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Der Iso-Drink der Antike
Ein Aschetrunk half Gladiatoren, sich nach ihren Kämpfen auf Leben und Tod zu regenerieren.
Der überlebende Gladiator, der seinem vor ihm knieenden Gegner gerade das Schwert in den Hals getrieben hat, kehrt schwankend in seinen Ludus (die Gladiatorenschule) in Ephesos zurück. Mit zitternden Händen rührt er sich einen Becher mit einem Tonikum an, das seine Lebensgeister reaktivieren und seinen angeknacksten Rippen helfen wird, sich von den brutalen Schlägen, die er einstecken musste, zu erholen. Der Drink enthält ein Gemisch aus Wasser, Essig, vielleicht einem Tropfen Honig. Darin löst er ein wenig Asche auf und stürzt den Trunk hinunter.
"Das hat nicht grauslich, sondern erfrischend geschmeckt", sagt Fabian Kanz vom Department für Gerichtsmedizin an der MedUni Wien. In der antiken Küche wurde Asche zum Sämigmachen von Saucen verwendet. Nach einer extremen Anstrengung wie nach einem Kampf auf Leben und Tod wirkte der Asche-Trunk wie eine Magnesium-Kalzium-Brausetablette, wie man sie heute nach einem Fußballmatch einnimmt, um einen Muskelkater loszuwerden.
Vegetarier
Kanz leitet ein Team aus österreichischen und Schweizer Anthropologen, die Knochen aus einem ephesischen Gladiatorenfriedhof aus dem 2./3. nachchristlichen Jahrhundert untersuchen. Die Knochenfunde gelangen österreichischen Archäologen bereits 1993. Bei den damaligen Grabungen kamen Skelette von 70 Menschen zum Vorschein, getötet im Alter zwischen 25 und 30 Jahren (siehe unten).
Kanz und seiner Schweizer Kollegin Sandra Lösch gelang es mithilfe von Isotopenanalysen von Knochenmaterial, die Ernährungsgewohnheiten der Gladiatoren zu entschlüsseln. Die Ergebnisse zeigen, dass Gladiatoren sich kaum anders ernährten als der Durchschnitt der Bevölkerung: Fleisch gab es nur in Ausnahmefällen – auf dem Speiseplan standen Gerichte aus Gerste, sowie, als Fleischersatz, die sogenannte "Saubohne", die botanisch eine Wicke, aber vor allem ein hervorragender Proteinlieferant ist. Da Gerste – im Gegensatz zum Weizen – ein Arme-Leute-Getreide und Pferdefutter war, etablierte sich der Spottname "Gerstenfresser" (hordearii) für die Kämpfer. Eine Abweichung in den Ergebnissen fanden die Forscher beim Strontium. Strontium hat in seinen Eigenschaften Ähnlichkeit mit Kalzium, es wird als Knochenbestandteil eingebaut. Der Gehalt der stabilen (nicht-radioaktiven) Isotope war doppelt so hoch wie im Schnitt der Bevölkerung. "Das lässt sich durch den Aschetrunk erklären", sagt Kanz. Aschegerichte findet man heute noch in einigen andinen Gegenden Südamerikas, sagt Kanz: Die betroffenen Indio-Völker weisen ebenfalls erhöhte Strontium-Werte auf.
... der erste Gladiatoren-Kampf in Ephesos 69 v. Chr. stattfand? Der Gladiatoren-Friedhof stammt aus dem 2. bis 3. Jahrhundert n. Chr.
... Forscher viel von den Gladiatoren-Knochen ablesen? Schlüsselbeine zeigen Abdrücke der Lederriemen, mit denen Schilde getragen wurden; in einem Schädelknochen entdeckte man Löcher, die von einem Dreizack stammen. Die Forscher fanden später die dazugehörige Waffe – einen Dreizack, der im ehemaligen Hafenbecken gefunden worden war.
... die soziale Stellung der Gladiatoren sehr niedrig war? Sie verloren bei Berufsantritt ihre Bürgerrechte. Trotzdem gab es stets viele Bewerber,sogar Frauen meldeten sich. Der Job war gut bezahlt, sie bekamen das beste Essen, Massagen und Bäder, um in Schuss zu bleiben. Sie wurden von den besten Ärzten umsorgt. Manch einer hat 130 Kämpfe überlebt.
... Gladiatorenspiele der Wahlkampf der Antike waren? Hohe Beamte, die ein Amt anstrebten, dürften tief in die Tasche gegriffen und dem Volk Spiele finanziert haben.
... es in Österreich eine Gladiatorenschule gab, die die zweitgrößte nach der im römischen Kolosseum war? Sie wurde 2011 in Carnuntum entdeckt, erstreckte sich über 3000 m² hatte einen großen Innenhof mit zwei Übungsarenen, eine Übungshalle und viele 5 m² große Zellen – wahrscheinlich die Unterkünfte der Gladiatoren. Eine Halle mit Hypokaust-Heizung sicherte den Winterbetrieb, und eine kleine Badeanlage war für 60 bis 70 Gladiatoren ausgelegt.

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