Fack ju Göhte 2: Fiktion und Realität

Fack ju Göhte 2
Im Film ist das Leben in der Brennpunkt-Schule brüllend komisch. Der Realitäts-Check zeigt, dass viele Probleme alltäglicher Ernst sind.

Er raucht mit den Schülern im Hof, redet mit der Direktorin, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, und stellt die nervigen Schüler mit der Ansage "Schnauze jetzt!" ruhig. Zeki Müller, der coolste Lehrer seit Robin Williams in "Club der toten Dichter", ist wieder da. In "Fack ju Göhte 2" geht er mit seiner Chaos-Truppe auf Höllenfahrt nach Thailand. Dort will er dem noblen Schillergymnasium die Partnerschule ausspannen, um das Image der eigenen Schule zu verbessern. Klar, dass der Trip mit Chantal und ihren Muskelprotzen nicht so pädagogisch wertvoll wird, wie von den Spießern zu Hause geplant.

Fack ju Göhte 2: Fiktion und Realität
Rock n Roll

Nichts in der Schule läuft so, wie man es sich vorgestellt hat, weiß auch Albrecht Johann aus langjähriger Erfahrung. Seine 34 Jahre an einer Brennpunkt-Schule in Berlin Kreuzberg hat er jetzt in dem neuen Buch "Rock ’n’ Roll und Ramadan – Lehrer aus Überzeugung" zusammengetragen. Kinder wie Chantal aus dem Film erlebte er täglich – real. Gleich an seinem ersten Schultag: "‚Trauen Sie sich, mit mir Armdrücken zu machen?‘, fragte mich Thorsten. Ich hatte meine Zweifel, wollte den Schülern aber ein guter Kumpel sein, und wie kann ich ablehnen, ohne mein Gesicht zu verlieren?" Es kam, wie es kommen musste: Der Schüler gewann und glaubte, er könnte den Lehrer herumkommandieren. Sein Freund rief Schimpfwörter und die anderen warfen mit Papierkugeln.

Lehrer haben Angst

Nach wenigen Wochen waren Albrecht Johanns Ambitionen verflogen. Er erinnert sich: "Sie haben mich durchschaut. Sie haben gespürt, dass ich im Grunde Angst vor ihnen hatte. So wie viele Lehrer. So ein schwacher Lehrer, das muss man einfach ausnützen."

Heute weiß der antiautoritäre Alt-68er, was das Problem war: "Ich konnte mich nicht abgrenzen, nicht rechtzeitig Nein sagen. Ich wollte ihre Zuneigung und deshalb zögerte ich zu sehr mit Strafen und Zurechtweisungen."

In seiner ersten eigenen Klasse versammelten sich die schrägsten Typen. Sie bewarfen ihre frühere Lehrerin mit Cola-Dosen, bis sie weinend hinauslief, und drehten eine Spritztour mit dem Auto eines Handwerkers rund um die Schule, nur weil der die Schlüssel stecken gelassen hatte. Im Streit mit dem Direktor verteidigte er seine "Underdogs gegen die Obrigkeit". Er verstand sich gut mit den Schülern, wie ein Freund, inklusive Klassenfest in der WG des jungen Lehrers. In seinem Unterricht durften sie die Füße am Tisch lassen. Johann: "Ich kam mir vor wie der Boss einer Bande von Gettokids und war auch stolz darauf."

"Wahnsinnig geworden?"

Aber der Preis für diese lockere Haltung in der Klasse war hoch: "Bei den anderen, strengeren Kollegen waren sie ständig frech und forderten die gleichen Privilegien. Legten Feuer, versprühten Buttersäure im Chemieunterricht, stritten sich bei der Exkursion mit der Museumsaufseherin. Irgendwann reichte es: "Ich stürmte in die Klasse und schrie: ‚Seid ihr wahnsinnig geworden? Warum erlaubt ihr euch solche Gemeinheiten mit Frau B.?‘ Sie kannten mich nicht so wütend und entschlossen. Ich auch nicht."

Fack ju Göhte 2: Fiktion und Realität
Fack ju Göhte 2

In den 80er-Jahre brach eine intensive Diskussion über das Setzen von Grenzen und Konsequenzen aus. Auch jene Lehrer riefen bei Fehlverhalten die Eltern an, die früher gesagt hatten "Ich verpetz’ doch nicht meinen Schüler", beobachtete Johann.

Sein Verständnis machte ihn zu einem beliebten und akzeptierten Lehrer. Manchmal stellte er sich jedoch die Frage, ob er die Schüler nicht mehr Respekt lehren müsste, damit sie sich am Arbeitsmarkt an die Spielregeln halten. Die Appelle einer Jobberaterin, die mit ihnen über Bewerbungen reden wollte, verhallten ungehört. Die Aufmerksamkeitsspanne seiner Schüler war begrenzt: "Länger als 30 Minuten ließ sich kein Unterrichtsgespräch führen. Dazu reichte ihre Disziplin nicht, auch ich brauchte eine Verschnaufpause."

Kleine Erfolgserlebnisse

Für manche Schüler war das Bewältigen eines Arbeitsblattes ein Kraftakt. Die Lehrbücher waren für sie schwer verständlich, "aber es gab keine einfacheren." Dazu kamen noch die Probleme, die sie von zu Hause mitbrachten. So erlebte er die sozialen Schattenseiten einer Gettoschule. Einer seiner Lieblingsschüler wurde beim Drogenschmuggeln erwischt. Eine Schülerin wurde in der Türkei zwangsverheiratet. Aber eine andere entschied sich später für ein selbstbestimmtes Leben mit einem Handwerksberuf. Ebenso ein Erfolg für ihn war die Stunde über die französische Revolution: Plötzlich entwickelt sich ein Rollenspiel und alle verstanden, worum es wirklich geht." Hochgefühl für einen Lehrer, wenn er den Kids den Horizont ein wenig erweitern kann.

Eine solche Sternstunde erlebt auch Zeki Müller am Strand von Thailand: "Wir haben jetzt den Roman gelesen – den mit der Faust", berichten ihm Chantal und ihre Freunde stolz. "Aber der ist verrückt, dieser Reclam."

Kommentare