Die Planetenjägerin aus Österreich

Die renommierte österreichische Astrophysikerin Lisa Kaltenegger.
Eine zweite Erde? Außerirdisches Leben? Astrophysikerin Lisa Kaltenegger über ihr erstes Buch.

Es ist sicherlich keine Übertreibung, wenn man sie als Superhirn bezeichnet. Doch ihre Überlegenheit lässt Lisa Kaltenegger ihr Gegenüber nicht spüren. Ihr Metier sind die unendlichen Weiten des Weltalls. Seit Jahren geht sie der Frage nach: Gibt es eine zweite Erde, auf der Leben existieren könnte oder sogar existiert? Wie sich Exoplaneten, neue Sonnen & Co. finden lassen, erzählt die renommierte Wissenschaftlerin charmant und vor allem verständlich in ihrem ersten Buch "Sind wir allein im Universum?".

Die Astrophysikerin war an der Entdeckung der erdähnlichen Exoplaneten Kepler 62e und 62f beteiligt. In den USA baut sie ein nach Carl Sagan benanntes Institut auf. "Das Angebot war der Höhepunkt meiner Karriere. Jeder Wissenschaftler träumt davon, sich sein eigenes Team aufzubauen", sagt sie im KURIER-Interview.

KURIER: Frau Kaltenegger, eine Frau und Astrophysik. Das klingt doch sehr exotisch. Waren Sie schon als Kind am Weltall interessiert?

Lisa Kaltenegger: Nein, überhaupt nicht. Erst mit 20 habe ich mir mein erstes Teleskop gekauft. Als der erste Planet außerhalb unseres Sonnensystems entdeckt wurde, war ich gerade 18. Die Entdeckung faszinierte mich. Aber weil ich nicht wusste, was mir Spaß machen wird, habe ich gleich fünf Studien begonnen: BWL, Japanisch, Medienkunde, Astronomie und Technische Physik. Bei Astronomie und technischer Physik blieb ich dann hängen. Gleich nach dem Studium bekam ich ein Angebot von der Europäischen Weltraumorganisation. Zuerst fragte ich bei der ESA nach: Seid ihr euch sicher? Ich als Österreicherin soll zur ESA kommen?

Wie schafft man es, sich als Frau in einer Männerdomäne durchzusetzen? Mit Mut?

Ich bin nicht mutig, aber sehr neugierig. In diesem Job benötigt man die Bereitschaft, ins Ausland zu gehen. Ich war in Heidelberg, dann Boston und jetzt bin ich in New York.

Die Planetenjägerin aus Österreich
Lisa Kaltenegger
Das klingt jetzt zu einfach. Sie mussten nie mit Vorurteilen kämpfen?

Doch, aber ich hatte immer tolle Mentoren. Als ich meinen Job bei der ESA antrat, passierte es, dass mein Chef bei einem Vortrag die Unterlagen für die Wissenschafter im Auditorium vergaß. Ich erklärte mich natürlich bereit, das für ihn zu erledigen. Aber er meinte: "Wenn Sie jetzt kopieren gehen, sind Sie für die anwesenden Forscher und Ingenieure als Assistentin und nicht als Wissenschaftlerin abgestempelt. Deswegen erledige ich das." Natürlich muss man sich als Frau beweisen und darf nicht den gängigen Klischees entsprechen. Meine erste Rede in einem schwarzen Kleid habe ich gehalten, als ich vor drei Jahren den Heinz-Maier-Leibnitz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft erhielt. Da dachte ich: "So, jetzt kann ich mir es leisten."

Glauben Sie, dass man eine zweite Erde finden wird?

Als Wissenschaftlerin würde ich sagen: Die Frage ist offen. Aber persönlich würde es mich sehr überraschen, wenn wir nichts finden. Schließlich hat nach neuen Forschungsergebnissen jeder fünfte Stern einen Planeten im richtigen Abstand und in der richtigen Größe, um bewohnbar zu sein. Und allein in unserer Milchstraße gibt es viele Milliarden Sterne. Eine Milliarde davon hat potenziell lebensfreundliche Welten.

