125 Jahre und nix gelernt?!
Das Geniale ist, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen, das noch gar nicht drin ist. Dann glauben sie nämliche, dass sie es nicht hergeben, sondern im Gegenteil etwas geschenkt bekommen.“ (Aristide Saccard in „Das Geld“ nach einem Roman von Emile Zola)
Wenn du nicht weißt, dass das Stück „nur“ eine Bühnenfassung eines gut 125 Jahre alten Textes ist, nimmst du an, da hat jemand die jüngste Krise des Finanzkapitalismus in eine spannende (Familien-)Geschichte verpackt. In Wahrheit aber ist „Das Geld“ - derzeit im Theater Spielraum in der Wiener Kaiserstraße zu erleben - der 18. Band von Zolas 20-bändigem Roman-Zyklus Rougon Macquart. Bei dieser „Natur-und Sozialgeschichte einer Familie im Zweiten Kaiserreich" handelt es sich praktisch um französische Zeitgeschichte in persönlichen Geschichten erzählt.
Läppische 25 Millionen
Alles dreht sich – alles drängt zum Geld. (Fast) alle lassen sich mitreißen in der Gier nach den Universalbank-Aktien, nach Gewinn bzw. nach der verlockenden Aussicht auf möglichst hohe Gewinne.
Alles dreht sich...
Blase
Die eine oder andere warnende Stimme des Ingenieurs wischt er weg indem er ihn zum Präsidenten des Verwaltungsrates macht und ihn an den Gewinnen aus der ständig aufgeblähten „Blase“ (so schreibt’s Zola tatsächlich) mitnaschen lässt.
Natürlich kommt es irgendwann zum Platzen der Blase, Drama für Kleinanleger, Saccard landet – vorübergehend – im Gefängnis. Völlig ungesühnt hingegen bleibt, dass er eine junge Frau vergewaltigt und sie geschwängert hat. Nicht einmal für diesen Sohn will er zahlen.
Eigentum ist Diebstahl!
Tickende Zeitbombe
Übrigens: Schon kurz vor Beginn und die ersten paar Minuten der Aufführung ist ein heftiges Ticken zu vernehmen, das die Assoziation an Zeitbombe auslöst. Rund eine Viertelstunde vor Ende des zweistündigen Stücks, als es zu ersten gröberen Kursschwankungen der Universalbank-Aktien kommt, taucht es wieder auf.
Humus, Treibstoff
Ihr Bruder Georges Hamelin: „Soll es über all dem Dreck, nach so vielen Opfern, über all dem Leid, das jeder Schritt nach vorwärts der Menschheit kostet, nicht doch ein Ziel geben, etwas Höheres, was gut ist und gerecht und dem wir entgegen gehen, ohne es zu wissen und das uns leben und hoffen lässt?“
Doch das letzte Wort hat seine Schwester: „Warum soll man das Geld für alle die Verbrechen, deren Ursache es ist, büßen lassen? Und ist die Liebe denn weniger schmutzig, sie, aus der alles Leben kommt?“
Metal-Punk-Rock
Danach ertönen Rhythmen und –klänge, die härter als die „Toten Hosen“ sind, aus den Lautsprechern und setzen den absoluten Schlusspunkt mit dem einzig aktuell verfassten Text der Aufführung: „Geld regiert die Welt, wer regiert die Welt, muss das auf ewig das so sein, ... wie lange fallen wir noch auf sie rein?“ (Aus dem Song „Geld regiert die Welt“ der deutschen Metal-Punk-Rockband BRDigung von ihrem Album „Tot oder lebendig“ aus 2010)
Das Geld
Der Roman von Emile Zola
in der Übersetzung und Bühnenfassung für das Theater Spielraum von Gerhard Werdeker
Regie Gerhard Werdeker
Darsteller_innen:
Aristide Saccard Daniel Ruben Rüb
Degraimont, ein Kapitalist Robert Stuc
Gundermann, „König“ der
Bankiers Gunter Matzka
Huret, Abgeordneter der
Regierungsfraktion David Czifer
Jordan, Journalist Julian Sark
Busch, ein Wechselagent Robert Stuc
Madame Méchain, eine
Aktionärin Claudia Marold
Siegmund, Buschs Bruder Maximilian Gruber-Fischnaller
Caroline Hamelin Dana Proetsch
Georges, ihr Bruder, Ingenieur Martin Purth
Mazaud, ein Wechselagent David Czifer
Sabatani, ein Strohmann Julian Sark
Die Gräfin Claudia Marold
Dejoie, Ex-Militär, Bote Gunter Matzka
Maxime, Saccards Sohn Maximilian Gruber-Fischnaller
Ausstattung: Anna Pollack
Sound: Reinhold Kammerer
Licht: Tom Barcal
Fotos: Barbara Pálffy
Wann & wo?
Bis 31.Oktober, 3. bis 7., 10. bis 14. & 24. bis 28. November, 20 Uhr
Theater Spielraum
1070, Kaiserstraße 46
Telefon: (01) 713 04 60-60
www.theaterspielraum.at
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