer Menschen erleben lässt. Da ist vor allem die 16-jährige Mira, die sich um die jüngere Schwester und die völlig traumatisierte Mutter kümmert. Anfangs betätigt sie sich „nur“ als Schleichhändlerin. Immer wieder schlüpft sie unbemerkt durch Löcher in der Mauer oder klettert über sie in den anderen Teil der polnischen Hauptstadt, um dort dringen nötige zusätzlich Nahrung für ihre Familie zu organisieren. Vom bewaffneten Widerstand hält sie nicht viel. Je ärger die Lage wird, desto eher kann, ja muss sie sich damit anfreunden. Wobei an den beiden Enden dieser Entscheidungen – auch zwei verschiedene Jungs (Daniel und Amos) und die Zuneigung zu ihnen steht – sozusagen mehrfach hin- und hergerissen.

Humor ist meine schäfste Waffe

Was für ein Mensch willst du sein?!
Trotz des bedrückenden realen Umfeldes der Geschichte ist es Safier, der vor allem für humorvolle Bücher bekannt ist, gelungen, über die mehr als 400 Seiten seines Romans keine niederschmetternde, gar depressive Grundstimmung zu verbreiten. Immer wieder gibt es sogar die eine oder andere Szene, die Lächeln bis Lachen erzeugt. „Es muss in so einem harten Alltag auch Humor gegeben haben. Außerdem ist Humor die schärfste Waffe in meinem schriftstellerischen Arsenal“, meint der Autor nach einer Lesung im Theater in der Josefstadt im Gespräch mit dem Kinder-KURIER. „Und nicht nur bei Rubinstein, den es echt gab.“ Von diesem, den viele bis alle für verrückt hielten, schildert Safier Szenen, wo vielleicht nicht ganz klar ist, ob er wirklich verrückt war, oder er sich dadurch eine Art Schutzschild baute.

Lange mit dem Roman schwanger

1993 habe er als 25-jährige Radiojournalist zum 50. Jahrestag des Aufstandes fürs Jugendradio Bremen eine Sendung zum Thema gemacht und „daran gedacht, auch was Größeres zu schreiben. Aber da hatte ich gerade anderes zu arbeiten. Die Idee hat mich aber nie wirklich losgelassen, ich hab dann immer wieder historisches Material gesammelt, Zeitzeugengespräche… Und es war mir klar, ich will’s speziell für Jugendliche schreiben. Vielleicht war damals auch noch nicht die Zeit reif, dass eine jugendliche Heldin dann natürlich auch wen erschießt. Aber spätestens seit den Tributen von Panem ist das denkbar.“

Eigenleben für fiktive Figuren

Was für ein Mensch willst du sein?!
In den folgenden Jahren kamen so viele Mosaiksteine für das Buch zusammen, „aber ich hab da nie etwas aufgeschrieben. Und es hat mir noch was gefehlt - DIE Geschichte. Als ich die eines Tages mit Mira, Daniel, der als Waisenkind bei Korczak aufwächst und ihm dann hilft, und Amos hatte, hab ich ihnen ihr Eigenleben gegeben, sie beim Schreiben entwickeln und handeln lassen.“ Wobei der Autor gesteht, im Laufe der Jahrzehnte, die er mit dem Buch schwanger geht, auch den Blick für die Verhaltensweisen erweitert zu haben. Hätte er anfangs die Aufständischen als Opfer, die sich nicht kampflos zur Schlachtbank führen ließen, präferiert, „so hab ich mit der Zeit schon auch gesehen, welche Größe es ist, Kinder, die ins Vernichtungslager deportiert werden sollen, nicht allein zu lassen, auf diesem letzten Weg bei ihnen zu bleiben“.

DAS Leitmotiv

„In einer Szene mit Rubinstein (dem „Ver-rückten“) war dann auf einmal dessen Satz da: ,Jeder ist frei zu entscheiden, was für ein Mensch er sein möchte‘. Und plötzlich war mein Leitmotiv da. Es geht doch immer darum, was für ein Mensch du sein willst. Und das ist gerade auch für einen Jugendroman eine spannende, unabhängig vom historischen Kontext eine immer aktuelle Frage!“

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