Wie man Konflikte vermeiden kann

Gemeinsam in der Ausbildung tätig: Sabine Prohaska und Harald Schmid
Zwei Berater, die für Unternehmen Konfliktlotsen ausbilden, über Kosten und Chancen von Konflikten.
Von Uwe Mauch

Ehekrisen hier und dort, der Konflikt der EU mit der Türkei, der Wahlkartenwickel, heftige Wortgefechte in der Arbeitswelt und auch in der Nachbarschaft. Überall Probleme, die dringend nach einer Lösung rufen. Viel Arbeit für erfahrene Berater wie Sabine Prohaska und Harald Schmid, die in den vergangenen drei Jahren knapp 100 Konfliktlotsen in der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) ausbildeten.

KURIER: Gibt es heutzutage mehr Konflikte als noch vor hundert Jahren?

Harald Schmid: Einmal abgesehen vom Terror, den uns die elektronischen Medien frei Haus liefern, erleben wir zumindest in Europa seit 1945 eine lange Zeitspanne ohne großen Krieg.

Sabine Prohaska: Anders sieht es in unserem Mikrokosmos aus: Weil das Tempo in unserer Gesellschaft ständig steigt, nehmen auch die Konflikte zu. Weil wir ständig unter Strom stehen, wird es immer schwieriger, die eigenen Emotionen im Zaum zu halten. Deswegen eskaliert es heute öfter. Auffallend ist auch, dass uns in der Arbeit und ebenso im privaten Bereich jene Zwischenräume abhanden gekommen sind, die wir benötigen, um uns abzureagieren.

Welche Konflikte lösen heute die größte Unsicherheit aus?

Prohaska: Familien, Arbeitswelt, soziale Systeme, ja sogar Ländergrenzen: Vieles, was lange als fix angesehen wurde, bricht heute auf. Das schafft Unsicherheit, macht uns Angst. Auch das Thema Überalterung setzt uns zu. Die Generationen folgen oft konträren Interessen.

Schmid: Dazu kommt: Wir haben nicht gelernt, mit Unsicherheiten in unserem Leben umzugehen. Die Ängste und die daraus resultierenden Konflikte sind daher verständlich. Sie zu lösen, darin besteht die Herausforderung für die Zukunft.

In diesem Zusammenhang: Was können die Konfliktlotsen, die Sie ausbilden?

Schmid: Unsere Konfliktlotsen haben zunächst den großen Vorteil, dass sie eine Außenperspektive haben, die neutral sein kann.

Prohaska: Heute kann man nirgendwo mehr so richtig Dampf ablassen, deshalb eskalieren Konflikte so schnell. Beim Konfliktlotsen können sich beide Streithanseln ausweinen und dadurch auch ihre Gedanken neu sortieren, Dinge hinterfragen und ihre erste Emotion relativieren.

Schmid: Wir vermitteln in der neuntägigen Ausbildung unter anderem Deeskalationstechniken sowie Kompetenzen für eine lösungsorientierte Gesprächsführung, im Einzel- sowie im Gruppengespräch. Wichtig ist uns auch das Reflektieren über das eigene Konfliktverhalten: was bedeutet es, eine neutrale Position einzunehmen?

Hat jeder von uns das Zeug zum Konfliktlotsen?

Prohaska: Man benötigt keine speziellen Vorkenntnisse, aber es ist von Vorteil, wenn man gut zuhören und sich in andere Menschen reindenken kann. Man muss beide Konfliktseiten verstehen und eigene Präferenzen hintanstellen. Wichtig ist bei jedem Gespräch auch der nächste konstruktive Schritt.

Was kann passieren, wenn Konflikte nicht gelöst werden?

Schmid: Unternehmen können – schneller als man glaubt – Schlüsselkräfte verlieren. Es gibt deutsche Studien, die zeigen, dass einer Firma nur ein einziger Mobbingfall 60.000 Euro kostet. Ich habe im Zuge meiner Recherchen 60 Manager interviewt: die geben sogar zu, dass sie ein Drittel ihrer Energie für die Lösung von Problemen aufbringen müssen. Da beißt sich jedoch die Katze in den Schwanz: Um die Produktivität eines Unternehmens zu steigern, wird überall eingespart, dann brechen Konflikte aus, die genau jene Produktivität verhindern.

