Neue Dating-App setzt auf Stimme statt Aussehen

Die Stimme sagt beim Daten mehr aus, als ein Foto.
Bei "Whispar" steht nicht das Bild im Vordergrund, sondern die Stimme.

Was im Film "Her" noch unter Science Fiction fiel, könnte bald Realität werden: Im Kino-Hit von 2013 verliebt sich Hauptdarsteller Joaquin Phoenix unsterblich in die Stimme von Scarlett Johansson; die neue App "Whispar" (www.getwhispar.com) verfolgt ähnliche Ziele. Im Gegensatz zu den meisten Flirtportalen steht hier nicht die Optik, sondern zuerst einmal die Sprache im Fokus. "Das Foto wird am Anfang stark verschwommen dargestellt. Erst wenn das Audioprofil angehört wurde, wird das Bild scharf dargestellt", erklärt der Wiener Unternehmer Florian Gutmann (28), der die kostenlose App entwickelt hat. Sein Konzept kommt an: Seit dem Startschuss Ende April haben sich zehntausend Singles angemeldet, einen Monat später wurde "Whispar" zur besten europäischen Dating-App gekürt.

KURIER: Dating-Apps gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Wie kam es zu der Idee, eine App zu entwickeln, bei der es vordergründig um die Stimme geht?

Florian Gutmann: Ich habe in meinem Bekanntenkreis sehr viele Menschen, die Dating-Apps verwenden. Dabei habe ich immer wieder festgestellt, dass es viele frustrierende Erlebnisse gibt. Das Problem bei den herkömmlichen Apps ist, dass sie meist sehr oberflächlich sind, man selten Antworten bekommt und es beim ersten Date oft zu bösen Überraschungen kommt. Durch das lose Hin- und Hergeschreibe vor dem ersten Kennenlernen wird eben nicht viel über den Menschen transportiert und man weiß eigentlich gar nicht, mit wem man es zu tun hat.

Neue Dating-App setzt auf Stimme statt Aussehen
Gutmann Whispar, honorarfrei

Man könnte meinen, die Menschen hätten langsam genug vom oberflächlichen Tinder-Wahnsinn.

Das ist auch mein Eindruck. Das rein auf die Optik reduzierte Hin- und Herwischen, wie es Tinder anbietet, geht nicht sehr tief und viele User haben relativ schnell genug davon. Die meisten Leute sehnen sich doch nach der wahren Liebe und Tinder ist nicht unbedingt dafür geeignet, die große Liebe zu finden. Dafür ist es einfach zu unpersönlich.

Warum sollte nun genau Whispar den Ausweg aus dem oberflächlichen Dating-Dschungel bieten?

Weil es anders funktioniert – nicht die Optik, sondern die Stimme steht am Anfang im Vordergrund. Durch die Sprache wird von Anfang an ein persönlicher, echter, direkter Eindruck vermittelt. Wenn man jemand anderen hört oder etwas über sich erzählt, ist man näher bei dem Menschen, als wenn man nur sein Bild sieht und dann über Texte kommuniziert.

Wer sich bei Whispar anmeldet, muss ein 30 Sekunden langes Sprachprofil erstellen. Was sollte man beim Aufnehmen beachten?

Ich denke, bei der Sprachnachricht ist es am wichtigsten, dass man sich selbst treu bleibt und nicht versucht, sich zu verstellen. Ein Tipp ist, einfach locker zu bleiben und beim ersten Versuch nicht unbedingt perfekt sein zu wollen. Wir merken, dass sich manche User anfangs schwer tun, weil sie einfach zu perfekt sein wollen. Aber gerade Kleinigkeiten wie ein Räuspern oder ein Lachen sagen sehr viel über die Persönlichkeit eines Menschen aus.

Neue Dating-App setzt auf Stimme statt Aussehen
Whispar Screenshot

Wie viel kann eine Stimme überhaupt über jemanden verraten?

Viel. Dabei kommt es oft gar nicht auf den Inhalt des Gesprochenen an, sondern viel mehr, ob die Stimme sympathisch klingt, wie Ausdrucksweise und Tonlage sind und ob zum Beispiel Humor oder Sarkasmus mitschwingen. Auch Dialekte sollte man auf keinen Fall verstecken, sie sind ein wichtiger Teil der Persönlichkeit. Wenn man nur die Stimme einer Person hört, ohne sie dabei zu sehen, entsteht gleich ein Bild des anderen im Kopf. Die Stimme kann uns dabei viel persönlicher berühren als reiner Text.

Einige Singles, die Whispar probiert haben, berichten, wie schwer es ihnen fiel, die Nachricht aufzunehmen. Warum ist die Hemmschwelle bei der eigenen Stimme so hoch?

Es ist einfach noch etwas Neues, in dieser Form über sich zu erzählen, und daher am Anfang noch ungewohnt. Allerdings ist unsere Erfahrung auch, dass die Hemmschwelle nach dem ersten Aufnehmen schnell verschwindet und das Kommunizieren über Sprache dann natürlich und einfach von statten geht. Wir sehen, dass der Trend stark in die Richtung geht: weg vom Text, wieder hin zur natürlichen Form der Kommunikation, dem miteinander Reden.

Neue Dating-App setzt auf Stimme statt Aussehen

Sie legen viel Wert darauf, dass die Handynummern der User anonym bleiben. Früher wurden Nummern beim Kennenlernen als erstes ausgetauscht, heute scheint sie das letzte zu sein, das man hergibt. Ist Telefonieren in Zeiten von WhatsApp überhaupt noch in?

