Die Kinderstube der Katzen

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Entwicklungsstufen. Die Vierbeiner kommen unfertig zur Welt. Kontakt mit Menschen in der Sozialisierungsphase macht sie zu zahmen Haustieren

Zuerst sind sie nicht mehr als eine Handvoll Leben – 100 Gramm leicht, die Knochen unter dem weichem Fell deutlich spürbar, blind und taub: Wenn Katzenbabys zur Welt kommen, sind sie völlig hilflos. Unfertig. Und natürlich herzerwärmend süß.
„Die Sozialisierungsphase ist bei einer Katze die wichtigste Zeit“, sagt KURIER-Tiercoach Dagmar Schratter. Die Direktorin des Tiergarten Schönbrunn weiß, dass sich ab der zweiten Lebenswoche die Weichen für einen zivilisierten Umgang mit Artgenossen und Menschen stellen. Oder für ein unharmonisches Zusammensein von Zwei- und Vierbeiner. Mit acht Wochen sind Umgangsformen und Eigenheiten eingeprägt. Die Expertin erklärt, wie aus Kätzchen zahme Katzen werden.

Nesthocker

Katzenmütter tragen in der Regel drei bis sieben Babys pro Wurf aus. Die Neugeborenen sind absolute Nesthocker. Ihr Gehirn muss nachreifen, Nervenverbindungen müssen noch gebildet werden. Den Großteil des Tages verbringen die Welpen mit Trinken und Schlafen und Wachsen; mit zufriedenem Schnurren, wenn sie sich an die Mutter schmiegen und mit Fauchen, sobald sie berührt werden oder einen unbekannten Geruch wahrnehmen.
Nach eineinhalb Wochen öffnen die Kleinen die Augen und richten die Ohren auf. Der Tastsinn sowie das Gespür für Temperatur funktionieren längst. „Der menschliche Kontakt beschränkt sich in dieser Phase auf die Gesundheitskontrolle und hin und wieder auf Streicheleinheiten“, sagt Schratter.
Im Alter von zwei Wochen werden die Katzenkinder richtig aktiv. Alle Sinne sind angeregt. Die Kleinen können die Umwelt jetzt deutlich wahrnehmen, entdecken und erobern. Sie spielen mit den Geschwistern, trainieren das Jagen und lernen, sich schneller und geschickter zu bewegen. Bei Kämpfen untereinander üben sie, Pfoten und Maul einzusetzen. Sie erfahren, wie ihr Gegenüber auf Miauen und Schnurren, auf Bisse und Fauchen und auf Flucht reagiert. „In dieser Sozialisierungsphase lernen Katzen den zivilisierten Umgang mit Artgenossen und mit Menschen“, sagt der KURIER-Tiercoach: „Sie lernen Spiel und Spaß, aber auch, dass sie sich beherrschen müssen. Besitzer dürfen sich Kratzen und Beißen nicht gefallen lassen.“ Fehlt zwischen der zweiten und achten Lebenswoche der Kontakt zum Menschen, ist ein soziales Zusammenleben von Zwei- und Vierbeiner später kaum möglich. „Die Tiere machen immer Probleme“, sagt die Expertin. Sie bleiben meist scheu, misstrauisch, reagieren mitunter unangepasst und aggressiv.
Mit etwa zwei Monaten setzt die Jugendphase ein. Die Katzen werden mutiger, entfernen sich immer öfter und weiter von ihrer Mutter. Spielen ist jetzt ihre Hauptbeschäftigung, das fördert und prägt ihr Sozialverhalten. Die Nervenverbindungen festigen sich, die Muskeln werden stärker, die Bewegungen präziser.
Im Alter von drei Monaten sind die Tiere selbstständig. „Zwölf Wochen sind ideal, um die Katze in einem neuen Zuhause mit Katzenklo und Kratzbaum einzugewöhnen“, sagt Schratter. Katzenkinder, die jünger sind als acht Wochen, dürfen nicht von der Mutter getrennt werden, das bringt Verhaltensstörungen mit sich.

Geschlechterkampf

Ab einem halben Jahr beginnt die Pubertät. Es ist vorprogrammiert, wie sich die Geschlechter entwickeln. Katzenmädchen bevorzugen z. B. Stoffmäuse, Katzenbuben Rangeleien und die wilde Jagd. „Es ist besser, sich gleichgeschlechtliche Tiere zu nehmen, die spielen anders miteinander. Außerdem wird der Kater der Katze lästig“, sagt Schratter. Tierärzte empfehlen nach aktuellem Stand der Wissenschaft eine frühzeitige Kastration. Ab vier Monate alten Tieren können die Keimdrüsen entfernt werden, das bewahrt sie vor Nachwuchs und schützt sie vor Krankheiten. „Bei Haustieren ist es egal, ob sie kindisch bleiben“, sagt die Expertin.
Mit acht bis zehn Monaten sind Katzen erwachsen – ausgewachsen mit durchschnittlich fünfzig Zentimeter Körperlänge und vier Kilo schwer. Zwei Armvoll Leben. Und immer noch herzerwärmende Gefährten.

Junge Katzen haben spezielle Bedürfnisse, was ihre Versorgung betrifft. So manche Gewohnheit aus der Kinderstube kann vom Haustierhalter genutzt werden.
Ernährung: Neugeborene verbringen den Großteil des Tages mit Schlafen – und Trinken. Die Säugetiere brauchen die ersten zwölf Lebenswochen uneingeschränkten Zugang zum besten Futter. Vier bis fünf Mahlzeiten täglich sollen in der Wachstumsphase angeboten werden. Sind die Fleischfresser ein halbes Jahr alt, reichen ein oder zwei Portionen pro Tag.
Pflege: Katzenbabys werden von der Mutter gründlich geputzt. „Das Trockenlecken kann mit Bürsten fortgesetzt werden. Es verhindert das Verfilzen des Fells“, sagt KURIER-Tiercoach Dagmar Schratter.
Gesundheit: Mit acht Wochen steht die erste Impfung an, vier Wochen später wird aufgefrischt. Die Immunisierung dauert zehn Tage. Wohnungskatzen müssen so wie Freigänger entwurmt werden, Streuner brauchen zudem Zecken- und Flohschutz. Der Tierarzt kennt das Programm. Kastration wird ab dem vierten Monat empfohlen.

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