Die Planetenjägerin aus Österreich
Angenommen, da ist eine zweite Erde. Wie lange hat die Menschheit Zeit, ein Raumschiff zu bauen, das Lichtjahre überwindet?

Im Moment haben wir nichts, um einen anderen Planeten zu erreichen. In einer Milliarde Jahre wird die Sonne so hell sein, dass alles Wasser auf der Erde verdampft sein wird. Das heißt, in einer Milliarde Jahre sollten wir ein Raumschiff entwickelt haben, das uns zu einem anderen Planeten bringt. Aber wenn wir in Zukunft mit 10 Prozent der Lichtgeschwindigkeit fliegen könnten, dann brauchen wir zum nächsten Stern immer noch 40 Jahre.

Sie waren an der Entdeckung der erdähnlichen Exoplaneten Kepler 62e und 62f beteiligt. Was tun Sie, ehe Sie damit an die Öffentlichkeit gehen?

Als Wissenschaftler muss man mit einer kritischen Einstellung an die Sache gehen: "Vorsichtig optimistisch, aber immer richtig kritisch." Bei Kepler 62e und 62f haben wir über ein Jahr lang die Daten geprüft, bevor wir sie bekannt gaben. Sie umkreisen tatsächlich ihren Stern im gerade richtigen Abstand, sodass es flüssiges Wasser auf der Oberfläche geben könnte. Aber dann kommt es noch auf die Atmosphäre an.

Die Planetenjägerin aus Österreich
Ihre Leidenschaft ist das Bestimmen der Atmosphäre bei Exoplaneten. Wie geht das?

Wir haben dazu eine eigene Methode entwickelt. Wir suchen nach dem Licht des Planeten – entweder das reflektierte Sternenlicht oder dessen Hitzestrahlung. Dann bricht man es, so ähnlich wie bei einem Regenbogen, in die Farben auf. Wir wissen von der Erde, welche Lichtsignatur für welche Zusammensetzung der Luft steht. Nach solchen Licht-Fingerabdrücken für Leben suchen wir im All.

Welche Lebensformen könnte es auf den Exoplaneten geben?

Perfekt für ein Weltraum-Programm sind die Tardigrada – oder auch kleine Wasserbären genannt. Sie sind zwischen 0,5 und 1,5 Millimeter klein, aber große Überlebenskünstler. Sie schaffen Meisterleistungen, wie bei minus 200 Grad zu überleben oder gekocht bis 100 Grad Celsius. Aber Leben könnte ganz anders aussehen, als wir bisher glauben. Etwa auf dem Exoplaneten Gliese 581d: Weil dessen Stern schwächer als die Sonne strahlt, bräuchte eine Orchidee dort vermutlich mehr CO₂. Dann aber wäre der Stängel nicht grün, sondern schwarz. Zusammen mit rosa Blüten – wäre das nicht schön?

Die Planetenjägerin aus Österreich
cover
Buchtipp:"Sind wir allein im Universum?", ecowin-Verlag,19,95 Euro.
Das Superhirn

Die Astrophysikerin und Astronomin Lisa Kaltenegger (37) aus Salzburg forscht an der Cornell University im Bundesstaat New York nach Exoplaneten, Exomonden und Supererden im Weltraum. 1999 schloss sie ihr Studium der Astronomie ab und im Jahr 2002 folgte der Abschluss des Studiums der Technischen Physik. Von da an ging es mit ihrer Karriere stets bergauf. Nach dem Studium arbeitete Kaltenegger für die Europäische Weltraumorganisation (ESA).

Karriere in Übersee

Im Alter von 27 Jahren wechselte Kaltenegger nach Boston an die Harvard Universität. 2010 übernahm sie die Leitung einer internationalen Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Astronomie. Im Moment ist sie Leiterin des Carl-Sagan-Instituts an der Cornell University. Sie arbeitet auch für die NASA. Der Asteroid (7734) Kaltenegger wurde nach Lisa Kaltenegger benannt. 2014 wurde die Physikerin Mutter einer Tochter.

Kommentare