In den vergangenen Jahren wurde der Fokus schon sehr auf Chat- und Kurznachrichten gelegt. Es gibt aber auch viele Leute, die mit dieser Form der Kommunikation nicht viel anfangen können und nicht so gerne auf dem Smartphone tippen. Oft ist es viel einfacher, sich über ein Telefonat zu verständigen als über langwieriges Tippen. Außerdem geht in reinem Text sehr viel verloren, was gerade beim Kennenlernen eine große Rolle spielt. In letzter Zeit ist wieder vermehrt der Einzug der Sprache ins Smartphone zu beobachten. Sprachgesteuerte Assistenten wie Siri und Google Now sind erst der Anfang. Der Trend geht definitiv wieder mehr zurück zum Sprechen.

Mit Ihrer App wollen Sie vor allem Frauen ansprechen. Warum?

Weil sie die Sicherheit bietet, die besonders Frauen bei anderen Dating-Plattformen oft vermissen. Durch die Stimme und das Reden merkt man rasch, mit welcher Art von Mensch man es zu tun hat. Man kann sich sehr persönlich kennenlernen, ohne persönliche Kontaktdaten auszutauschen, bis man sicher ist, dass man das wirklich möchte. Generell sprechen wir aber alle Personen an, die eine ernsthafte Beziehung suchen. Wir überprüfen auch manuell alle öffentlich im Profil zugänglichen Informationen, um Qualität zu gewährleisten. Bei uns geht es um die echte, wahre Liebe.

Wir flirten auch mit der Stimme – zu diesem Schluss kam Susan Hughes, Professorin für Psychologie am Albright College (USA), in einer 2014 veröffentlichten Studie. Die Probanden sollten Nachrichten auf den Anrufbeantworter von fremden Personen sprechen, von denen sie nur ein Foto kannten. Das Ergebnis: Alle Teilnehmer verwendeten eine tiefere Stimme, wenn sie zu einer Person sprachen, die sie attraktiv fanden.

Volltönend und warm klingt angenehm

"Grundsätzlich kommen vollklingende, warme, resonanzreiche und melodiöse Stimmen bei beiden Geschlechtern gut an und werden als angenehm empfunden", bestätigt die Wiener Stimmtrainerin Doris Meixner (www.stimmig.at). Bei der Partnersuche kommen allerdings noch andere Faktoren ins Spiel. "Die männliche Stimme, die Frau anspricht, sollte sonor klingen und eine gewisse Tiefe besitzen, denn diese Attribute signalisieren Männlichkeit, Selbstbewusstsein, Souveränität und wirken erotisch ansprechend", erklärt Meixner.

Umgekehrt sind die stimmlichen Vorlieben nicht so eindeutig – sie hängen stark vom Rollenverständnis des Mannes ab. "Männer, die sich in einer Beziehung als den bestimmenden, dominanten Part sehen, wünschen sich eine passivere, zurückhaltende oder möglicherweise auch kindlich-naive Partnerin. Diese Männer werden sicher eher auf Frauen mit leisen, zarten, überhöhten oder kindlichen Stimmen reflektieren."

Emanzipation verändert Stimme

Im Zuge der Emanzipation hat sich das männliche Idealbild der weiblichen Stimme allerdings verändert. Meixner: "Männer, die sich eine Partnerin auf Augenhöhe wünschen und selbstbewusste Frauen schätzen, werden sich von volltönenden, resonanzreichen und klaren Stimmen angesprochen fühlen. Hinzu kommt, dass für viele Männer tiefe Frauenstimmen mit einem warmen Timbre sinnlich und erotisch klingen – ein nicht unwesentlicher Part bei der Partnersuche."

Apropos erotisch: Glaubt man einer Studie des US-Psychologen Gordon Gallup von der Universität Albany, verrät die Stimme so einiges über die sexuelle Aktivität. Für seine Studie hörten 150 Frauen und Männer die Stimmen von Fremden, die den Wissenschaftlern zuvor Informationen über ihr Sexualleben gegeben hatten. Danach sollten die Probanden die Attraktivität der Stimmen bewerten. Es stellte sich heraus, dass Teilnehmer, deren Stimme beim anderen Geschlecht gut ankam, mehr sexuelle Kontakte hatten.

Noch genauer wollte es Gallup vier Jahre später wissen: Er nahm die Stimmen von Frauen in verschiedenen Zyklusphasen auf und spielte sie männlichen und weiblichen Studenten vor. Am attraktivsten klangen jene Frauen, die sich gerade in der fruchtbaren Phase befanden.

Lächeln hört man

Dass eine Kennenlern-App über die Stimme funktioniert, findet Stimmcoach Doris Meixner gut. "Generell verrät die Stimme sehr viel über unseren Charakter. Eine kraftvoll und dynamisch eingesetzte Stimme signalisiert Selbstbewusstsein und Vitalität. Eine überhöhte Stimme, möglicherweise in Kombination mit einer undeutlichen Artikulation und vielen ‚Ähms‘, zeigt Unsicherheit."

Wer bei "Whispar" ein Audioprofil erstellen will, sollte sich einen roten Faden überlegen, nicht ablesen, aufrecht sitzen, vorher mehrmals "mhmm" tönen sowie auf eine gleichmäßige Atmung achten, rät Meixner. Und: "Lächeln Sie beim Sprechen. Humor kommt immer gut an."

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