Flüchtlingen mit Respekt begegnen

Weltmusiker: Berührt mit seinen Auftritten neue wie alte Landsleute
Eine lokale Bürger-Initiative in Wien 14 lebt vor, wie Integration gelingen kann.
Von Uwe Mauch

"Wir haben uns das nicht ausgesucht", erzählt Salah Ammo, ein kurdischer Musiker aus Syrien, der nur mit seinem Instrument und einem kleinen Koffer aus seiner Heimat geflüchtet ist.

Dann greift er an diesem Montagabend zu seiner Bouzouk, einer syrischen Langhalslaute, um 160 Menschen im Kulturhaus des Wiener Wohnprojekts Sargfabrik zu berühren. Dorthin hat die Bürger-Initiative Lebenswertes Matznerviertel geladen. Und Europas Integrationsminister wären gut beraten, ähnlich vorausdenkend ihre Politik auszurichten. Gefragt wird an diesem Abend: Wer sind die Flüchtlinge in unserem Grätzl? Und: Wie können wir helfen?

Hunger mitten in Wien

Aktuelle Studien der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und ärztliche Psychotherapie zeigen, dass Flüchtlinge nicht nur auf ihrer Flucht, sondern auch durch behördliche Schikanen traumatisiert werden.

Der Leiter des Notquartiers in der Leyserstraße führt dann dem Publikum vor Augen, um welche Schikanen es konkret geht: Eine Tage alte Semmel, ein kleines Stück Butter und ganz wenig Honig gibt es dort täglich zum Frühstück. Tagsüber gibt es gar nix. Und am Abend entweder Eintopf oder Gulasch. Oder eine Mischung von Eintopf und Gulasch. Hungrige Menschen mitten in einer der reichsten Städte der Welt, schwer zu fassen, und doch: "Wenn Anrainer für die Kinder Bananen bringen", berichtet der Mann vom Roten Kreuz, "leuchten ihre Augen, als hätte ihnen jemand einen Goldbarren geschenkt."

Respekt gegenüber muslimischen Immigranten verhindert deren Radikalisierung, notieren Forscher der Jacobs University Bremen und der University of Maryland, nachdem sie 464 Muslime in Deutschland und in den USA befragt haben. Sehr respektvoll gehen die Menschen im Matznerviertel mit den neuen Nachbarn um. Lassen sie zu Wort kommen und erfahren so, wie schnell man Flüchtling wird.

Flüchtlinge am Wort

Der Lautenspieler Salah Ammo betont: "Sie können in Syrien unsere Häuser zerstören, aber sie können uns nicht unsere Musik und unsere Würde nehmen." Und: "Wer Zäune baut, isoliert auch sich. Isolation führt zu psychischen Störungen." Seine Landsfrau Hanada, eine erfahrene Mathematik-Lehrerin, die nach sieben Monaten aus dem Gefängnis in Damaskus freikam (anders als ihr Bruder, der ermordet wurde), fügt hinzu: "Es war nie unser Plan, mit einem gefälschten Pass in ein sicheres Land zu kommen. Doch man ließ uns keine andere Möglichkeit."

Die Lehrerin erzählt traurig von prügelnden Grenzpolizisten und Camps auf ihrer Flucht, in denen ihr sogar vor dem Duschen graute. Dann sagt sie noch: "Niemand von uns will in Österreich Urlaub machen. Ich möchte arbeiten, eigenes Geld verdienen und Steuern zahlen." Omar, ihr Berufskollege, der vor seiner Flucht ein Gymnasium mit 1200 Schülern in Aleppo leitete, engagiert sich bereits bei einem privaten Flüchtlingsprojekt. Doch noch den Klang der vertrauten Laute im Ohr, seufzt er auch: "Mir fehlt die Heimat."

Leichter tun sich die Jungen: Majid, 24, hat in Kairo Zahnmedizin studiert, solange sein Vater in Syrien Arbeit hatte, und ging zu Fuß nach Österreich. Binnen weniger Monate hat er gut Deutsch gelernt. Derzeit bereitet er sich auf die Aufnahmeprüfung an der MedUni Wien vor.

Flüchtlingen mit Respekt begegnen
Spontane Reaktion: Von Bürger_innen der Initiative Lebenswertes Matznerviertel
Am Ende des Abends liegen 1300 Euro in der Spendenbox. Einige Anrainer haben sich bereit erklärt, beim Deutschlernen zu helfen und die Flüchtlinge im Haus nebenan regelmäßig mit Essbarem zu versorgen.

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