Haustiere: Abschied für immer

Haustiere: Abschied für immer
Haustiere sterben selten eines natürlichen Todes. Der Tierarzt hilft, den richtigen Zeitpunkt für die Erlösung vom Leid zu finden.

Es ist die schwerste Entscheidung im Zusammenleben von Mensch und Heimtier", sagt Zoodoc Thomas Voracek aus der Tierärztlichen Ordination Tiergarten Schönbrunn. Er meint damit die Verantwortung des Haustierbesitzers, den Sterbezeitpunkt für seinen Schützling zu bestimmen. Gefühle sagen anderes als der Verstand: der Wegbegleiter soll noch nicht gehen, zum länger Bleiben ist er aber zu schwach.

"Natürlich wäre es schön, wenn ein Heimtier in der Nacht einschläft und nicht mehr aufwacht. Doch das ist den wenigsten vergönnt", sagt KURIER-Tiercoach Dagmar Schratter. Die Direktorin des Tiergarten Schönbrunn hat schon viele Tiere leben, leiden und sterben sehen: "Tod, Trauer und Trostsuche sind Teil des Lebens."

Die beiden Experten aus dem KURIER-Tiercoach-Team erklären, wie das Einschläfern als Gnade empfunden werden kann – von Zwei- und Vierbeinern.

Unausweichlich

Die Lebenserwartung der Heimtiere steigt. Gesunde Nahrung im Überfluss und die moderne Veterinärmedizin machen es möglich. Der Tod ist trotzdem unausweichlich. "Der häufigste Fall ist, dass sich ein altes, chronisch krankes Tier nicht mehr erholt. Wenn sich sein Zustand trotz medizinischer Intervention nicht nachhaltig verbessert, ist der richtige Moment, mit dem Besitzer über das Einschläfern zu reden", weiß der Tierarzt aus Erfahrung. Er sieht auch oft, dass viele Heimtierhalter den Zustand ihres Lieblings falsch einschätzen. Dann ist Fachwissen gefragt – und fast ebenso oft nachgefragt.

Beratung

Soll die fünfzehnjährige Katze nach einem schweren Unfall aufwendig operiert werden? Hilft dem betagten Hund mit dem Tumor am Bein eine Amputation? "Wir besprechen die individuelle Situation ausführlich und suchen gemeinsam nach dem richtigen Weg", sagt Voracek: "Primär richtig fürs Tier. In zweiter Linie für den Besitzer." Mit in die Überlegungen einbezogen wird, dass Tiere im Hier und Jetzt leben. Sie können sich nicht mit dem Ausblick auf eine bessere Zukunft trösten. "Das Einschläfern ist ein Privileg, das wir nützen können, um Leid zu beenden", sagt Schratter. Das letzte Wort, den Schützling zu erlösen, hat der Besitzer.

Ist der Zeitpunkt gekommen, spritzt der Tierarzt den Vierbeiner in eine tiefe Narkose. Erst, wenn das Haustier gänzlich ohne Bewusstsein ist und schmerzfrei, folgt die nächste Spritze. Sie führt zu Atem- und Herzstillstand. "Heimtiere haben keine Angst vor dem Sterben", sagt der KURIER-Tiercoach. Der Besitzer kann beim Einschläfern dabei sein. Idealerweise erlöst der Veterinärmediziner den Patienten in gewohnter Umgebung. Mittlerweile gibt es darüber hinaus die Möglichkeit, das Familienmitglied mit Zeremonie begraben bzw. verbrennen zu lassen.

"Totenkult um domestizierte Tiere hat es schon immer gegeben", sagt Schratter. Die alten Ägypter mumifizierten Katzen & Co. und setzten sie in riesigen Nekropolen bei. Der römische Kaiser Hadrian ließ seinem Hund ein Denkmal errichten. Im Europa des Mittelalters erlebten Tierbestattungen eine Blüte. Heute sind Friedhöfe für Haustiere weit verbreitet.

