"Geschwister" der höheren Lebewesen entdeckt

"Geschwister" der höheren Lebewesen entdeckt
Höhere Zellen sind laut einer Wiener Forscherin definitiv aus urtümlichen Archaeen hervorgegangen.

Die nächsten lebenden Verwandten der "höheren", also einen Zellkern besitzenden Lebewesen (Eukaryonten) konnte ein internationales Team mit österreichischer Beteiligung in Tiefsee-Proben identifizieren. Es sind urtümliche Einzeller namens Loki-Archaeen, die Merkmale höherer Zellen tragen, so die Forscher im Fachjournal Nature. Demnach sind Eukaryonten aus urtümlichen Archaeen hervorgegangen.

Die Frage, wie die ersten eukaryontischen Zellen, aus denen alle komplexeren Organismen hervorgingen, entstanden sind, wird kontrovers diskutiert. Als unumstritten gilt, dass Bakterien von einer Vorläuferzelle aufgenommen wurden und daraus die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zellen, entstanden sind. Weil Genomforschungen auch die wichtige Rolle von Archaeen in der Evolution höherer Organismen gezeigt haben, könnte die Mutterzelle aller Eukaryonten also ein Ur-Archaeon gewesen sein, das ein Bakterium aufgenommen hat.

Das Erbgut der Loki-Archaeen hatten die Wissenschafter aus 3.000 Metern Meerestiefe in der Nähe eines Hydrothermalfeldes namens "Loki's Castle" nördlich von Island gewonnen. Sie sequenzierten DNA-Fragmente aus den Meeressedimenten und ermittelten, welche davon zum selben Organismus gehören. "Ein großer Teil dieser Arbeit war es, überhaupt einmal das Erbgut der aus den vielen Teilen, die in dieser Umweltprobe waren, zusammenzustückeln", erklärte die Co-Autorin Christa Schleper vom Department für Ökogenomik und System Biologie der Universität Wien im Gespräch mit der APA.

In dem Projekt unter der Leitung von Forschern der Universität Uppsala wurde das Genom der Loki-Archaeen aufgeklärt. Die Wissenschafter entdeckten dabei auch Gene, die bisher nur in Eukaryonten bekannt waren. Dazu gehören Vorlagen für Zellskelett-Eiweißstoffe, mit denen sie ihre Form verändern können, und solche für Proteine, die den Umbau der Zellhülle (Membran) regeln. "Genau solche Merkmale brauchte auch die frühe eukaryontische Urzelle oder das Ur-Archaeon, um ein Bakterium, als Endosymbionten aufzunehmen", sagte Schleper.

Die ersten Vorläufer der Eukaryonten sind nach Überzeugung der Wissenschafter also tatsächlich direkt aus Archaen hervorgegangen. "Die Loki-Archaea sind eine direkte Schwestergruppe der Eukaryonten innerhalb der Domäne der Achaea", erklärte die Wissenschafterin.

Für sie ist es "fast so, als hätten wir soeben die Menschenaffen, also die nächsten lebenden Verwandten der Menschen entdeckt, die uns ja auch interessante Einblicke in unseren letzten gemeinsamen Vorfahren geben", so die Biologin in einer Aussendung der Uni. Doch der gemeinsame Ahn der Eukaryonten und Loki-Archaeen habe nicht vor fünf Millionen, sondern bereits vor zwei Milliarden Jahren gelebt.

Die Wissenschafter wollen in weiterer Folge versuchen, Loki-Archaeen im Labor zu kultivieren oder zumindest in größerer Menge aus der Tiefsee zu isolieren. Dann könnte man etwa ihre Membranen studieren und klären, ob sie wirklich andere Einzeller verschlucken können.

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