Prohaska: Im privaten Bereich liest man den Worst case auf den Chronik-Seiten der Zeitung: Mord und Totschlag. Dabei ist es bei Familien- oder Nachbarschaftsstreitereien nicht viel anders als im Job: Es wird oft viel zu lange zugewartet, nicht zuletzt deshalb, weil die Kompetenzen für ein lösungsorientiertes Gespräch fehlen.

Schmid: Das Ignorieren und Nicht-Lösen eines Konflikts kann nicht nur Unternehmen, es kann auch im privaten Bereich Existenzen finanziell an den Abgrund bringen. Man denke nur an all die Scheidungsverfahren.

Wie kann man einen Konflikt frühzeitig erkennen?

Prohaska: Hinschauen, ernst nehmen, Klartext reden, das Unangenehme ansprechen. Gefühle dürfen geäußert werden, aber ohne den anderen mit Vorwürfen zu bombardieren oder gar zu beschimpfen.

Schmid: Nicht zu Unrecht heißt es im Volksmund: "Der erste Verdruss ist der beste."

Ein E-Mail schicken?

Schmid: Da heißt es so treffend: "A Schriftl ist a Giftl."

Und wenn der Konflikt schon eskaliert ist, was ist dann zu tun?

Prohaska: Leider haben wir auch da Erfahrung, denn oft kommen die Kunden zu uns, wenn’s schon Scherben gibt. Und erwarten sich dann eine rasche Lösung nach einem 45-minütigen Gespräch.

Schmid: Wichtig ist auch in dieser Phase ein ehrliches Interesse an einer gemeinsamen Lösung. Wenn man einem Lösungsvorschlag nur zustimmt, um damit seine Ruhe zu haben, wird der Konflikt erneut eskalieren.

Gibt es Konflikte, die auch Konfliktlotsen nicht lösen können?

Prohaska: Wenn es nicht gelingt, sich auf einen gemeinsamen Nenner zu einigen, dann kann auch die Konsequenz sein, dass man sich künftig aus dem Weg geht.

Schmid: Manchmal kann es auf dem Weg zu einer Lösung auch notwendig sein, einen Konflikt bewusst eskalieren zu lassen.

In welchen Bereichen könnten Konfliktlotsen noch helfen?

Prohaska: Grundsätzlich in allen Konfliktsituationen, auch bei den derzeit gesellschaftspolitisch besonders heiklen Wertekonflikten. Wobei es dort nur dann eine Lösung geben kann, wenn man sich gegenseitig akzeptiert. Solange jemand behauptet, dass sein Gott besser ist als der Gott seines Gegenübers, ist eine Lösung nicht möglich.

Schmid: Auffallend ist, dass viel zu oft in den Schemen richtig-falsch bzw. gut-böse gedacht und agiert wird. Konflikte lassen sich aber nur dauerhaft lösen, wenn beide Seiten ernsthaft beginnen, den anderen zu akzeptieren.

PS: Der nächste Konfliktlotsen-Lehrgang startet am Dienstag, 10. Jänner 2017.

Sabine Prohaska

Wirtschaftspsychologin, seit 20 Jahren im Managementtraining tätig. Kann auf viel Erfahrung für eine lösungsorientierte Gesprächsführung verweisen. Buchautorin und Inhaberin eines Trainingsinstituts in Wien 15. Nähere Informationen unter: www.seminarconsult.at

Harald Schmid

Selbstständiger Coach und Mediator, zuvor Personalchef und Personalentwickler beim Verkehrsbüro sowie bei der Raiffeisen Bausparkasse. Er ist spezialisiert auf Konflikt- und Trennungsmanagement. Nähere Informationen unter: www.klaglos.at

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