"Feminismus pur": Die "Emma" wird 40

"Feminismus pur": Die "Emma" wird 40
Von Scheidungsdebatten bis Magerwahn – was Alice Schwarzers Frauenzeitschrift verändert hat.

Rächerin. Nora. Amazone. Als die Journalistin und Autorin Alice Schwarzer im Herbst 1976 eine feministische Publikumszeitschrift ankündigte, rechneten viele mit einem angriffigen Namen. Umso größer war die Verwunderung, dass ausgerechnet die liebliche, harmlose Emma das Rennen machte. "Der Name gefiel uns", erklärte Schwarzer später, "nicht nur wegen der Anspielung auf die Em(m)anzipation, sondern auch, weil er das selbstironische Gegenteil vom platt Erwarteten war. Emma. Ganz einfach Emma."

Am 26. Jänner 1977 erschien das erste Exemplar, gestaltet von Schwarzer und drei anderen Frauen, die sie zuvor via Rundbrief angeworben hatte. 200.000 Exemplare wurden vom Fleck weg verkauft, und das, obwohl die "Zeitschrift für Frauen von Frauen" komplett auf den Glamour üblicher Frauenmagazine verzichtete. Das erste Heft (Kostenpunkt: 3 D-Mark) handelte von der Benachteiligung von Frauen bei Scheidungen, von der Gefahr von Stöckelschuhen (Krallenzehen!) und Romy Schneider ("Wir sind die beiden meistbeschimpften Frauen Deutschlands!", stellte Schwarzer fest).

"Feminismus pur": Die "Emma" wird 40
Emma Cover 1977

330 Ausgaben später liegt die gedruckte Auflage relativ stabil bei 50.000 Stück. Bis heute finanziert sich die Zeitschrift fast ausschließlich über ihre Leserinnen statt über Anzeigen, ist "völlig unabhängig von Konzernen oder Parteien". Schwarzer, 74, denke gar nicht daran, als Chefredakteurin zurückzutreten, ließ sie zum runden Geburtstag ausrichten. Denn: "Spätestens seit der Trump-Wahl ist wieder Feminismus pur angesagt."

Zurück zu den Anfängen also, als sich die Emma zielsicher und unerschrocken als feministisches Leitmedium positioniert hat. Schon in der zweiten Ausgabe erschien ein Protest-Artikel gegen Klitoris-Verstümmelung, später wurden viele weitere gesellschaftliche Kampagnen initiiert und gesellschaftliche Diskussionen angestoßen: gegen Pornografie, gegen Magerwahn, für Väter-Karenz. 1979 – lange, bevor das Thema ins kollektive Bewusstsein rückte – wurde die Rolle der Frau im Islam thematisiert.

"Feminismus pur": Die "Emma" wird 40
emma ausgabe

"In den Siebziger- und Achtzigerjahren war die Emma eine wichtige Stimme des deutschsprachigen Feminismus", sagt Julia Schuster vom Institut für Frauen- und Geschlechterforschung an der Johannes-Kepler-Universität Linz. "Nicht zuletzt deswegen, weil Schwarzer auch damals schon gewusst hat, wie sie sich eine Plattform verschafft."

Rückblickend sei vor allem die Pro-Abtreibungskampagne prägend gewesen, sagt Schuster. "Natürlich war sie nicht alleine verantwortlich für die Einführung der Fristenlösung, aber Schwarzer hat damit die öffentliche Debatte vorangetrieben. Auch ihre starke Positionierung hinsichtlich finanzieller Unabhängigkeit von Frauen war zu dieser Zeit besonders wichtig, weil traditionelle Familienbilder damals noch mehr als heute soziale Wertigkeiten geprägt haben."

Kritik & Konkurrenz

Vieles von dem, was Schwarzer und ihr Team in den Achtzigerjahren gefordert haben, ist heute selbstverständlich. Manche ihrer Sichtweisen – etwa, dass Prostitution verboten gehört oder das Kopftuch ein Symbol der Unterdrückung sei – werden in den sozialen Netzen heftig kritisiert. "Das Problem war, dass Schwarzer zunehmend von den deutschen Medien zu der Stimme des Feminismus gekürt wurde und sie – teilweise auch heute noch – immer gefragt wurde, was denn ‚der Feminismus‘ zu diversen Themen zu sagen hat", erklärt Julia Schuster. "Feminismus vereint aber mehr Perspektiven als die von Schwarzer." Heute gebe es viel mehr Konkurrenz, etwa die an.schläge, das Missy Magazine oder feministische Blogs.

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Alice Schwarzer honorarfrei

Vor allem Schwarzers Analyse zu den Vorfällen der Silvesternacht in Köln, in der sie vor einer falschen Toleranz gegenüber Flüchtlingen warnte, stieß viele Feministinnen vor den Kopf. "Das hat viel Kritik innerhalb jener feministischen Szene ausgelöst, die sich zunehmend bemüht, die Bekämpfung von Sexismus mit der Bekämpfung von Rassismus zu verbinden", erklärt Schuster.

Ihr Status als feministisches Leitblatt mag ins Wanken geraten sein, bemerkenswert sei die Emma aber allemal, meint die Expertin. Immerhin hält sie sich seit 1977 durchgehend auf dem Markt. "Und das", sagt Schuster, "ist für eine feministische Zeitschrift wirklich außergewöhnlich."

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