Frühlingsgefühle: Das Geheimnis des Verliebens

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Was Singles jetzt wissen sollten, wenn sie dem oder der "Richtigen" begegnen wollen.

Licht. Luft. Sonne. Das ist der Cocktail, aus dem die Lust, sich neu zu verlieben, gemixt ist. Doch warum funkt es bei dem einen und bei dem anderen Menschen gar nicht? Existiert gar so etwas wie ein geheimnisvolles Gesetz der Anziehung? Und was tun, wenn die rosarote Brille fällt? Im KURIER-Interview erzählt die Paartherapeutin Evelin Brehm, wie die Suche nach der/dem "Richtigen" von inneren Bildern aus der Kindheit geprägt ist und was das für die Partnersuche konkret bedeutet.

KURIER: Sie beraten Singles, die auf Partnersuche sind. Ist es ein Zufall, wen wir attraktiv finden?

Evelin Brehm: Nein. Weil wir einen anderen Menschen aufgrund einer unbewussten Partnerwahl auf Basis eines Imago suchen. Dieses Imago ist das innere Bild, das wir von Beziehung haben. Es wird in der sehr frühen Kindheit kreiert. Jeder von uns trägt so ein Bild in sich – wie Beziehung sein, sich anfühlen soll und was man vom Partner braucht. Wir suchen nicht irgendjemanden, sondern jemanden, der uns das geben kann, was wir brauchen. Singles können schauen, was ihr Imago geprägt hat und wie ihre unbewusste Vision von Beziehung aussieht. Diese Vision hängt damit zusammen, was wir in der Kindheit von den Eltern in den diversen Entwicklungsphasen nicht bekommen haben. Nähe oder Freiheit, etwa, Anerkennung der Kompetenz – diese ganzen Grundthemen. Um da nicht wieder in die Falle zu tappen, kann man sich das eigene Beziehungsverhalten genauer anschauen.

Was genau schaut man da ?

Welche Erwartungen habe ich, welche unbewussten Bilder werde ich auf meinen nächsten Partner projizieren. Woher kommen die? Wie sind sie durch mein inneres Bild gesteuert? Weshalb gehe ich nicht in die volle Lebendigkeit, sondern halte immer was ängstlich zurück? Welche Bilder projiziere ich von der ersten Sekunde an auf eine Person? Man entdeckt also, wer die favorisierten Beziehungspartner sind und mit welchem Teil des eigenen Imagos – dem Mutter- oder Vater-Imago ich sie identifiziere.

Man lernt also, sich in den "Richtigen/die Richtige" zu verlieben?

Genau. Wobei man in dem Moment, wo sich jemand verliebt, gar nichts weiß. Verliebte sind bekanntlich wie unter "Drogen", da spielen körpereigene Substanzen wie das Hormon Phenylethylamin oder Oxytocin ein große Rolle. Sie schalten den "Verstand" aus, erzeugen die rosarote Brille. Und doch: In hellen Momenten weiß man dann, was das Thema sein wird und was mir mit diesem Menschen wieder passieren wird.

Weil es nach spätestens einem Jahr wieder so weit ist, dass es um die Wahrheit geht…

Um die eigene Wahrheit und die Wahrheit, den anderen als Menschen zu erkennen und nicht nur als Projektionsfläche. Wo die rosarote Brille etwas grau wird, der Machtkampf beginnt und dieses Gefühl, ich bekomme schon wieder nicht das, was ich brauche.

Ist Verlieben heute schwieriger geworden?

Das Verlieben ist nicht schwieriger geworden. Aber viele Menschen sind vorsichtiger geworden. All diese Beziehungsplattformen führen auch dazu, dass es so etwas wie eine Inflation von Möglichkeiten gibt. Das bedeutet, dass man in zehn Wochen zehn verschiedene Partner treffen und sich aussuchen könnte, wen man will. Bei Tinder kann man sich durch den Katalog blättern, das Risiko ist groß, verletzt zu werden. Und Beschämung zu erleben, wenn man den anderen das erste Mal trifft, weil dann spürt man schon, passt das innere Bild mit der Realität zusammen. Denn meist passt es dann nicht zusammen.

