Kunterbunte Hieroglyphen

Ein gelbes Emoji-Gesicht, dessen Augen aus roten Herzen und dessen Mund aus einer Reihe kleinerer Emojis besteht.
Die kleinen Bildzeichen aus Japan sind aus unserem Kommunikationsalltag nicht mehr wegzudenken.

Die Kommunikation mit den Freundinnen bedarf fast keiner Worte mehr. Ist etwas besonders witzig, wird via WhatsApp ein Tränen lachender Smiley verschickt. Ein pinkes Herz symbolisiert Zuneigung, ein Martiniglas Vorfreude auf den nächsten Samstagabend. Möchte man seinem Ärger Ausdruck verleihen, unterstreicht ein rot angelaufener Kopf das Wut-Gefühl. Wird man getröstet, dient ein Kussmund als virtuelles "Dankeschön".

Willkommen in der kunterbunten Welt der Emojis – so heißen die kleinen Bildzeichen, die von Japan aus die ganze Welt erobert haben. Oder zumindest die der rund 1,7 Milliarden Smartphone-Besitzer. Die Symbole werden über eine App auf das Handy geladen und sorgen in WhatsApp-Nachrichten, SMS oder eMails für fröhliche Farbtupfer im eintönigen Buchstabenwald. Auf der Website emojitracker.com lässt sich der Siegeszug der Emojis live mitverfolgen: In Echtzeit wird dokumentiert, welche Symbole wie oft auf Twitter verwendet werden. Aktuell hat der Freudentränen-Smiley mit rund 578 Millionen Erwähnungen die Nase vorne. In Summe werden die etwa 800 verschiedenen Emojis – vom Regenschirm bis zum Verlobungsring – auf Twitter mittlerweile häufiger verwendet als die Ziffer 5 oder der Bindestrich.

Bild statt Wort

Ganz neu ist es nicht, Emotionen mit Zeichen auszudrücken. Seit es Handykommunikation gibt, gibt es auch Smileys, also Gesichter, die aus verschiedenen Satzzeichen zusammengesetzt werden, und, je nachdem, Freude oder Traurigkeit versprühen. Christa Dürscheid, Professorin für Germanistik an der Universität Zürich, beobachtet dennoch eine Veränderung, seit es die bunten Icons gibt: "Emojis werden nicht nur verwendet, um zu kommentieren, was man geschrieben hat, wie etwa das ‚Daumen hoch‘-Symbol. Es kommt auch vor, dass diese Bildzeichen an die Stelle von Wörtern treten." Sprich: Man tippt nicht "Hast du heute Lust auf ein Bier?" in die virtuelle Tastatur, sondern bedient sich des Bierkrug-Emojis. Das, so Dürscheid, sei eine neue Entwicklung.

Mit teilweise kuriosen Auswüchsen: So versucht sich etwa ein Amerikaner in der Übersetzung des Literaturklassikers Moby Dick in "Emoji" (Titel: "Emoji Dick"), ein anderer hat sich vorgenommen, alle Wörter in der Bibel durch Emojis zu ersetzen. Zum Jahreswechsel präsentierte die deutsche Tageszeitung Die Welt die wichtigsten Nachrichten 2014 in bunten Emoji-Bilderrätseln.

Happy Birthday, Emoticon!

Ein gelbes Smiley unter vielen weißen, traurigen Gesichtern.

Clivia - FotoliaA happy smiley stands out from the crowdBimmer: 78307830316
Ein Porträt von Abraham Lincoln in Anzug und Fliege.

dapdFILE - In this Oct. 1858 file photo, President Abraham Lincoln is shown in a photograph by W.A. Thomson, made in Monmouth, Ill., on the day of his debate with Stephen A. Douglas. Abraham Lincolns Gettysburg Address has inspired Americans for generatio
Auf der mit Schnee bedeckten Motorhaube eines Autos ist ein Smiley gezeichnet.

dpa/Maurizio GambariniEin Passant geht am Montag (30.01.2012) in Berlin an einem Auto vorbei, dem ein Smiley auf die Motorhaube gemalt wurde. In den kommenden Tagen soll das Wetter sehr kalt und winterlich werden, so die Meteorologen. Foto: Maurizio Gamba
Eine Frau hält zwei Tennisbälle mit Smiley-Gesichtern vor ihre Augen.

EPAepa00635022 Ellen de Boer poses with two tennis balls featuring the smiley from the 70ies at the preview of the consumer goods trade fair Ambiente in Frankfurt, Germany Thursday 09 February 2006. Under the motto Smileys back the Dutch company presents
Vier stilisierte Gesichter zeigen Freude, Melancholie, Gleichgültigkeit und Erstaunen.

Wikipedia
Ein Screenshot von Scott E Fahlmans ursprünglicher E-Mail zur Verwendung von Emoticons wie :-) und :-(.

Kurier
Auf dem Bildschirm eines Smartphones werden verschiedene Emoji-Gesichter angezeigt.

Kurier

Christa Dürscheid sieht dennoch keine Gefahr für das geschriebene Wort: "Natürlich könnte man sagen, dass wir heute wieder mittels Hieroglyphen kommunizieren. Doch so ein Bild ist nie gleichwertig wie die Schrift. Ein Emoji hat verschiedene Lesarten, kann unterschiedlich interpretiert werden. Ein Wort nicht."

Spaß am Spiel

Emojis prägen nicht mehr nur den virtuellen Dialog von Jugendlichen – auch Erwachsene spicken ihre Nachrichten gerne mit den kindlichen Zeichen. Dieses Phänomen hat vor allem einen Grund: Spaß. "Das Verwenden der Emojis hat etwas Spielerisches", erklärt die Germanistin. "In einem Text mit lauter schwarzen Buchstaben sind kleine, bunte Bilder ein Eyecatcher." Als "neues Stilmittel" bezeichnet Dürscheid die bunten Icons. Und die haben, bei allem Spaß, auch längst eine gesellschaftspolitische Dimension erreicht: Nach Kritik an mangelnder Diversität gibt es die Emojis ab Mitte 2015 in sechs verschiedenen Hautfarben. Seit 2012 finden sich gleichgeschlechtliche Paare im Repertoire. Kleine Symbole – mit großer Symbolik.

Entstehung

1995 entwickelte der japanische Telefonkonzern NTT Docomo die Emojis. Ihr Erfinder, Shigetaka Kurita, ließ sich von japanischen Comics inspirieren. 2011 wurden sie von Unicode, der offiziellen Computer-Weltsprache, definiert und werden laufend erweitert.

Erklärung

Emojis und Emoticons werden häufig gleichgesetzt, haben aber verschiedene Bedeutungen: Emoticons sind kleine Piktogramme, die in der schriftlichen Kommunikation Gefühle ausdrücken sollen, wie z. B. ein lachender Smiley. Das Wort setzt sich aus "Emotion" (Gefühl) und "Icon" (Zeichen) zusammen. Der Begriff "Emoji" ist nicht nur auf Emotionen beschränkt, sondern umfasst auch Symbole für Pflanzen, Tiere, Essen etc. Eine japanische, vertikal geschriebene Sonderform der Emoticons heißt Kaomoji.

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