Ablenken

"Besitzer reagieren auf den Tod ihres Haustieres völlig unterschiedlich", sagt der Zoodoc. Trauerarbeit muss in jedem Fall geleistet werden. Eine Verabschiedung hilft, Beistand von Freunden tut gut, Hund, Katze & Co. spenden Trost. "Die meisten Tierbesitzer sind Wiederholungstäter", sagt Voracek. Manche lassen sich Zeit mit der Anschaffung eines neuen Mitbewohners, andere lenken sich sofort mit einem lebhaften Nachfolger ab. "Ein neues Heimtier ersetzt das verstorbene nicht", sagt Schratter: "Jedes Tier ist ein Individuum für sich."

Aufbahrung, Grab und Urne schaffen Trost

Er führte ein herrliches Hundeleben. Davon konnten sich alle Trauergäste überzeugen. Während 60 Powerpoint-Bilder in der Aufbahrungshalle gezeigt wurden, legte die Besitzerin ihrem Liebling Ball, Knochen und Decke in den Sarg, streichelte ein letztes Mal über sein Fell, weinte und sagte leise: "Leb wohl". Jetzt ruht der Vierbeiner auf dem Tierfriedhof Wien (tfw) an der Simmeringer Hauptstraße.

"In Wien ist es verboten, Tiere im Garten zu vergraben", erklärt Zoodoc Thomas Voracek aus dem KURIER-Tiercoach-Team. Hygienemaßnahme, Seuchenprävention. Seit dem Vorjahr können Heimtierhalter ihren Vierbeiner am tfw mit Zeremonie verabschieden. Das hilft bei der Bewältigung des Verlusts.

"Derzeit werden alle bereits vergebenen Gräber besucht, manche sogar jeden Tag, andere jeden zweiten Tag, und manche kommen ein Mal in der Woche vorbei, um ihren Liebling zu besuchen", beschreibt Florian Keusch von Bestattung & Friedhöfe Wien. 64 Heimtiere wurden dort bisher beerdigt, 14 Gräber sind reserviert. Der Großteil der Hunde und Katzen ruht in Särgen, nur neun Urnen sind in der parkähnlichen Anlage beigesetzt.

Allein ein Kleintiergrab inklusive Kartonsarg, Holzgedenkzeichen und Inschrift kostet für zwei Jahre 203,60 Euro. Im Wiener Tierkrematorium hängt der Preis für eine Feuerbestattung u. a. vom Gewicht ab (Einzelkremierung bis 2 kg: 80 €) und vom Modell der Urne (36 € bis 132 €).

INFO

Details zu Kremierung, Urnen- und Körperbestattung in Wien sowie zum kostenlosen Abholservice von ebs-Tierkörperbeseitigung unter 01 / 523 46 79.

Todesfall: Keine Trauer aus Mitleid

Artgenossen Ob Katzen, Hunde, Kleintiere und Vögel den Tod begreifen, ist nicht erforscht. Auf jeden Fall bemerken die Vierbeiner die Verkleinerung des "Rudels", sie reagieren auf das Ableben eines Artgenossen unterschiedlich. "Wenn sich zum Beispiel Hund und Katze gut verstanden haben, wird der eine den anderen vermissen", sagt Zoodoc Thomas Voracek: "Haben sie sich gehasst, blüht der eine nach dem Tod des anderen auf."

Besitzer Stirbt der Heim­tierhalter, geht dem Vierbeiner die Bezugsperson zunächst ab. Er verweigert eventuell tagelang die Nahrung. Experten bezweifeln trotzdem, dass dieses Vermissen mit dem menschlichen Gefühl der Trauer aus Mitleid vergleichbar ist. Der Tierarzt aus dem KURIER-Tiercoach-Team sagt: "Auch ein alter Hund kann sich gut an ein neues Herrl gewöhnen. Wichtig ist, dass das Tier in die Familie passt."

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