Ist der Frühling tatsächlich die Zeit, in der die Menschen vermehrt sagen: Ich möchte mich wieder verlieben?

Ich weiß nicht, wie Sie es spüren, aber ich warte auf die Sonne. Winter ist genug und angezogen sein ist genug und indoor ist genug. Das hat viel mit optischen Reizen und Sinnlichkeit zu tun. Man kann wieder raus – aus sich, aus Räumen. Um Kontakt zu haben und mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, ohne eingemummt zu sein. Es geht darum, sich auch wieder selbst zu spüren.

Warum sprechen wir überhaupt von Frühlingsgefühlen? Ganz einfach: Die Tage werden jetzt wieder länger, die Temperaturen steigen. Der Mensch muss sich nicht bis zur Unkenntlichkeit vermummen, die Kleidung wird leichter – man geht hinaus und „aus sich heraus“, ist also eher bereit für neue Begegnungen und Aufbruch. Einer der wichtigsten Taktgeber dafür ist Licht – siehe nächster Punkt.

Stimulus Licht

„Wie herrlich leuchtet mir die Natur, wie glänzt die Sonne, wie lacht die Flur“, schrieb Dichter Goethe im „Mailied“. Und tatsächlich: das verlängerte Tageslicht wirkt und justiert die innere Uhr neu. Es führt zu einer vermehrten Ausschüttung diverser Botenstoffe im Gehirn, etwa der Stimmungsbooster Serotonin, Endorphin oder Dopamin. Warum? Weil das Licht die Produktion des Schlafhormons Melatonin unterdrückt und so mehr Serotonin gebildet werden kann. Serotonin fördert Wachheit, Gelassenheit, Zufriedenheit – und wirkt Angstgefühlen entgegen. Die Stimmung steigt. Dopamin wiederum steigert die Leistung, fördert die Lust an Aktivitäten und macht uns umtriebig. Dazu kommt: Das Sonnenlicht auf der Haut führt zu einer vermehrten Freisetzung sogenannter Beta-Endorphine, die – nomen est omen – euphorisierend wirken, aber auch Schmerzen lindern. All diese Stimuli haben einen Effekt auf das Verhalten der Menschen – und erhöhen so die Bereitschaft für Nähe.

Sonne macht locker und großzügig

Dass Licht auf die Spendenfreudigkeit und Toleranz von Menschen wirkt, zeigen mehrere Studien. „Menschen werden spendabler, sind hilfsbereiter, schwache Schüler haben bessere Chancen, an Unis angenommen zu werden,“ schreibt der Wissenschaftsjournalist Axel Bojanowski im Buch „Wetter macht Liebe“ (DVA). Er schreibt übrigens auch, dass die meisten Babys in Industrienationen wie Deutschland oder Großbritannien nicht im Frühling gezeugt werden, sondern im Dezember. Die meisten Kinder werden also im September geboren. „Offenbar fördert das Wetter den Sex“, schreibt Bojanowski. Und führt eine Studie der Uni Breslau an, in der Männer über einen bestimmten Zeitraum hinweg Fotos von Frauen in Unterwäsche bewerten mussten. Dabei zeigte sich, dass sie im Winter am begeisterungsfähigsten waren – die größte Anziehung empfanden sie im Dezember.

Sind Verliebte wirklich „verrückt“?

Durchaus. Eine Studie des Kinsey-Instituts zeigte, dass das Gehirn Verliebter jenem von Menschen ähnelt, die Kokain konsumiert hatten. Es werden ähnliche Regionen im Gehirn aktiviert, die durch Drogenkonsum stimuliert werden. Das hat vor allem mit dem Neurotransmitter Dopamin zu tun, der das Gehirn flutet. Man kann da durchaus von einem „Verknall-Effekt“ sprechen. Dopamin wirkt euphorisierend und spielt immer eine Rolle, wenn es um Belohnungen geht – oder bei Sucht. Und dann gibt es noch das Verliebtheitshormon Phenylethylamin, es regt die Dopaminausschüttung an und erzeugt Glücksgefühle. Allerdings hat es einen gewissen Gewöhnungseffekt. Deshalb kommt schließlich das Oxytocin ins Spiel, auch bekannt als „Treuehormon“.

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