US-Teenager begeistert mit Politik-Newsletter

US-Teenager begeistert mit Politik-Newsletter
Während Freunde sich nochmal die Bettdecke über die Ohren ziehen, tippt Gabe Fleisher schon an seinem Politik-Newsletter. Fast 50 000 Abonnenten, darunter mehrere Senatoren, versorgt der 15-Jährige vor der Schule mit News - außer, es steht ein wichtiger Test an.

Zwei Stunden vor Schulbeginn klingelt der Wecker von Gabe Fleisher. "Dann ist es sechs Uhr, ich wache auf, schnappe mir meinen Laptop und fange direkt an zu schreiben". Mit Mischlingshund Chipper neben sich auf dem Bett tippt der 15-Jährige seinen Newsletter "Wake Up to Politics" fertig, verschickt ihn an rund 50 000 Menschen, darunter wichtige Senatoren, einflussreiche Journalisten und politische Berater, und macht sich auf den Weg zur Schule. "Fürs Frühstück bleibt da keine Zeit, meistens renne ich aus der Tür."

Danach beginnt für Fleisher ein Tag wie für viele Teenager in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri: Schule, Lieblingsfächer Englisch und Geschichte, Klassenarbeiten, Freunde, Fußballteam, dann der Abend mit Hausaufgaben und den Eltern, Schwester Zoe ist vor kurzem ans College ausgezogen. Zwischen all dem verbringt Fleisher soviel Zeit wie möglich auf seinem Handy, auf Twitter und anderen Apps, und liest und recherchiert für den Newsletter des nächsten Tages. "Die zwei Stunden am Morgen, in denen ich meinen Newsletter schreibe, sind für mich die ruhigsten und stressfreiesten des Tages. Da kann ich das machen, was ich leidenschaftlich gerne mache - und danach beginnt dann der Stress des Tages."

Überblick über politische Themen des Tages

Der per E-Mail verschickte Newsletter "Wake Up to Politics" (WUTP) behandelt alle wichtigen politischen Themen des Tages in den USA, den Präsidenten, den Kongress, Gerichte und Wahlen, und ist etwa so lang wie dieser Text. "Ich bin Gabe Fleisher und berichte live aus dem Welthauptquartier von WUTP in meinem Schlafzimmer", fängt er jeden Tag an. "In einer Zeit, in der die Menschen mit so vielen Nachrichten bombardiert werden, geht mein Newsletter alles durch und sortiert es ein, damit die Menschen eine Quelle haben, die neutral bleibt und bei der alles stimmt und von mehreren anderen Quellen bestätigt ist."

Das Interesse an Politik entwickelte Fleisher während der US-Präsidentschaftswahl 2008. Spontan fuhr sein Vater, der ebenso wie seine Mutter nicht in der Politik arbeitet, aber sich dafür interessiert, mit ihm zur Amtseinführungsfeier von Barack Obama nach Washington. "Ich wurde neugierig und begann, so viel zu lesen und zu schreiben wie ich nur konnte." Das Geschriebene fasst Fleisher dann jeden Tag zusammen und schickt es als E-Mail an seine Mutter. "Sie hat es irgendwann weitergeleitet, an Familie und Freunde, und es wuchs und wuchs. Wahrscheinlich fing dann alles so richtig 2011 an, in einem ähnlichen Format, aber ich hoffe noch mit einem niedrigeren Qualitätslevel - schließlich war ich da neun."

"Hat mich komplett überfordert"

Fleisher ist bei 2000 Abonnenten, als im Mai die New York Times vorbeischaut und "Wake Up to Politics" in einem Porträt als eine "überraschend anspruchsvolle, gut recherchierte Zusammenfassung der politischen Nachrichten des Tages" beschreibt. Kurz darauf hat Fleisher fast 50 000 Abonnenten. "Das hat mich komplett überfordert." Täglich bekommt er dutzende E-Mails von Abonnenten, die Fehler korrigieren, ihre Sichtweise der Dinge darlegen oder ihn einfach nur loben.

"Viele Kinder interessieren sich leidenschaftlich für Sport, für die Statistiken und die Spieler. Politik sollte nicht als ein Spiel angesehen werden, aber sie hat dieses Element und ist gleichzeitig - zumindest für mich - das wichtigste überhaupt im Leben. Mich faszinieren die verschiedenen Persönlichkeiten, die das alles voranbringen, und die Hochs und Tiefs daran. Ich bin süchtig danach."

Trump als Herausforderung

Als 15-Jähriger, der in St. Louis weit weg vom politischen Geschehen der Hauptstadt lebe und noch nicht wählen dürfe, biete er zudem eine einzigartige und außergewöhnliche Perspektive, sagt Fleisher. Die Wahl von US-Präsident Donald Trump habe seinen Newsletter für ihn noch wichtiger gemacht - und schwieriger. "In einer Zeit, in der der Präsident Nachrichtenorganisationen als Fake News bezeichnet, wird der Job eines jeden Journalisten schwieriger und schärfer kritisiert. Aber ich sehe das als Herausforderung an, besser und besser zu werden."

Was ihn an der derzeitigen politischen Lage störe, sei der Umgang der Politiker miteinander. "Ich verstehe, warum viele Menschen so frustriert sind von der Politik momentan, denn es ist so selten, dass jemand dem anderen zuhört, da haben wir als Land ein Problem." Seine Generation sei da anders. "Wir hören einander zu und sind respektvoll, und ich hoffe, dass wenn wir mal nach Washington einziehen, dass wir das dann mitbringen und die Politik kompromissbereiter und weniger wütend machen."

Fleisher will nach dem College auch nach Washington, allerdings eher als politischer Journalist - der er als Neuntklässler eigentlich längst ist, wenn auch mit Abstrichen. "Manchmal, wenn ich extrem viel Hausaufaufgaben auf habe oder einen wichtigen Test, dann muss ich einen Tag aussetzen mit meinem Newsletter - aber ich glaube, dass meine Leser mir das nachsehen."

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